Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) verfügt über einen umfassenden Fundus an Rezepturen und Behandlungsmethoden. In dieser Reihe auf China-Wiki.de gehen wir auf Fragen ein, die Menschen in Deutschland in Hinblick auf TCM-Anwendungen bewegt. Im folgenden Beitrag geht Expertin Sabine Schmitz näher auf die Geschichte und Herangehensweise der Akupunktur ein. Akupunktur in der TCM – ehrliche Einschätzung einer Expertin.
Am 16. November findet der „Acupuncture Awareness Day“ statt. Trotz wachsender Verbreitung ist fundiertes Wissen über die Behandlungsmethode Akupunktur im Westen oft noch Mangelware. Was hat es mit dieser besonderen Anwendung auf sich und was sind Vorteile für Menschen weltweit?
Akupunktur in der TCM: eine der fünf Säulen
Die Akupunktur zählt zu den fünf großen Säulen der Traditionellen Chinesische Medizin, kurz TCM. Auch in meiner Praxis wende ich sehr gerne Akupunktur an. Für mich ist sie eine ganz hervorragende und vor allem effektive medizinische Methode im Rahmen der TCM.
Woher kommt der Name dieser Methode? Das chinesische Wort für Akupunktur lautet zhēn jiǔ 针灸. Das erste Zeichen zhēn bedeutet Nadel und das zweite Zeichen jiǔ bedeutet übersetzt Moxibustion. Zhēn meint also „Nadeln“ oder „Nadel einführen“. Moxibustion ist das Verbrennen von Beifuß, um bestimmte Teile des Körpers, einschließlich der dort verlaufenden Akupunkturpunkte zu erwärmen.
Archäologische Beweise legen nahe, dass die Moxibustion die am häufigsten angewendete Methode zur Stimulation der sogenannten Akupunkturpunkte war. So zumindest sagt man, begann die Akupunktur laut den Aufzeichnungen aus der chineischen Antike.
Ganzheitliche Akupunktur-Herangehensweise
Die traditionelle Praxis der Akupunktur beinhaltet viel mehr als das „bloße“ Einführen von Nadeln. Tatsächlich gibt es sehr viele Variationen verschiedener Akupunkturstile. Alle vereint das ganzheitliche Verständnis des menschlichen Körpers und dem Konzept von Gesundheit vs. Krankheit, das sich über 2.000 Jahren entwickelt (und immer weiterentwickelt) hat.
Das Thema „Ganzheitlichkeit“ ist hier mitnichten ein neues Konzept. Mit diesem Wissen leiten TCM-Therapeuten die Diagnose, die Auswahl der Akupunkturpunkte und die Entscheidung ab, ob Moxibustion oder Nadeln alleine verwendet werden sollen. Beides wird selbstverständlich auch in Kombination durchgeführt. Ein Behandlungskonzept wird immer flexibel an die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten angepasst. Das macht Ganzheitlichkeit und individuelle Medizin aus.
Exkurs: Körper und Geist in der TCM
In der TCM gibt es keine Trennung von Körper und Geist. Mit anderen Worten: Die physischen, emotionalen und mentalen Aspekte des Lebens werden in der TCM als voneinander abhängig betrachtet.
Der Körper und Geist wird als System betrachtet, und das Verständnis der Beziehung zwischen ihnen ist entscheidend für die Diagnose und den Behandlungsplan. Der Fokus liegt immer auf der Person als Ganzes, nicht isoliert auf einem bestimmten Zeichen oder Symptom.
Das genau macht den Unterschied der TCM zur herkömmlichen Schulmedizin aus: die Herangehensweise, jeden Patienten und jede Patientin im Kontext zu ihren Krankheiten und Beschwerden ganzheitlich zu betrachten und Zusammenhänge zu verstehen, und ebenso Behandlungskonzepte flexibel und individuell anzupassen.
Zur Geschichte der Akupunktur
Wie viele richtig vermuten, entwickelte sich die Akupunktur erstmals im alten China. Das bekannteste Buch über die Praxis der Akupunktur ist allgemein als Buch des Gelben Kaisers zur Inneren Medizin bekannt.
Im Chinesischen heißt es Huáng Dì Nèi Jīng. Das Buch besteht aus zwei Teilen, dem sù wèn oder Einfache Fragen und dem líng shū oder Angelpunkt der Magie (oder Essenz), dem Klassiker der Akupunktur. Das Buch ist höchstwahrscheinlich in großen Teilen auf einzelne, kürzere Texte zurückzuführen, die beginnend mit dem zweiten und ersten Jahrhundert v. Chr. verfasst wurden.
Der Autor bzw. die Autoren dieser Texte sind namentlich ebenso unbekannt wie der- oder diejenigen, welche die unterschiedlichen Einzeltexte in ein großes Werk zusammenfasst haben. In diesem Werk werden die Akupunkturpunkte, die Meridiane, Nadeltechniken, die Ursachen von Krankheiten und Diagnosemethoden wie das Pulsnehmen im Detail besprochen.
Akupunktur in der TCM: globale Verbreitung
Die Akupunktur verbreitete sich in ganz China, wo sie seit über 2.000 Jahren routinemäßig verwendet wird. Neben dem offiziellen Bildungssystem existierten immer auch Familiengeschlechter, in denen das Wissen von Generation zu Generation weitergegeben wurde.
So ist es im Übrigen auch heute noch in China und man darf sich sehr glücklich schätzen, dieses Wissen übermittelt zu bekommen. Ich beispielsweise durfte in China die Song-Gynäkologie lernen, in der die Familie Song bereits in der 39. Generation TCM-Gynäkologie praktiziert. Dies ist ein unglaublicher Wissensschatz.
Erfolgreiche Verbreitung in der ganzen Welt
In den 1950er-Jahren wurden einige der unterschiedlichen Traditionen vereint, um das zu bilden, was heute als Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bekannt ist. Dies ist der in chinesischen Krankenhäusern heute praktizierte Behandlungsstil. Bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. hatte sich die Akupunktur in benachbarte Länder wie Japan und Korea ausgebreitet.
Die Akupunktur wurde schließlich durch Migranten aus China und anderen asiatischen Ländern weiter über den Globus verbreitet. Und so kam es schließlich, dass in den letzten 50 Jahren die Akupunktur in vielen westlichen Ländern zunehmende Anerkennung gefunden hat.
Es wurden Berufsorganisationen gegründet und die Ausbildung auch bei uns in Europa hat sich verbessert. Obwohl ich persönlich immer noch sagen muss, dass es etwas anderes ist, ob man in China oder Deutschland lernt.
Fazit – Wichtigkeit der Akupunktur in der TCM
Neben der chinesischen Kräutermedizin ist die Akupunktur die Hauptmethode meiner TCM-Praxis. Ich wende sie häufig und gerne an.
Sehr gute Erfahrungen habe ich in der Anwendung von Akupunktur bei Kopfschmerzen, Migräne, Rückenschmerzen und Verspannungen sowie Menstruationsschmerzen gemacht.
Angst muss man vor der Akupunktur keine haben. Es ist eine sehr sanfte Methode und wenn feine, dünne Nadeln verwendet werden, so wie in meiner Praxis, tut es kaum weh.
In diesem Sinne, bleiben Sie gesund, Ihre Sabine Schmitz
Über die Autorin
Sabine Schmitz hat chinesische Medizin in China studiert und leitet heute als TCM-Therapeutin eine eigene Praxis für Traditionelle Chinesische Medizin in Köln. Sie ist Autorin von zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen und TCM Fachbüchern. Sabine Schmitz ist Gründerin von Chinamed Cosmetics, Hautpflege mit TCM Kräutern, made in Germany.
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Artikelbild: Juan Antonio García-Filoso Rodríguez / Pexels
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