Oft hört man Chinesen über das Essen in Deutschland klagen. Es sei zu salzig, zu grob, zu einfach. Vergleicht man die deutsche und die chinesische Küche, erscheint letztere tatsächlich vielfältiger zu sein. Mit deutschen Mensen muss man Chinesen dann erst recht nicht kommen? Kurz schien es da Hoffnung zu geben, wie Linda Schwarzl zu berichten weiß…
Dienstagmittag, meine Arbeitskollegin aus China kommt sichtlich enttäuscht aus der Mensa zurück. Was sie denn habe, frage ich, ob es nicht lecker gewesen sei?! Sie schaut mich groß an: „Ich haben mich eben so sehr gefreut! Auf dem Speiseplan der Mensa wurden Chicken Fingers angeboten und ich erinnerte mich sofort an mein Zuhause in China! Natürlich habe ich sie gleich bestellt.“
Ob es nicht gut gewesen sei, möchte ich wissen. Denn auch wenn das Essen in der Mensa zeitweise zu wünschen übrig lässt, wunderte mich ihre Stimmung doch sehr. „Ja, doch, es war okay“, antwortet sie. Das Problem, so erklärt sie mir, seien die Chicken Fingers selbst beziehungsweise die damit verbundene Vorstellung bei ihr. Unter Chicken Fingers verstehe sie jizhua 鸡爪, was man zu Deutsch eher als Hühnerkrallen oder Hühnerfüße übersetzt, die in China keine Ungewöhnlichkeit auf Speisekarten sind.
Was hat es mit „chinesischen“ Chicken Fingers auf sich?
Im Gegensatz zu den bei uns servierten Chicken Fingers, die – im besten Falle aus echtem – Hühnerbrustfleisch in Panade bestehen, sind in China wirklich Hühnerkrallen gemeint. Und wenn hier von Hühnerkrallen die Rede ist, sind auch tatsächlich die Krallen gemeint. Im Englischen korrekt mit chicken feet bezeichnet. Chicken Fingers sind in Deutschland und in den USA lediglich die panierten Filetstücke. Hühnerkrallen werden in verschiedenen Regionen Chinas angeboten und können als Vorspeise, Snack, Suppe, kaltes oder warmes Gericht oder sogar als Hauptgericht gereicht werden. Die Bezeichnungen für diese Speise variieren: Unter anderem als Phönix-Klaue (fengzhua 凤爪), als Hühnerklauen (jizhao 鸡爪) oder aber als Hühnerfuß (jijiao 鸡脚) findet man sie in China auf den Speisekarten.
Oft werden sie zunächst gedämpft und frittiert, um sie aufquellen zu lassen, bevor sie geschmort werden. Im Süden Chinas kocht man Hühnerkrallen gerne in einer Sauce aus fermentierten schwarzen Bohnen mit Bohnenpaste und Zucker. Außerdem gibt es sie als Snack in einer Marinade aus Sojasauce, Sichuan Pfeffer, Knoblauch, Nelken, Anis, Zimt und Chili. Vakuumiert und gewürzt mit Reisessig und Chili finden sich Hühnerkrallen auch als Snack in Supermärkten. Neben den Hühner- werden in China auch Entenkrallen als Speise serviert. Bedingt durch die große Nachfrage stiegen die Preise für Hühnerkrallen in China übrigens zuletzt stark an. Das in China als Speise verkaufte Produkt wird in anderen Teilen der Welt als Tierfutter gebraucht. Nachdem China 2001 Teil der WTO wurde, bezieht es Hühnerkrallen direkt aus den USA. China ist das Land mit dem größten Hühnerkrallen-Import der Welt. Auch deutschen Gästen wird die Spezialität gerne vorgesetzt, doch hält sich deren Begeisterung meist in Grenzen.
Fotos und Text von ICC-Redakteurin Linda Schwarzl
Vielleicht auch interessant:
Business-Knigge China: Geschäftsessen mit Chinesen
Chinesen in Deutschland: Von Logistik, Glück und Sachlichkeit
Ist Chinas Kultur eine Esskultur? Oder: Essen Chinesen wirklich alles?
chickenwingwing meint
哈哈哈!德国菜就是太难吃了!