Von ICC-Redakteur Thomas Schneider
Während meines Auslandsjahres in China habe ich sehr viel Zeit in Taxen verbracht. Als erfreulicher Nebeneffekt ergab sich bei den Fahrten hin und wieder ein nettes Gespräch mit dem shifu 师傅 (hier: Fahrer). Die erste Frage war dabei meist die nach meiner Herkunft. Hatte ich diese mit Deutschland beantwortet, zeigte sich meist ein breites Grinsen auf dem Gesicht des shifu und mir wurde glücklich erzählt, wie toll wir Deutschen seien.
Als Beleg dafür wurden dann immer drei Dinge aufgezählt, die wir Deutschen besonders gut können: 1. Bier 2. Autos 3. Fußball. Vor allem der deutsche Fußball schien es den Chinesen angetan zu haben: Da wurde von Bayern München geschwärmt oder von den deutschen Nationalspielern. Meistens waren es Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller oder Philipp Lahm. Allesamt richtig klasse seien die und einen tollen Fußball spiele unsere Mannschaft. Taktisch sehr diszipliniert und mit Kraft – ja vor allem mit Kraft!
Chinas beliebtester Teilnehmer der WM 2014? Deutschland!
Diese Begeisterung schien sich, je näher die WM in Brasilien rückte, immer weiter zu steigern. So kam es nicht selten vor, dass ich Chinesen an allen möglichen Orten mit Trikots der deutschen Fußballnationalmannschaft herumlaufen sah. Egal ob im Supermarkt um die Ecke oder auf der Mauer in Peking: Schweinsteiger, Müller und Lahm waren überall! Hatte Deutschland ein WM-Spiel – ganz egal ob 1 Uhr Nachts oder 7 Uhr am Morgen – man konnte es in jeder Bar und in jedem Restaurant schauen. Rund 100 Millionen Menschen sollen den Spielen der deutschen Nationalmannschaft in China im Fernsehen zugesehen haben. Die Chinesen waren dabei zum Teil noch fanatischer als die paar Deutschen Fans, die sich in den Bars eingefunden hatten: Bei der Nationalhymne standen die meisten Deutschen nur da, während die chinesischen Fans begeistert die Schals in die Höhe reckten und die Hymne mitsangen (oder es zumindest probierten). Der Siegtreffer von Mario Götze wurde fast schon ekstatisch gefeiert und beim Schlusspfiff fielen sich viele der chinesischen Fans glücklich in die Arme.
Passend zur WM hatte auch der größte chinesische Mikroblogger-Dienst, Sina Weibo, eine Seite rund um die Weltmeisterschaft online gestellt. Das Interessante dabei: Die Nutzer von Weibo konnten mit einer kleinen Flagge in ihrem Profil zeigen, welche Mannschaft sie unterstützten. Wenig überraschend erreichte auch hier die deutsche Nationalmannschaft die Spitzenposition. Mit fast zwei Millionen Unterstützern lag Deutschland weit vor den großen Konkurrenten Spanien (etwa 246.000 Stimmen) oder Italien (etwa 233.000 Stimmen). Auf Platz zwei rangierte China – was angesichts der überlicherweise nicht allzu hohen Meinung der Chinesen von ihrem eigenen Team doch etwas überraschte. Schließlich hat es die chinesische Auswahl nur ein einziges Mal zu einer Weltmeisterschaft geschafft: Im Jahre 2002 schied man in Japan und Südkorea sang und klanglos bereits in der Vorrunde aus, ohne auch nur ein einziges Tor geschossen zu haben.
Auch im Club-Fußball halten es die Chinesen mit Deutschland
Immer wieder begegnete ich auch Fans deutscher Fußballvereine, so geschehen zum Beispiel an einem chinesischen Feiertagswochenende, als ich den großen Fehler beging, zu einem unter Chinesen beliebten Ausflugsziel zu reisen. Wie gefühlt eine Million andere Menschen auch, hatte ich mich aufgemacht, um einen der fünf Heiligen Berge des Daoismus zu besteigen: Den Taishan 泰山, gelegen etwa vier Zugstunden von Qingdao (Provinz Shandong) entfernt in der kleinen Stadt Tai’an .
Während ich mich die 6.293 Stufen zum Gipfel des Berges hinaufkämpfte, grüßte mich plötzlich ein chinesischer Mann fröhlich in einer Trainingsjacke von Borussia Dortmund. Doch am häufigsten waren es Fans oder Sympathisanten des FC Bayern München. Wie der Verein selbst Anfang letzten Jahres stolz auf seiner Website vermeldete, ist der FCB sogar ganz offiziell der in Social Networks präsenteste Fußballverein in China. Zu diesem Ergebnis kam die eine Beratungsagentur aus Shanghai, als sie im Rahmen des sogenannten Red Card-Berichts die Social Media Performance der europäischen Spitzenclubs in China analysierte. Andere deutsche Vereine ziehen nach, etwa der FC Schalke 04, der Ende 2014 auf Einladung des Sponsoren Huawei mit einer Delegation im Reich der Mitte unterwegs war und die Einrichtung eines Ablegers der Knappen-Fußballschule in China plant.
Chinesen in der Bundesliga: Auch eine Erfolgsgeschichte?
Angesprochen auf asiatische Fußballer in der deutschen Bundesliga, würden die meisten wohl an Kicker aus Japan denken. Shinji Kagawa zum Beispiel, der das Spiel des damaligen Meisters Borussia Dortmund entscheidend geprägt hatte. Sieben Profis, die in Deutschland ihr Geld verdienen, standen jüngst im Kader Japans für den Asien Cup. Aber was ist mit Spielern aus China? Immerhin zehn Chinesen spielten bereits für Vereine der ersten oder zweiten deutschen Bundesliga und erzielten dabei gemeinsam 76 Tore. Den elften hat nun gerade vor wenigen Wochen der VFL Wolfsburg verpflichtet: Der 23-jährige Xizhe Zhang wechselte für durchaus stolze 750.000 Euro von Beijing Guoan F.C. 北京国安足球俱乐部 zum VFL Wolfsburg. Ob es dem Verein, der eine hundertprozentige Tochter der Volkswagen AG ist, dabei wirklich um Fußball geht darf zumindest leise angezweifelt werden. Es wird wohl auch noch einige Jahre dauern, bis der chinesische Fußball hier genauso ein Exportschlager wird, wie es der deutsche in China bereits ist…
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