Chinesische Reisegruppen haben es in Deutschland und Europa bereits zu einiger Berühmtheit gebracht. Im folgenden Text möchte ich meine Erfahrungen und Erlebnisse schildern, wie ich sie im vergangenen Jahr wahrgenommen habe. Manche Punkte sind bewusst humorvoll geschildert, denn den Humor darf man auf keinen Fall zu Hause vergessen, wenn man sich auf eine derartige Reise begibt.
Mitte September 2015 habe ich mit meiner chinesischen Frau und Schwiegermutter eine Busreise durch Europa unternommen. Der Reiseveranstalter war ein chinesisches Unternehmen. Neben Österreich und der Schweiz stand auch Italien auf dem Programm. Schwiegermutter hatte bereits drei solcher Reisen hinter sich und war bereits in West-, Nord- und Osteuropa. Mein Interesse an der Reise bestand darin, mal zu testen, wie denn Chinesen so verreisen und für das Interkulturelle in unserer deutsch-chinesischen Ehe sei erwähnt: Ja, ich wollte auch sehen, ob ich ruhigen Gewissens meine Schwiegermutter mit solchen Reisegruppen losschicken kann.
Chinesische Instant-Nudelsuppen auf Reisen
Busreise, Hotel mit Frühstück sind inklusive. Für die weitere Verpflegung muss man selber sorgen, was für die meisten Mitreisenden bedeutete: Brot, Brot und nochmals Brot. So wurden Milchbrötchen und Toast gebunkert (Vollkornbrot ist ja zu hart), jede Menge Tomaten und Bananen (für die Vitamine) eingekauft und für Abends im Hotel: Instant-Nudelsuppen, denn etwas Warmes braucht der Mensch. Eine Mitreisende hatte sogar ein großes Paket Instant Nudeln dabei, damit sie sich morgens stets ihre heimische Nudelsuppe kochen konnte.
Die Reisenden stiegen in unterschiedlichen Sammelpunkten ein. Der endgültige Bus war ein komplett neuer deutscher Bus samt deutschem Busfahrer. Um die Sicherheit musste ich mich also nicht sorgen. Der Busfahrer hat sich mittlerweile übrigens nur auf chinesische Gäste spezialisiert und arbeitet eng mit chinesischen Reisebüros zusammen. Seiner Meinung nach sind Chinesen sehr diszipliniert im Bus und hören auf seine Worte. Abfall wird nicht auf den Boden geworfen, sondern in die verteilten Mülltüten.
Chinesische Reiseleiter als Betreuer für alle Belange
Nachdem alle Gäste an Board waren, stellte ich wenig überrascht fest, dass ich die einzige Kartoffel = Deutscher war. Hinter mir wurde Chaoshan-Dialekt gesprochen, rechts von mir feinstes Shanghainesisch und vor mir Kantonesisch. China ist groß und die Dialektvielfalt enorm. Der Reiseleiter konnte zwar Deutsch, doch die Erklärungen etc. wurden in Hochchinesisch vorgetragen. Gott sei Dank kann ich Chinesisch, da hat sich das jahrelange Studium doch gelohnt. Gleich zu Beginn fiel mir schon ein Besonderheit auf. Chinesische Touristen hören sehr genau auf das Wort des Reiseleiters. Während wir Deutsche dem Reiseleiter eher touristische Infos entlocken wollen, ist der Reiseleiter für Chinesen eine Art Betreuer, der sich rund um die Uhr um alle Belange kümmern muss. Getreu dem Motto: „Zu Hause kannst Du Dich auf Deine Eltern verlassen, auf Reisen kannst Du Dich auf den Reiseleiter verlassen“ 在家靠父母,在外靠导游.
Viele der Reisenden haben Kinder hier in Deutschland zum Studium, Arbeiten oder Leben. Die Eltern sind zu Besuch in Deutschland und möchten so viel wie möglich sehen. Weil Deutschland aus chinesischer Sicht klein ist, bietet sich doch ganz Europa zum Rumreisen an. Die Reisen sind meist angeboten nach West-, Süd-, Osteuropa etc. Es geht weniger um die einzelnen Länder als viel mehr um die einzelnen Teile Europas, die man bereist haben muss.
Heißes Wasser, Wasserkocher und weitere Empfehlungen
Größtes Problem in den Hotels waren die Kaffeevollautomaten. Für mich als Deutscher ist der Unterschied zwischen einem Café Latte und einem Milchkaffee schon schwer nachzuvollziehen. Wie muss sich erst dann ein Chinese fühlen, der zum ersten Mal in seinem Leben vor so einem Automaten steht? Die Hinweise waren entweder in Deutsch oder Englisch angebracht. Die meisten Chinesen wollten aber zur Überraschung des Hotelpersonals keinen Latte Macchiato trinken, sondern schlichtweg pures heißes Wasser (bai kaishui 白开水), was dann standesgemäß in die mitgebrachte Thermoskanne gefüllt werden sollte. Problem war meist, dass die Kanne oder das umfunktionierte Marmeladenglas nicht unter die Automaten passte. Die hilfesuchenden Chinesen wandten sich dann an das Personal, das natürlich kein Wort verstand und oftmals auch überhaupt nicht begriff, was die Chinesen wollten. Hier haben die Hotels eindeutig Verbesserungspotential. Auch fehlte in den Zimmern der obligatorische Wasserkocher.
Das Touristenprogramm unterscheidet sich übrigens kaum von dem deutscher Reisen. Rheinfall, Kolosseum und Vatikan stehen auch für Chinesen auf der Reiseroute. Es ging keineswegs in irgendwelche Shopping-Fallen. Fazit: Solche Reisen wie zehn Tage, vier Länder und 20 Städte sind zwar anstrengend, aber ideal, um mit der chinesischen Familie zu verreisen. Gerade für die Ehepartner ist es eine große Freude, mit den Eltern auch mal hier verreisen zu können. Dieser Aspekt sollte nicht vergessen werden. Die Preis-Leistung stimmt und letzten Endes sind es doch die Reiseerinnerungen, die bleiben und die vielen Fotos, die dann stolz in China von Europa präsentiert werden können.
Text und Bilder: Volker Stanislaw
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hensonn meint
Schön hier auch mal die Innenperspektive zu sehen! Man sieht diese Gruppen immer so als anonyme Massen, aber es sind halt auch Familien, Verwandte usw. die sich vielleicht sogar einen großen Traum erfüllen.
XNK meint
Bester Artikel ever! FuErKe ist der größte!
Lin meint
Ich muss so lachen wegen des Thema heißes Wasser. Das ist so interessante gegensätzliche Gewohnheit zwischen Deutschen und Chinesen.
Ich arbeite bei einer deutschen Bistro, einmal hat ein Kunde mich nach Wasser für Kind gebeten, ob ich etwas von der Leitung holen kann, dann fragte ich automatisch den Kunden: heisses oder kaltes? Dann lachte der Deutsche nur und antwortete: natürlich kalt!
(…Ehrlich gesagt habe ich trotzdem ein bisschen warmes Wasser reingemischt, da ich dachte, im Winter ist das kalte Wasser doch zu kalt für das Kind….)