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Frauenfußball in China – erfolgreiche Frauen zwischen Patriotismus und Chauvinismus

5. September 2020 von China-Wiki Kommentar verfassen

Von ICC-Autorin Victoria Walter.

Der Frauenfußball hat weltweit in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht, trotzdem ist die Sportart immer noch männlich dominiert. Auch in China zeigt sich eine Benachteiligung von Frauen im Fußball, was gesellschaftliche, historische und politische Gründet hat. Diese neue ICC-Artikelreihe beleuchtet Frauenfußball in China – der erste Beitrag betrachtet die Geschichte, Professionalisierung und Erfolgsgeschichten des chinesischen Frauenfußballs.

Es scheint paradox. Die chinesische Fußballnationalmannschaft der Frauen kann im Vergleich zu den Herren bei internationalen Turnieren wie der Weltmeisterschaft weitaus größeren Erfolge vorweisen. Doch die mediale Berichterstattung, die finanzielle Unterstützung sowie die generelle Akzeptanz in der chinesischen Bevölkerung fielen bisher weitaus geringer aus als bei den männlichen Kollegen. Peking hat es jedoch zur Staatsaufgabe gemacht, auch im Frauenfußball eine Supermacht zu werden. Aufgrund dessen wurden zahlreiche Maßnahmen zur Modernisierung getroffen.

Inhaltsverzeichnis

  • Geschichte des Frauenfußball in China und sozialer Aufstieg für chinesische Sportlerinnen
  • Gründung der Chinese Women’s Super League und „Anschluss“ an die Herren
  • Erfolge der chinesischen Fußballnationalmannschaft der Frauen
    • Die Olympischen Sommerspiele 1996 und 2008
    • Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 1999 und 2019

Geschichte des Frauenfußball in China und sozialer Aufstieg für chinesische Sportlerinnen

1924 wurde in China die Chinese Football Association gegründet. Mittlerweile ist auch der Frauenfußball in China zu einem wichtigen Instrument für nationalen Stolz, nationale Identität und internationale Präsenz geworden. Das war jedoch nicht immer so. In einigen Ländern war Frauenfußball zwischenzeitlich verboten, zum Beispiel in Deutschland. In China hingegen war er offiziell nie untersagt, aber es gab ihn in der heutigen Form einfach nicht. Er entwickelte sich erst Ende des 20. Jahrhunderts richtig. Die Gründe hierfür hängen teils mit der konfuzianischen Tradition in China zusammen, auf die in einem späteren Teil dieser Reihe eingegangen wird.

Lange wurde in China der Slogan „Chinese first, women second“ vertreten. Grundzüge davon lassen sich auch heute noch in der Denkweise vieler Chinesen wiederfinden. Das bedeutet, dass die Fußballfrauen, die erfolgreich sind, zuallererst chinesischer Herkunft sind und dann Frauen. Hier ist also die chinesische Identität von viel größerer Bedeutung als das weibliche Geschlecht. In China ist (sehr gute) Bildung nach wie vor ein wertvolles Gut, das sich nicht alle leisten können. Für viele Frauen, besonders aus den unteren Gesellschaftsschichten, ist der Profisport oft eine gute Möglichkeit, zu einer höheren Bildung zu kommen und sozial aufzusteigen. In chinesischen Bildungseinrichtungen ließ sich jedoch immer eine klare Abgrenzung zwischen Männern und Frauen beobachten. Nach wie vor ist es vereinzelt so, dass Fußball für Mädchen und junge Frauen nicht vorgesehen ist, sondern oft nur für Jungen und Männer angeboten wird.

Durch die vielen Erfolge der chinesischen Fußballfrauen in den letzten Jahrzehnten haben chinesische Behörden jedoch mehr und mehr finanzielle Mittel und Personal für Veranstaltungen der Frauen zur Verfügung gestellt. So stiegen mit der Zeit das Interesse und die technischen Standards stetig an.

Gründung der Chinese Women’s Super League und „Anschluss“ an die Herren

Die professionelle Männerliga, die Chinese Super League, entstand im Jahr 1994 und damit drei Jahre vor der professionellen Frauenliga, der Chinese Women’s Super League. Jedoch konnten die Männer im Vergleich zu den internationalen Erfolgen der Frauen bisher kaum überzeugen. Dies führte zu einer nationalen Enttäuschung Ende der 1990er-Jahre. Die Ambition, sich für den heimischen Fußball, geschweige denn für Frauenfußball, zu interessieren, war bei der chinesischen Bevölkerung damals gering.

Heutzutage sieht die Situation anders aus. Durch die Fußball-Weltmeisterschaft, die 2019 in Frankreich stattgefunden hat, lag der Fokus in China schon zu Beginn letzten Jahres auf der Umsetzung einer neuen Strategie. Auch der Frauenfußball, besonders die Profiliga im eigenen Land, soll künftig international ganz oben mitspielen können.

Es sollen unter anderem, ähnlich wie in europäischen Ländern, Frauenteams in den großen, bisher nur männlichen Fußballvereinen aufgestellt werden. Diese sind meist im Inland erfolgreich und bekannt und sollen den Frauenmannschaften ebenfalls zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. „Wir haben daher beschlossen, dass jede Super-League-Mannschaft bis 2020 auch ein Frauenteam haben soll“, sagte Du Zhaocai, der Präsident der Chinese Football Association. Der Trainer der Frauennationalmannschaft Chinas, Xiuquan Jia, sagte über die Women’s Super League, dass sie „offen für ausländische Spieler und Trainer“ sei, um mehr internationale Aufmerksamkeit zu generieren. Chinas großes Ziel, an die Weltspitze im Männer- und Frauenfußball zu kommen, bestätigt der Frauencoach: „Wir werden lernen und wollen den Abstand zu den besten Nationen verringern“, auch durch eine kompetente und professionelle Frauenliga.

Erfolge der chinesischen Fußballnationalmannschaft der Frauen

In den 1980er-Jahren fand in Guangdong ein erstes richtiges Fußballturnier für Frauen statt und seit damals nimmt das chinesische Nationalteam an der Fußball-Asienmeisterschaft der Frauen teil. Die Chinesinnen gewannen im Jahr 1986 zum ersten Mal das Turnier, was ihnen bis heute noch weitere acht Mal gelungen ist. Damit steht China in diesem Turnier ganz oben auf der Rangliste. 1991 fand ebenfalls in Guangdong die erste Frauenfußball-Weltmeisterschaft mit zwölf Mannschaften statt, bei der China den fünften Platz erreichte.

Von nun an wurden die chinesischen Fußballerinnen Stahlrosen genannt, die schnell aufblühten und einen Erfolg nach dem anderen erzielten. Dadurch fühlte sich die chinesische Gesellschaft – nach Auffassung mancher Medien – etwas getröstet nach der langen Durststrecke der Männer. Sun Wen, eine sehr bekannte Stürmerin zu der Zeit, sagte einst über die anfänglichen Erfolge: „You are regarded as a treasure in China“. Die Frauen wurden nicht nur mit ihren Leistungen ernst genommen, sondern sie erhielten zudem Aufmerksamkeit und Unterstützung.

Die Olympischen Sommerspiele 1996 und 2008

Bei Olympia 1996 in Atlanta erzielten die chinesischen Fußballfrauen ihr bisher bestes Ergebnis bei den Olympischen Spielen. Mit den USA, Schweden und Dänemark in einer Gruppe, holten sie sich den ersten Platz in der Gruppenphase. Im Halbfinale gewannen sie dann gegen Brasilien, im Finale verloren sie jedoch gegen die USA.

Bei den Olympischen Spielen 2008, im eigenen Land, wurden die chinesischen Spielerinnen in der Vorrunde in ihrer Gruppe mit Kanada, Schweden und Argentinien Gruppensieger. Daraufhin stieg im ganzen Land die Hoffnung auf den Olympia-Titel der Fußballfrauen. Doch die Chinesinnen schieden im Viertelfinale ausgerechnet gegen das auch historisch bedingt ungeliebte Japan aus, woraufhin ein Großteil der Fußballnation wieder in tiefe Enttäuschung verfiel.

Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 1999 und 2019

1999 bei der Frauenfußball-WM in den USA wurde China in der Gruppe mit Schweden, Australien und Ghana Sieger in der Gruppenphase. Im Viertelfinale setzten sie sich gegen Russland durch und gewannen im Halbfinale gegen Norwegen. Das Finale gegen die USA verloren die chinesischen Fußballfrauen jedoch erneut. Trotzdem war die Vize-Weltmeisterschaft das bisher erfolgreichste Resultat bei einer Fußball-WM.

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Bei der Frauenfußball WM 2019, genau 20 Jahre nach dem erfolgreichen Einzug ins Finale 1999, erreichten die chinesischen Spielerinnen in der Vorrunde in ihrer Gruppe mit Deutschland, Spanien und Südafrika den dritten Platz. Wieder schürten die Chinesen Optimismus, der leider im Achtelfinale endete, als sie gegen Italien aus dem Turnier folgen. Trotzdem war dies ein wichtiger Schritt in eine Zukunft, die dem chinesischen Frauenfußball wieder mehr Rum und Erfolge bringen soll, denn das öffentliche Interesse wuchs stärker denn je.

Der nächste Beitrag der ICC-Reihe über Frauenfußball in China betrachtet das Training und Leben der Spielerinnen sowie (weibliche) Körperkultur rund um den Fußball in China.

Bildquelle: Flickr: kkimphotography / Rechte

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Kategorie: Frauen in China, Fußball in China, Gesellschaft Chinas, Sport in China Stichworte: Chinese first, Chinese Football Association, Chinesische Fußballnationalmannschaft der Frauen, Frauenfußball China, Gleichberechtigung China, Sportkultur China, usa, women second

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