Von ICC-Redakteur Christoph Yew
Bedingt durch den Erfolg Amazons in den USA und Westeuropa ist in den letzten Jahren ein neuer Typ von Unternehmen entstanden, der sich extrem hoher Beliebtheit unter chinesischen Geschäftsleuten erfreut: der des Amazon-Verkäufers. Zwischen Deutschland und China hat sich derweil ein zweifelhafter Handel mit Fake-Bewertungen und –Bestellungen entwickelt. In China scheint dieser Schwarzmarkt besonders ausgeprägt zu sein.
In Deutschland dürften viele die Marken Anker, EasyAcc, Ravpower oder Aukey kennen, die nur mit Hilfe ihres Absatzes über Amazon extrem erfolgreich gewachsen sind. Vor allem die Möglichkeit, ein Unternehmen aufbauen zu können, das innerhalb von zwei bis drei Jahren ein Jahres-Umsatzvolumen im dreistelligen Euromillionen-Bereich erzielen kann hat zu einem regelrechten Ansturm auf dieses Geschäftsmodell geführt. Allerdings halten sich nicht alle Verkäufer an lokale Gesetze und Regeln, um erfolgreich zu sein. In diesem Beitrag geht es dabei speziell um gefälschte Rezensionen und Fake-Bestellungen.
Gefälschte Rezensionen aus China – auch für Deutschland
Gute Rezensionen sind für Verkäufer bares Geld wert. Umso besser ein Produkt bewertet ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufs nachdem sich ein Kunde das Produkt angesehen hat. Wenn man jedoch ein neues Produkt auf den Markt bringt, ist es oft schwierig Verkäufe zu generieren, da das Produkt natürlich noch über keine Rezensionen verfügt. Solche Startschwierigkeiten wurden in der Vergangenheit meist mit Hilfe der „anreizbasierten Rezensionen“ gelöst. Man schickte ein kostenloses Exemplar an einen Rezensenten und dieser fertigte eine – idealerweise – ehrliche und neutrale Rezension an. Besonders beliebt war es dabei auf die Top-Rezensenten zurückzugreifen. Deren Kontaktdaten sind teilweise öffentlich verfügbar (www.amazon.de/review/top-reviewers)
Im November 2016 wurde dieser Weg jedoch in Deutschland deutlich erschwert, da Amazon den Tausch „kostenloses Produkt gegen Rezension“ untersagt hat. Grund ist, dass einige Händler dieses System durch äußerst aggressives Vorgehen ad absurdum geführt haben. So gab es Produkte die zwei Tage nach Verkaufsstart über hunderte positiver Bewertungen verfügten. Gemeinsam war vielen Bewertungen ein äußerst schlechtes Deutsch. Die Änderung der Richtlinien durch Amazon hat zwar dazu geführt, dass eine Vielzahl von Rezensionen gelöscht wurde und Rezensenten gesperrt wurden. Alle Fake-Beiträge werden natürlich immer noch nicht eingeschränkt.
Das Problem wurde dadurch allerdings mitnichten gelöst. Noch immer gibt es einen regen Schwarzmarkt für gekaufte Bewertungen – sowohl im Westen als auch in China. Ein Blick auf Taobao, das chinesische eBay-Pendant, genügt. Wer dort nach „Amazon 刷评论“ sucht, findet schnell eine Vielzahl von Anbietern, die einem Rezensionen beschaffen können. Gefälschte Rezensionen kosten hier 20 bis 40 RMB pro Rezension. Die Vorgehensweise ist sehr professionell und es ist für Amazon schwierig, diese Rezensionen zu identifizieren. Der Verkäufer überweist dem Dienstleister den Kaufbetrag, über lokale IPs in Deutschland wird eine Bestellung über Amazon ausgeführt und das Produkt wird nach „Erhalt“ mit fünf Sternen bewertet. Die Bewertung liefert dabei der Verkäufer selbst, der Dienstleister lädt diese nur hoch. Innerhalb Chinas ist der Handel mit Fake-Aktivitäten noch offensichtlicher.
Gefälschte Bestellungen auf chinesischen Verkaufsplattformen
Allerdings werden nicht nur Rezensionen gefälscht, sondern auch Bestellungen nachgestellt, um die Produkte zu pushen. Kernfrage ist: Wie kommt man nach oben in die Suchergebnisliste von Amazon? Sehr simpel formuliert: Je höher ein Produkt gerankt wird, umso besser verkauft es sich für einen bestimmten Suchbegriff. Einige Händler verwenden diese Logik und lösen einfach eine Vielzahl von Bestellungen ihrer eigenen Produkte aus. Die Service-Kosten auf Taobao für solche Bestellungen liegen dabei bei 8 bis 10 RMB pro Bestellung. Diese Methode, den Search-Rank zu fördern, ist besonders effektiv. Ein neues Produkt kann so innerhalb weniger Tage auf Seite 1 der Suchergebnisliste gelangen. Selbst für Suchbegriffe, die extrem beliebt sind.
Man könnte nun argumentieren, dass die Kosten für diese Vorgehensweise horrend sind. Dies ist korrekt. Mir sind persönlich Verkäufer bekannt, die bis zu 100.000 RMB pro Woche für diese Art von Bestellungen pro Produkt ausgeben. In Hochzeiten wie dem Dezember können es auch gerne 100.000 RMB pro Tag sein. Dem finanziellen Spielraum mancher Verkäufer sind da offenbar keine Grenzen gesetzt.
Gefälschte Bewertungen als chinesische Normalität?
Seitdem ich mit Askborg meine eigene Marke auf den Markt gebracht habe, habe ich die Bekanntschaft mit einer Vielzahl chinesischer Amazon-Händler und Fabrikbesitzern gemacht. Bei Diskussionen über das Thema, wie man auf Amazon erfolgreich sein kann, stehen mir jedoch regelmäßig die Nackenhaare zu Bergen. Es herrscht ein fundamentaler Unterschied zwischen nahezu allen chinesischen und deutschen Händlern. Die oben genannten Methoden haben für Chinesen überhaupt nichts Anrüchiges, sondern sind effektives Mittel zum Zweck. Viele dieser Methoden sind auf Taobao normal und haben somit die Denkweise geprägt.
Es würde den hiesigen Händlern auch niemals in den Sinn kommen, dass gefälschte Rezensionen zu Marktverzerrungen führen und dass dies Betrug am Kunden ist. Dadurch, dass so gut wie alle Händler diese Methoden anwenden, gelten diese als normal. Sogar Ausbildungszentren, die im Amazon-Verkauf schulen, unterrichten ihre Studenten direkt in den Methoden die in Deutschland als Betrug am Kunden gewertet werden würden. Amazon versucht selbstverständlich in Form von Richtlinien-Änderungen gegen diese Methoden vorzugehen, allerdings führt dies nur dazu, dass neue Methoden entwickelt werden, um die Richtlinien zu umgehen. Natürlich gibt es auch in Deutschland weiterhin Fake-Rezensionen und -Bestellungen. Doch die chinesische Selbstverständlichkeit, damit zu hantieren, habe ich nur im Reich der Mitte angetroffen.
Über den Autor:
Christoph Yew war über drei Jahre für Anker in China tätig und hat mit Askborg inzwischen seine eigene Elektronikmarke auf den Markt gebracht.
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MtMt meint
Ihc kenn das leider auch aus Deutschland – auch wenn es nicht so extrem ist. Man muss auch einfach mitmachen weil man sonst einfach raus ist. Es gibt ja auch auf Facebook noch viele Gruppen, wo man sich Produktreviews „besorgen“ kann. Schade dass diese eigentlich hilfreichen Efmpfehlungssysteme häufig ausgenutzt werden
Upsi meint
Verwunderlich (nicht nur hier), dass immer davon ausgegangen wird, dass Amazon redlich bemüht sei, diesen Betrug zu stoppen- erfolglos zwar, aber bemüht.
Meiner Meinung stecken die da mitten drin. Und es beschränkt sich eben nicht nur auf diese China-Flut.
Eine ganze Flotte deutscher Marketing-Unternehmen bieten so etwas relativ offen an- ausdrücklich wird auf Richtlinien-Treue hingewiesen.
Das Produkt-Ranking wird auch über die Bewertung einer Rezension (Hilfreich ja/nein) beeinflusst. Das sind offene Schnittstellen, die Amazon da zur Verfügung stellt.
So ein Rund-Um-Sorglos-Paket gibt es nicht für € 2,50/Monat.
Bis zu € 10.000/ Monat werden da aufgerufen- das wird sich wohl kaum ein chinesischer/deutscher /internationaler Neuling leisten können.
Amazon mag nicht aktiv bei diesem Trauerspiel tätig sein. So b_löd sind die nicht.
Genauso wenig sind die blind- die wissen genau, was da passiert.
Diese Lösch-Wellen sind für die Galerie und gezielt wurde nur auf diejenigen Rezensionen, die quasi ohne Zustimmung seitens Amazon die bereit-gestellten Möglichkeiten ausnutzten.
MtMt- ich denke, man muss nicht mit machen. Es muss nur einer mal den Anfang machen!
Martin meint
Was keiner kontrollieren kann, selbst Amazon nicht ist die neueste und wohl effektivste Methode die viele Händler, vor allem aus China und Co. nutzen: Sie kontaktieren Produkttester und überweisen dann per paypal das Geld nach einem „echten“ Kauf zurück.
Für Händler die nicht zu solchen Maßnahmen greifen ist das natürlich ein enormer Wettbewerbsnachteil, aber da haben die chinesischen Händler auch schon mit den 19 % MwSt. weitere Vorteile gegen die bislang noch nicht vorgegangen ist – was eigentlich sehr schade ist.
Die Bundesregierung hat sich zwar mit der Thematik bereits auseinandergesetzt (bzgl. der Steuer), aber auch das wird wahrscheinlich noch Jahre dauern.