Die Welt schaut besorgt auf China und besonders auf die chinesische Stadt Wuhan. Wie gestaltet sich in Zeiten der Epidemie der Lebensalltag im Land? Wie gehen Expats aus Deutschland mit der Situation um? Wir haben unseren ICC-Redakteur Christoph Yew, der seit 2017 in Shenzhen lebt und arbeitet, zur derzeitigen Situation vor Ort interviewt. So gestaltet sich der Lebensalltag in Chinas Coronavirus-Krise.
Christoph Yew stammt aus dem Münsterland und lebt mittlerweile seit zehn Jahren in China. Er hat in mehreren Städten für unterschiedliche Tech-Firma gearbeitet und selbst ein Unternehmen gegründet. Für das ICC-Portal schreibt er über digitale Umbrüche im Reich der Mitte oder dubiose Methoden chinesischer Amazon-Verkäufer. Wir haben Christoph Yew zu seinem Lebensalltag und seinen medialen Eindrücken in Chinas Coronavirus-Krise befragt.
ICC: Wie geht es dir aktuell, Christoph Yew?
CY: Den Umständen entsprechend gut. Derzeit ergreift die Regierung viele Maßnahmen, die dazu geführt haben, dass die Städte wie verlassen erscheinen. Die Straßen sind leer, Geschäfte und Restaurants sind geschlossen. Gerade in einer sonst lebhaften Stadt wie Shenzhen merkt man den Unterschied sehr deutlich.
Coronavirus-Krisenkommunikation in China
ICC: Wie und wo hast du vom Coronavirus-Ausbruch erfahren?
CY: Ich bin kurz vor Beginn der Feiertage von Shenzhen nach Maoming, im Westen von Guangdong gefahren, um das chinesische Neujahr dort zu verbringen. Die ersten Tage gab es nur vereinzelte Nachrichten und Gerüchte. Dann jedoch ging es Schlag auf Schlag. Das Fernsehen war plötzlich voll von Berichten über die Lage in Wuhan. Dann kam die Nachricht, dass Wuhan und weitere Städte unter Quarantäne gestellt wurden, und dass es ab sofort verpflichtend sei, Masken zu tragen.
ICC: Du sprichst ja sehr gut Chinesisch, was berichten die chinesischsprachigen Medien?
CY: Natürlich lag der Fokus darauf, wie sich das Virus derzeit ausbreitet und wie die Situation in Wuhan ist. Sehr beeindruckt war ich davon, wie man in kürzester Zeit die beiden neuen Krankenhäuser hochgezogen hat – darüber wurde genau berichtet. Es wurde immer wieder an den Zusammenhalt der Bevölkerung appelliert und betont, dass die Bekämpfung des Virus oberste Priorität habe. Daneben gab es auch dauernd Einspielungen die darüber aufklärten, wie man sich die Hände zu waschen habe, wie eine Maske richtig zu tragen sei, dass Menschenansammlungen vermieden werden sollten usw. Man sieht daran deutlich, dass die Regierung das Thema (mittlerweile) sehr ernst nimmt.
Lebensalltag in Chinas Coronavirus-Krise
ICC: Wie ist die Situation für die arbeitende Bevölkerung in Shenzhen?
CY: Ursprünglich sollte die Arbeit am 31. Januar wieder losgehen. Dann jedoch gaben die Behörden für Guangdong bekannt , dass die Arbeitsaufnahme erst wieder zum 10. Februar stattfinden soll. Viele Unternehmen haben jetzt auf Homeoffice umgeschaltet. Darüber hinaus muss man wissen, dass Shenzhen eine Stadt ist, in der vorrangig Zugezogene leben. Viele der hier Arbeitenden kommen aus den umliegenden Städten und Provinzen wie Hunan, Jiangxi, Guangxi und natürlich auch Hubei. Neben Büroangestellten sind das viele Fabrikarbeiter, für die das chinesische Neujahr die einzige Gelegenheit im Jahr ist, nach Hause zurückzukehren. Da das Datum der Arbeitsaufnahme nach hinten verschoben wurde, sind viele noch gar nicht wieder nach Shenzhen zurückgekehrt.
ICC: Du hast Menschen aus Hubei angesprochen. Hast du mitbekommen, ob diese nun im eigenen Land diskriminiert werden?
CY: Ich selbst konnte nicht feststellen, dass Menschen aus Hubei wegen der aktuellen Situation diskriminiert werden. Man spürt eher, dass sich viele um die Menschen in Hubei sorgen und trifft oft auf Solidaritätsbekundungen im Sinne von „Wir sind Hubei“. Wie sich die Menschen in und aus der Krisenregion fühlen, kann ich aber nicht einschätzen.
Coronavirus zwischen China und Deutschland
ICC: Konntest du auch die deutsche Berichterstattung zum neuen Coronavirus etwas mitverfolgen? Wie ist dein Eindruck?
CY: Vorrangig habe ich Berichterstattung in deutschen Online-Medien verfolgt. Ich hatte den Eindruck, dass die den Fokus oftmals eher auf Chinakritik gelegt und positive Anstrengungen allenfalls am Rande erwähnt haben. Kritisiert wurde beispielsweise, dass die Lokalregierung zu spät reagiert habe oder es wurde die Hygiene auf Tiermärkten in China diskutiert. Ein Bild, das es sogar in die sozialen Medien Chinas geschafft hat, ist das Spiegel-Cover mit der Aufschrift „Corona-Virus: Made in China“. Solch eine Aufmachung stößt bei vielen Chinesen auf Unverständnis.
ICC: Bekanntlich wurden Deutsche aus Wuhan per Flieger nach Deutschland zurückgeholt. Hast du auch darüber nachgedacht, China vorübergehend zu verlassen?
CY: Nein. Das Zentrum der Ausbreitung liegt in Wuhan. Zwar haben mittlerweile alle Provinzen erste Fälle gemeldet, aber über die Gefährlichkeit des Virus gibt es noch keine definitive Beurteilung. So scheint sich das neue Coronavirus zwar wesentlich leichter und schneller auszubreiten als SARS. Allerdings ist die Mortalitätsrate wohl niedriger und es gibt offenbar auch Fälle, bei denen nur schwache bis keine Symptome auftreten. Das Auswärtige Amt bzw. die Deutsche Botschaft hat mittlerweile eine Hotline eingerichtet und über http://elefand.diplo.de kann man sich in eine Kontaktliste eintragen lassen. Sie informiert alle Abonnenten schnell über Veränderungen der Situation. Darüber hinaus verfügt Shenzhen über sehr gute Krankenhäuser, die im Notfall die medizinische Versorgung leisten können.
ICC: Vielen Dank für das Interview, Christoph. Bitte bleib gesund! Wir hoffen, dass sich die Situation bald verbessert.
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Offizielle Informationsquellen zum Coronavirus:
- Robert Koch-Institut https://www.rki.de
- Auswärtiges Amt (Reisewarnungen) https://www.auswaertiges-amt.de
- Bundesministerium für Gesundheit https://www.bundesgesundheitsministerium.de/
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Deutsche Botschaft Peking https://china.diplo.de/cn-de
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Weltgesundheitsorganisation WHO https://www.who.int
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