Von Volker Stanislaw & Jonas Polfuß
Seit dem 14. Juni rollt der Ball bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland. Die Dominanz der chinesischen Werbung ist bei dieser WM ein Novum. Die Marken aus China stehen auch medial im Mittelpunkt der WM-Sponsoren. Warum investiert das Reich der Mitte so massiv in dieses Marketing? Politische Faktoren spielen sicher eine Rolle, wichtiger ist aber noch die interkulturelle Werbewirkung.
Sei es Milch aus der inneren Mongolei, Fernsehgeräte aus Qingdao oder eine Handy-Marke namens Vivo. Die chinesischen Markennamen sind seit dem Start der Fußball-WM den Zuschauern präsenter denn je. Chinesische Unternehmen haben wichtige Sponsorenverträge mit der Fifa abgeschlossen, vier gehören sogar zu den zwölf Hautsponsoren der WM. Über die Hintergründe wird viel spekuliert, die Antworten sind jedoch weniger kompliziert, als viele denken.
Die Fußball-WM hilft Marken wie Mengniu, Wanda, Hisense oder Yadea dabei, sich ins kollektive Bewusstsein der Fernsehzuschauer einzubrennen. Schätzungsweise 3,2 Milliarden Menschen sahen die Fernsehübertragungen des letzten Turniers in 2014. Mehr internationales Publikum geht heutzutage schlichtweg nicht. Erstmals stehen in diesem Jahr mehrere chinesische Marken bei einer Veranstaltung von globaler Größenordnung neben Marken wie McDonald’s, Visa und Adidas. In China wird die Weltmeisterschaft auch mit größtem Interesse verfolgt. Da die eigene Fußball-Nationalelf international noch nicht mithalten kann, wählen sich viele Chinesinnen und Chinesen ein eigenes Favoriten-Team mitsamt Lieblingsspielern. Nicht nur aufgrund des letzten Titels hat speziell Deutschland zahlreiche Anhänger im Reich der Mitte. Chinesische Fußball-Fans schauen also sehr gebannt nach Russland – und wenn schon keine eigenen Nationalspieler dabei sind, so sehen sie immerhin einige heimische Top-Marken.
Mengniu – Chinas Milch macht den Unterschied
Das Unternehmen Mengniu stellt die offizielle Milch des Turniers, die Mengniu Ice Cream und Joghurt-Getränke werden an Fans in jedem Stadion verkauft. Im Dezember letzten Jahres erst hat das Unternehmen einen Sponsorenvertrag mit der FIFA und sogar mit dem argentinischen Superstar Lionel Messi für seine neueste Werbekampagne geschlossen. Außerhalb von China ist die Marke bisher hingegen relativ unbekannt, im Inland hatte sie zwischenzeitlich mit Skandalen zu kämpfen. Wie viel Geld Messi für den Vertrag erhält, ist bislang noch nicht durchgesickert. Die Kosten der Mengniu WM-Kampagne sollen sich auf zwei Milliarden RMB (ca. 253 Mio. Euro) belaufen. China Daily berichtete im vergangenen Jahr, dass die Produkte von Mengniu bereits in der Mongolei, Singapur und Myanmar in den Regalen stehen. Ziel von Mengniu sei es, seine Produkte entlang der neuen Seidenstraße nach und nach einzuführen.
Marke Vivo vor dem großen Durchbruch
Unter den anderen chinesischen Turnier-Sponsoren befindet sich der Handyhersteller Vivo, der nach eigenen Angaben die weltweit fünftgrößte Smartphone-Marke darstellt. In Europa und den USA sind die Produkte allerdings noch nicht im Handel erhältlich. Ähnlich wie Mengniu, pumpt auch Vivo erhebliche Mengen an Geld in seinen Sponsoring-Deal. Laut Financial Times zahlt das Tech-Unternehmen für die WM in Russland und Katar ca. 400 Millionen Euro an die FIFA. Vivo-Experience Centers wurden außerhalb der Stadien in Moskau und St. Petersburg eingerichtet. FIFA-Mitarbeiter nutzen die chinesischen Handys bei der Arbeit während des Turniers.
Die beiden anderen Turnier-Sponsoren aus China sind Kühlschrank- und TV-Hersteller Hisense und Yadea, ein E-Roller-Produzent aus der Nähe von Shanghai. Hisense war in 2016 bereits das erste chinesische Unternehmen, das als offizieller Sponsor einer Europameisterschaft fungierte.
Fußball-Weltmeisterschaft 2030 in China?
Die Wanda-Gruppe ist die einzige chinesische Firma, die als offizieller FIFA-Partner benannt wird, nachdem Sie einen Deal im Wert von schätzungsweise 150 Millionen US-Dollar in 2016 unterschrieben hatte, die das Konglomerat zum ersten neuen Sponsor nach dem FIFA-Korruptionsskandal in 2015 machten. Wanda-Vorsitzender Wang Jianlin, einer der reichsten Männer Chinas, sagte zum Zeitpunkt der Transaktion, dass „wenn mehr chinesische Unternehmen wie Wanda FIFA-Sponsoren werden, wir das Interesse am chinesischen Fußball weiter voranzutreiben werden.“ Wang bemerkte auch, dass andere Unternehmen die FIFA nach dem Korruptionsskandal verlassen hatten, und erklärte: „weil einige westliche Unternehmen ausfielen, bekamen wir die Gelegenheit.“ Der Wanda-Deal läuft bis 2030. Es gibt bereits Spekulationen, dass das Wachstum des chinesischen Sponsorings eine Vorstufe zu einem WM-Turnier in China sein kann.
Streueffekte? Interkulturelles Marketing mit chinesischen Merkmalen
Politik hin oder her – einige Beobachter stellen sich die Frage, warum chinesische Unternehmen so viel Geld investieren, obwohl die eigene Nationalmannschaft nicht teilnimmt. Zum einen importiert Russland aus keinem Land mehr als aus China – da kann es nicht schaden, die dortigen Zuschauer weiter für chinesische Marken zu sensibilisieren. Zum anderen ist neben den vielen Zuschauern in China die interkulturelle Werbewirkung von zentraler Bedeutung. Mit dem plakativen Sponsoring zeigen chinesische Unternehmen ihren Landsleuten, dass sie es sich leisten können, global zu werben. Diese Botschaft ist nahezu unbezahlbar und wird fraglos Millionen nationalstolze Konsumenten im Reich der Mitte begeistern. Das lässt sich auch ein wenig mit Luxusmarketing vergleichen, das häufig auf Zielgruppen außerhalb der eigenen Käuferschaft ausgerichtet ist. Die reiche Kundschaft soll sich daran erfreuen, dass ihre Produkte von allen bewundert werden, die sie sich nicht leisten können. Chinesische Marken werben auch international, um ihre Stärke im Inland zu demonstrieren.
PR-Wirkung und chinesische Langfristigkeit
Die PR-Wirkung der diesjährigen Marketing-Offensive ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Unzählige westliche Medien haben bereits über die Dominanz chinesischer Marken bei der WM berichtet – dieser Artikel ist keine Ausnahme. Eine Kurzrecherche mit der Suchkombination „China WM 2018“ bei Google News veranschaulicht, dass die chinesischen Markennamen online in aller Mund sind. Vielleicht wird nicht überall positiv berichtet, aber es wird immerhin über die Erfolgsfirmen aus China geschrieben. Auch das sehen unzählige Chinesen – gerade die einflussreichen Auslandschinesen und Expats aus China. Sie bemerken die chinesische Dominanz in der ganzen Welt und werden an die Marken ihrer Heimat erinnert.
Bis 2030! Chinas langer Atem
Schlussendlich ist die Sinnhaftigkeit der chinesischen WM-Werbung auch eine Frage der strategischen Perspektive. China plant bekanntlich sehr langfristig, sodass die aktuelle Werbung ausländische Konsumenten noch nicht heute oder morgen zum Kaufen anregen muss. Spätestens in 2030 dürften die beworbenen Produkte in vielen weiteren Ländern bekannt und verfügbar sein. Spätestens bei der ersten WM in China können die chinesischen Marken dann in der ganzen Welt sofort losverkaufen.
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