Chinesen und Tischtennis? Bei der Olympiade in Rio haben Chinas Tischtennis-Männer zum dritten Mal die Goldmedaille gewonnen. Tischtennis ist aber längst nicht die einzige Sportart, die im Reich der Mitte beliebt ist und massiv gefördert wird. China will auch und insbesondere im Fußball global aufschließen, Staatschef Xi Jinping, lässt keine Gelegenheit aus, sich mit Ball in der Nähe fotografieren zu lassen. Doch wie sieht es mit dem Vereinsfußball für Ausländer und Chinesen in China aus? Die Shanghai Krauts im Interview.
Als die Olympischen Spiele 2008 in Peking stattfanden, hat die chinesische Regierung 65 Breitensportveranstaltungen unter dem Motto: „Breitensport begleitet die olympischen Spiele“ im ganzen Land organisiert. Ziel war es zum einen, die Bevölkerung auf die olympischen Spiele einzuschwören und zum anderen das Fitness-Bewusstsein im Volk zu steigern. Dabei hat Breitensport eine lange Tradition in China. Schon im chinesischen Altertum waren Bogenschießen, Ringen, Kampfkunst und Drachenboot-Rennen so etwas wie Volkssportarten. Noch heute ist der Stellenwert der genannten Sportarten sehr hoch.
Wie steht es in China um die bei uns beliebteste Sportart, dem Fußball? Bilgin Güngörmüs leitet seit 10 Jahren die Fußballmannschaft „Shanghai Krauts“ und hat dem Vereinscheck.de-Team mehr dazu erzählt.
Vereinscheck.de: Servus Bilgin, du bist seit 10 Jahren für die Shanghai Krauts verantwortlich, seit 14 Jahren Mitglied. Bitte stell dich und die Krauts kurz vor.
Bilgin Güngörmüs: Die Shanghai Krauts wurden 1995 in Shanghai gegründet, als Initiative einiger deutscher Expat(riate)s in Shanghai. Bis heute sind wir noch nicht in der Lage gewesen, den wahren Urheber dieser Idee zu identifizieren. Schon im gleichen Jahr traten die Shanghai Krauts der SIFL bei (Shanghai International Football League) bei, wobei diese Liga damals eher auf die unterschiedlichen Nationen aufgeteilt war, d.h. es gab ein holländisches Team, ein deutsches Team usw. Die Ausländer waren eher unter sich. Heute sieht das ganz anders aus. Die Nationalitäten sind gemischt. Trotzdem zählen die Shanghai Krauts immer noch als das deutsche Team in Shanghai und hauptsächlich landen auch die meisten deutschen Spieler, die sich hier fußballerisch betätigen wollen durch Empfehlungen bei uns. Die Shanghai Krauts haben weltweit etwa 250 Mitglieder und weitere 120 in China. Das Spielerspektrum reicht vom Unternehmer, Praktikanten, Studenten bis zu Geschäftsführern vieler deutscher Unternehmen. Die Shanghai Krauts sind für zwei internationale Ligen gemeldet: Die SIFL (Shanghai International Football League [samstags]) und die SPL (Shanghai Premier League [sonntags]). Trainiert wir bei Wind und Wetter immer am Donnerstagabend. Der Fußball ist in der Ferne der zentrale Punkt für viele von uns geworden, was heißt, das diese Community sehr viel Zeit miteinander verbringt, die meisten schon so lange hier dabei sind und sehr starke Freundschaften bestehen.
Vereinscheck.de: Warst du in Deutschland auch schon Funktionär in einem Sportverein? Wenn ja, was hast du gemacht?
Bilgin Güngörmüs: Nein. Zwar habe ich, wie viele andere, die Jugendmannschaften durchlaufen, aber mit Beginn des Studiums habe ich dann erstmal aufgehört, Fußball zu spielen. Es war einfach durch den Umzug und Studium bedingt kaum noch möglich, in der neuen Stadt sich einen Verein zu suchen und sich auch die Zeit zu nehmen.
Vereinscheck.de: Wie unterscheidet sich deiner Meinung nach die Vereinstätigkeit in China und Deutschland?
Bilgin Güngörmüs: Es ist schwer, das hier zu vergleichen, da es wirklich komplett anders ist. Zuerst muss man sich im Klaren sein, das dies die beste Amateurliga in Asien ist. Zum anderen ist es ausländischen Mannschaften nicht erlaubt, auf Verbandsebene in chinesischen Ligen zu spielen. Die Liga ist auf keiner Ebene in den chinesischen Verbänden integriert, es ist eine komplett separate Liga, hauptsächlich mit ausländischen Teams. Die Vereinstätigkeit beschränkt sich auf bestimmte Leute, die Ihre Zeit aufbringen und einen Club leiten und koordinieren, das ist wohl ähnlich wie in Deutschland. Allerdings haben wir nur zwei Herrenteams und keine Jugendmannschaften. Im Vergleich zu Deutschland haben wir mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: Viele Spieler sind immer irgendwo im Flieger weltweit unterwegs, es gibt oft Probleme mit der Luftqualität, die Fußballplätze sind sehr teuer (ein Spiel kostet im Durchschnitt 400-500 Euro mit Schiedsrichtern), es sind sehr viele unterschiedliche Charaktere (vom 18-jährigen bis zum 50-jährigen alles dabei), viele gute Spieler wollen Geld, etc.
Vereinscheck.de: Was sind die größten Unterschiede zwischen Sportvereinen in Shanghai und Deutschland (Vereinsleben, Organisation, sportliches Niveau)?
Bilgin Güngörmüs: Wie erwähnt, es gibt Unterschiede, in Deutschland geht ein Verein vom Jugend-Team bis zum Hauptteam, die Organisation ist über viele Positionen verteilt, hier nicht. Wir haben hier ein Five-Member-Committee. Vom sportlichen Niveau kann ich sagen das die SIFL sehr stark ist (viele der Spieler waren mal professionell irgendwo auf der Welt, haben sehr hohes Niveau und haben für Geld gespielt). Ich habe mir Bezirksligamannschaften angeschaut in Deutschland, die würden meiner Meinung nach gegen einige Teams hier keine große Chance haben. Ich denke vom Niveau aus kann man sagen, das viele Team hier Bezirksliga Niveau haben, zwei bis drei Teams definitiv auch höherklassig spielen könnten.
Vereinscheck.de: Welche Sprache wird im Training und auf dem Platz gesprochen?
Bilgin Güngörmüs: Die Truppe ist inzwischen sehr international, es wir English, Deutsch und Chinesisch gesprochen, hauptsächlich aber Englisch. Für den Club ist es aber immer sehr leicht, wenn man mit deutschen Spielern arbeitet, da die meisten aus Vereinen kommen und wissen, wie man so etwas lebt. Es bildet sich eine sehr starke Gemeinschaft, die nach den Spielen auch oft noch irgendwo zusammen isst und trinkt, was bei einigen anderen Kulturen eher nicht so ist, man geht danach meist gleich heim.
Vereinscheck.de: Wie sind generell Sportvereine in Shanghai organisiert (Funktionen, Verbände, Ligensystem)?
Bilgin Güngörmüs: Zu diesem Thema ist es schwer, etwas zu sagen. Die größeren Ligen sind ja sehr bekannt [China Premier League und China League One] (besonders jetzt nach den ganzen Millionen Transfers), was aber genau in den einzelnen Ligen über ganz China verteilt in den unterschiedlichsten Provinzen vorgeht und wie es da abläuft, kann keiner von uns hier beschreiben. Es gibt keine richtige Fan-Kultur in den niedrigen Ligen, und es wird nicht wie in Deutschland richtig darüber berichtet. Ohne diese teuren Transfers würde sich hier keiner in die Stadien bewegen, es hat in den letzten zwei Jahren definitiv geholfen, so viel Geld für ausländische Spieler zu zahlen. Die ausländischen Spieler haben sehr viel dazu beigetragen, dass hier Fußball mehr in den Blickpunkt gekommen ist.
Vereinscheck.de: Welche Sportarten sind in China deiner Meinung nach gerade hip?
Bilgin Güngörmüs: Fitness-Studios sprießen aus allen Ecken, man bekommt durch die ganze Luftverschmutzung viel von der Presse um die Ohren gehauen und macht sich Gedanken, wie man dem entgegenwirken kann. Viele melden sich in Fitness-Studios an, versuchen auch Alternativen wie Yoga kombiniert mit irgendwelchen anderen Bewegungsarten. Auch helfen unterschiedliche Apps und digitale Armbänder, Sport als eine Art „Wettbewerb mit sich selbst“ zu sehen, da man Ergebnisse verfolgen kann und durch Social Media teilen kann. Entsprechend laufen und joggen hier inzwischen sehr viele, oft in den Compounds und zu Tausenden auf dem Sportplätzen. In den nächsten Jahren, denke ich, wird sich einiges auch Richtung Fußball bewegen, alleine durch die Vorgaben der Regierung den chinesischen Fußball international höher zu platzieren, fokussieren immer mehr Schulen und Institutionen auf Fußball. Trotzdem alledem wird es sehr schwer für China, international im Fußball mitzuhalten, es ist einfach die Substanz nicht vorhanden, es gibt so viele Sportarten, die klar von den Chinesen dominiert werden, aber Fußball wird sehr schwer. Persönlich denke ich, sollte man im jungen Alter Chinesen ins Ausland schicken und dann wieder zurückholen.
Vereinscheck.de: Was sind deine Ziele in den nächsten Jahren mit den Krauts?
Bilgin Güngörmüs: Wir wollen an mehr internationalen Turnieren teilnehmen, aber auch lokal ein weiteres Team gründen. Die Meisterschaft ist natürlich immer im Blickpunkt, aber wichtig für uns ist es Leute zu bekommen, die auch Ihre Zeit mitbringen, in den Club zu investieren und dabei zu sein. Unser Hauptziel ist es, das dieser deutsche Traditionsverein in Shanghai für immer bestehen bleibt.
Zum Originaltext: www.vereinscheck.de/blog/vereinssport-in-china-interview-mit-den-shanghai-krauts
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