Von ICC-Autorin Victoria Walter.
Die Rolle des Frauenfußballs hat sich in vielen Teilen der Welt seit einigen Jahren positiv entwickelt. Trotzdem werden Fußballspielerinnen nach wie vor benachteiligt. Dies hängt oft mit körperlichen Aspekten zusammen, was sich auch in China beobachten lässt. Diese ICC-Artikelreihe beleuchtet Frauenfußball in China – der zweite Beitrag untersucht die professionellen Rahmenbedingungen der Sportlerinnen und die Körperkultur in der chinesischen Tradition: Chinesischer Frauenfußball – Ausbildung, sozialer Aufstieg und Körperkultur.
Wie bereits gezeigt wurde, wächst das mediale und nationale Interesse am Frauenfußball in China seit den 1990ern. Dennoch wurde bis in die 2000er-Jahre von sehr einfachen bis ungenügenden Rahmenbedingungen für die Fußballerinnen im Land berichtet. Die Trainings- und Lebensumstände waren alles andere als glamourös. In der Provinz Guangdong lebten die Frauen beispielsweise in einer ehemaligen Lagerhalle – ohne Elektrizität oder warmes Wasser.
Lebens- und Trainingsbedingungen für chinesische Fußballerinnen
Mittlerweile haben sich die Umstände verbessert, doch der Prozess verläuft nur schleppend. Der Trainingsalltag der chinesischen Frauen lässt sich weiterhin kaum mit dem in westlichen Ländern vergleichen. Auch heute denken viele Menschen in China, dass Frauen im Fußball nicht die gleichen Leistungen wie ihre männlichen Kollegen erbringen. Die verbreitete Auffassung ist, dass Frauen – wenn überhaupt – abends zum Training gehen und tagsüber arbeiten.
Wie auch in anderen Sportarten wird im chinesischen Frauenfußball auf Strenge und Disziplin gesetzt. So war es früher üblich, dass Spielerinnen zum Frühlingsfest nicht zu ihren Familien nach Hause reisen durften. Für sie galt schon immer ein harter Trainingsplan, der unter allen Umständen und egal zu welchen Witterungsbedingungen eingehalten werden muss. Dies wurde häufig mit vermeintlich traditionellen konfuzianischen Werten unterstrichen wie zum Beispiel: „be hardworking and able to endure hardship“ und „make unremitting efforts to improve oneself.“
Das hat sich laut jüngeren Berichten bis heute nicht so sehr verändert. Auch die Wohneinrichtungen sind nach wie vor spartanisch und die Auswahl an Speisen in den Mensen ist gering. Der Zustand einiger Trainingsplätze lässt offenbar genauso wie die ärztliche Versorgung teilweise zu wünschen übrig.
Chinesischer Frauenfußball – Herkunft und sozialer Aufstieg
Wenn der Frauenfußball in China betrachtet wird, geht damit auch die Betrachtung des Körpers sowie dessen Darstellung und Inszenierung einher. Der menschliche Körper kann ohne Zweifel als wichtigstes Instrument zum Ausüben von Sport, in diesem Fall Fußball, angesehen werden. Wie im vorherigen Beitrag besprochen, ist in China der Profisport für einige Frauen eine gute Möglichkeit, Zugang zu mehr Bildung zu erhalten und gesellschaftlich aufzusteigen.
Nach dem einflussreichen Soziologen Pierre Bourdieu praktizieren eher Menschen aus der Arbeiterklasse Sportarten wie Fußball, da dies eine Sportart ist, die aggressiv und kämpferisch ist, was der Arbeiterklasse oft vertrauter sei. Das Phänomen, dass Menschen sich aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit bestimmte Betätigungen, in denen sie sich wohlfühlen, selber aussuchen, bezeichnete der Wissenschaftler als „klassenspezifische[n] Habitus“. In der Tat gehen in China vor allem Frauen aus niedrigeren Gesellschaftsschichten den Weg in den Profifußball und üben ihn mit viel Kampfgeist und Ambition aus.
Chinesische Körperkultur und ihr Einfluss auf Frauenfußball
In früherer Zeit gab es strenge und konkrete Vorgaben in Hinblick auf die Kleidung und die Frisur der Frauenfußballerinnen. So durften sie bei Spielen, aber auch im Alltag, keine offenen Haare tragen, sondern nur eine Kurzhaarfrisur, einen Zopf oder einen Dutt. Dabei durfte der Zopf nicht zu hoch am Kopf getragen werden, weil dies als provokativ angesehen wurde.
Ebenso durften die Frauen in ihrer Freizeit keine Schminke oder hohe Schuhe tragen. Deswegen wurden die Spielerinnen von manchen Betrachtern nicht primär als Frauen, sondern als „asexual beings“ angesehen. Für männliche Fußballer hingegen gab es hingegen nie eine bestimmte Kleiderordnung oder ästhetische Vorgaben, die sich auf die Ausübung des Sports oder die Zeit außerhalb des Spielfeldes beziehen. Die Körperkultur in China hat sich in den letzten Jahren aufgrund des wachsenden Konsums und der globalen Kultureinflüsse extrem gewandelt. Im heutigen China ist der Umgang mit dem Einsatz und der Präsentation des weiblichen Körpers deutlich offener.
Dennoch wiegt die Last des traditionellen Erbes in vielen Bereichen schwer, weshalb es für Frauen in China eine Herausforderung war und ist, sich im Fußball durchzusetzen und zu beweisen. Speziell in der konfuzianischen Tradition war die Frau dem Mann untergeordnet und dies lässt sich bis heutige in einigen männerdominierten Sportarten erkennen.
Last des historischen Erbes – Fußball als nicht fraulich?
Durch die familiäre und schulische Erziehung erfahren Frauen nicht nur, aber auch besonders in China, bis heute eine Ungleichbehandlung. Auf Basis der idealisierten Unterordnung der Frau dürfte sich zudem erklären lassen, dass der Großteil der chinesischen Spielerinnen im Vergleich zu westlichen Fußballerinnen weniger selbstsicher auftritt.
Nicht nur in China wird Fußball oft mit Aggressivität und Wettkampf verbunden, weshalb zahlreiche Menschen diese Sportart noch immer als Männerdomäne begreifen. Besonders aus traditioneller chinesischer Sicht gilt es als unpassend, sich als Frau auf eine dominante Weise zu verhalten.
Das lässt sich mit dieser traurigen Klischeesammlung zusammenfassen, mit der bis heute versucht wird, die Rolle der Frau im chinesischen Fußball zu diskreditieren: „Women who do not understand football are real, classic and perfect women. Women who are involved in football are damaged, modern and horrible women.“
Chinesischer Frauenfußball – noch ein langer Weg
Dieser Blick auf die Lebens- und Trainingsbedingungen für chinesische Fußballerinnen hat gezeigt, dass auch in China noch viel zu tun ist, um Frauen die gleichen Möglichkeiten im Sport zu bieten. Im Fußball kämpfen die Spielerinnen nicht nur mit der historisch gewachsenen Diskriminierung, die der Frau allgemein eine schwächere Rolle zuordnet.
Auch der Einfluss der westlichen Fußballwelt, die China als Vorbild gilt, ist nicht zu unterschätzen. Schließlich werden Profifußballerinnen hier bis heute ebenfalls schlechter bezahlt und behandelt als die Männer. Rein zeitlich gesehen hat es China sogar schneller geschafft, die Sportart für Frauen zu öffnen. Nichtsdestotrotz gibt es noch reichlich Arbeit, um den Frauenfußball im Land angemessen zu würdigen und die unzähligen Klischees zu überwinden.
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