Wenn man sich im chinesischen Kontext an einer Frage die Finger verbrennen möchte, dann ist es sicher diese: Gehört Taiwan zu China? Trotzdem möchten wir in der Reihe China-Fragen auf diese Thematik eingehen. Denn viele Menschen schlagen im Internet nach, ob Taiwan zu China gehört, ob das je so war, was der genaue Unterschied ist usw. Als gehen wir es an: Gehört Taiwan zu China?
Um zu verstehen, warum bis heute über die Machtverhältnisse zwischen dem Festland und Taiwan gestritten wird, lohnt ein Blick in die frühere Geschichte der Insel. Taiwan war über die Jahrhunderte hinweg ein Spielball verschiedener Mächte. Die Interessen der ursprünglichen Bevölkerung der Insel spielten fast nie eine Rolle.
Gehört Taiwan zu China? Geschichte und Mächte
Die Insel Taiwan im Westpazifik verfügt über eine eigene indigene Bevölkerung, Kultur und Geschichte. Trotz einiger kultureller Gemeinsamkeiten gab es bis zum 17. Jahrhundert nur wenig tiefgehende Interaktionen zwischen der Insel und dem Festland.
Taiwans indigene Völker trieben aber durchaus Handel mit dem chinesischen Kaiserreich. Erstmals soll es im frühen 7. Jahrhundert eine chinesische Expedition nach Taiwan gegeben haben, weitere sollen gefolgt sein, sind historisch aber nicht umfassend belegt.
Europäische Besetzungen und chinesische Einwanderer
Als erste Europäer erreichten die Portugiesen Mitte des 16. Jahrhunderts Taiwan und tauften sie die „Schöne Insel“ (Ilha Formosa). 1624 besetzten Handelsseefahrer aus den Niederlanden den Süden der Insel, es folgten ein Jahr später Spanier mit eigenen Niederlassungen.
Erst ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wanderten vermehrt Chinesen nach Taiwan ein bzw. zu. Von einer historisch sehr engen Verbindung zwischen Festland und Insel zu sprechen, ist daher fraglich. Heute macht die indigene Bevölkerung Taiwans nur noch einen sehr kleinen Teil der gesamten Bevölkerung aus (ca. 2,5%).
Japanische Expeditionen und Ausrufung der Republik
In der Zeit von 1895 bis 1945 war Taiwan eine japanische Kolonie, an deren Ende die Rückgabe an China stand. Bei „China“ handelte es sich damals um die Republik China unter dem Machthaber Chiang Kai-shek. Dessen Regierung verlor jedoch den Krieg gegen die Kommunisten (unter Mao Zedong) im Land und floh bzw. zog sich im Jahr 1949 nach Taiwan zurück.
Im Dezember 1949 rief Chiang Kai-shek die taiwanesische Stadt Taipeh zur vorläufigen Hauptstadt der Republik China aus. Außerdem erklärte er, dass er und seine Regierung weiterhin die Macht über das gesamte chinesische Reich halten sollten.
Gründung der VR China und historische Besitzansprüche
Parallel zur Gründung der Republik auf bzw. in Taiwan kam es bekanntlich zur Gründung der Volksrepublik (VR) China. Diese beanspruchte Taiwan früh als einen Teil des eigenen Territoriums und wollte auch international als einziges und wahres China gelten. Nach einer Abstimmung in der Generalversammlung wurde im Jahr 1971 die Vertretung Chinas in den Vereinten Nationen an die VR China übertragen.
Heutige Situation – gehört Taiwan zu China?
In Anbetracht der Entwicklung im 20. Jahrhundert könnte man natürlich auch fragen, ob das chinesische Festland nicht zur Republik China gehört. Denn anfangs hatte die Regierung auf Taiwan ja durchaus diesbezügliche Ansprüche. Tatsächlich wird aber viel intensiver über den Status von Taiwan aus Sicht der VR diskutiert.
Taiwan – chinesische Provinz oder unabhängige Republik?
Wie schon angedeutet, sieht die Volksrepublik China auch heute Taiwan als Teil des eigenen Landes an. Auf der Webseite der chinesischen Botschaft in Deutschland heißt es dazu beispielsweise:
Taiwan ist ein untrennbarer Teil Chinas. Alle Tatsachen und Gesetze über Taiwan belegen, daß Taiwan ein untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums ist. […] Den Status von Taiwan als Teil Chinas durch eine Volksabstimmung zu ändern, ist entschieden zu bekämpfen. Die Spalterkräfte Taiwans versuchen unter dem Vorwand, „die Entscheidung liegt beim Volk“, den Status von Taiwan als Teil Chinas durch eine Volksabstimmung zu ändern. […] Wir sind tief davon überzeugt, daß die vollständige Wiedervereinigung Chinas durch die gemeinsamen Anstrengungen des gesamten chinesischen Volkes einschließlich der Landsleute auf Taiwan und der im Ausland lebenden Landsleute verwirklicht werden kann (Quelle)
Aus taiwanesischer bzw. aus der Perspektive der Republik China wird diese Einschätzung heftig kritisiert. So heißt es zum Beispiel auf der Webseite der „Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland“ wie folgt:
Das taiwanische Außenministerium bekräftigt, dass sich die chinesische Regierung der Tatsache der Existenz Taiwans stellen sollte und dass Taiwan absolut keine Provinz der Volksrepublik China ist und auch nicht der Jurisdiktion der chinesischen Regierung unterliegt. Jeder Versuch, Taiwan zu unterdrücken und herabzusetzen, wird in der taiwanischen Bevölkerung nur Ablehnung hervorrufen und die Beziehungen in der Taiwanstraße sowie Frieden und Stabilität in der Region untergraben. (Quelle)
Hier gehen die Meinungen also komplett auseinander – bzw. treffen konfrontativ aufeinander. Die Volksrepublik China hofft darauf, Taiwan als Teil des eigenen Landes „zurückzugewinnen“, wie das bei Hongkong und Macao der Fall gewesen sei. Demgegenüber pocht Taiwan auf die eigene Unabhängigkeit und verbietet sich jegliche Besitzansprüche seitens der VR.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Internationaler Blick auf die Taiwan-Frage
Der Blick auf die internationale Gemeinschaft löst die Taiwan-Frage nicht, zeigt aber eindeutige Tendenzen und zugleich Konfliktpotenziale für die Zukunft. Im Sommer 2021 gab es nur noch 15 Staaten, die offizielle diplomatische Beziehungen mit Taiwan als Land pflegten. Diese lagen größtenteils in Mittelamerika (z.B. Guatemala) und im Südpazifik (z.B. Palau).
Die USA haben zwar offiziell die diplomatischen Beziehungen mit Taiwan aufgegeben, halten jedoch, wie viele andere Länder, über alternative Beziehungskonstrukte einen engen Kontakt mit der Insel bzw. Republik aufrecht. Seit 1982 steht für die USA fest, dass man „eine Hoheitsgewalt Chinas über Taiwan nicht anerkennen werden“ und noch im Oktober 2021 erklärte Präsident Biden, dass die USA verpflichtet seien, Taiwan „im Falle eines Angriffs durch die VR China“ militärisch zu unterstützen.
Aus deutscher Sicht gestaltet sich das Verhältnis mit Taiwan laut Auswärtigem Amt wie folgt:
Deutschland unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Taiwan und Deutschland sind jedoch füreinander wichtige Wertepartner, die durch enge und substantielle wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen verbunden sind. Die deutschen Interessen werden durch das Deutsche Institut Taipei wahrgenommen. Ferner sind in Taiwan das Goethe-Institut Taipei, das Deutsche Wirtschaftsbüro und ein Büro von Germany Trade and Invest präsent. (Quelle)
Fazit – Gehört Taiwan zu China?
Aus Sicht der Volksrepublik China und einem Großteil der Länder weltweit ist Taiwan kein unabhängiges Land mit einem eigenständigen diplomatischen Status. Während die VR China die Insel Taiwan als eigenes Territorium bzw. als verlorene Provinz ansieht, betonen viele westliche Länder eine gewisse Unabhängigkeit Taiwans, z.B. in wirtschaftlicher und kultureller Sicht.
Gehört Taiwan also zu China? Taiwan bzw. in eigener Auslegung die Republik China bemüht sich weiterhin um einen Status als unabhängige Republik oder zumindest um politische Unterstützung aus der restlichen Welt im Umgang mit der VR China. Der internationale Zuspruch ist in dieser Hinsicht aber stetig zurückgegangen. Größte Sorge einiger internationaler Beobachter, besonders aus dem Westen, ist eine militärische Übernahme Taiwans durch China. Der Ukraine-Krieg hat diese Besorgnis bei einigen Fachleuten weiter verstärkt.
In jedem Fall kämpft die Volksrepublik China weiter dagegen, dass Taiwan diplomatischen Zuspruch aus dem Ausland erhält und politische Kräfte Taiwans einer „Wiedervereinigung im Weg stehen“. Wie sich diese Situation mit Chinas wachsender politischer und wirtschaftlicher Macht verändert wird, müssen die nächsten Jahre zeigen.
Pelosi-Besuch treibt Suchanfragen über Taiwan-Status nach oben
Chinas Image in den USA – so hat es (sich mit) Donald Trump verändert
China und Olympia 2021 in Japan – Selbstbewusstsein und Medienkonflikte
Taiwan als Wanderparadies: Abenteuer in den Bergen der schönen Insel
Taiwans Nachtmärkte – drei empfehlenswerte Adressen in Taipei
j.herbrosius meint
Schön, dass hier unterschiedliche Blickwinkel eingenommen werden. Die Regierung der Republik China hat Taiwan auf Diebstahl, Lügen und Blut gebaut, sich aber später in eine bessere Richtung entwickelt. Die VR-Regierung hatte zumindest anfangs noch Ideale, aber durch Korruption und Co. den Kurs verloren. Zumindest phasenweise. Am Ende ist der Mensch mit Macht überfordert. Egal wo, egal wann.
TaiwanChcker meint
Leider richtig… Siehe auch meinen Kommentar unten…
TaiwanChcker meint
Taiwan gehört nicht wirklich zu China. Der sogenannten Republik Taiwan aber auch nicht die „eigene“ Insel. Immerhin hat sich die Regierung für das „in den vergangenen 400 Jahren erlittene Leid und Unrecht“ entschuldigt. Es ist aber noch viel mehr Aufarbeitung nötig. Vergleichbar mit der Situation in den USA und den dortigen Natives.
Keinmannsland... meint
Was ein Eiertanz… Keiner will mit Taiwan spielen, weil China zuschaut. Aber so halb will man es sich auch mit Taiwan nicht verscherzen, weil ja so demokratisch. Was denn nun?!
WesleyC meint
Guter Überblick, ganz so einfach ist die Lage nie…
Svetlana_:) meint
Interessant!
Kaspersky00 meint
Taiwan ist eigenständig und sollte es auch bleiben. Die VR hat genug Fläche und Menschen. Hongkong ist mit Taiwan nicht zu vergleichen. Und selbst da hat die Rückgabe nur so halbwegs gut geklappt.
Anjani meint
Sehe ich auch so. Glaube aber auch nicht, dass China da einmarschieren möchte. Taiwan ist auch ganz gut im Säbelrasseln, würden die das lassen, hätten sie vielleicht noch mehr Ruhe? Man weiß es nicht.
weikai tschun meint
trauriges thema
Kläffff meint
Natürlich gehört Taiwan nicht zu China. Klare Sache. Ob Taiwan der sog. RoC gehört? Vielleicht noch interessanter!
Ich meint
Der Bericht zeigt klar das Dilemma um Taiwan. Rechtlich ist es letztlich nicht geregelt, welcher Regierung und damit welchem Staat Taiwan angehört. Einerseits entwicklet es sich seit dem chinesischen Bürgerkrieg eigenständig, andererseits hat es kaum Anerkennung in Form von ausländischen Botschaften. Dies sicher aus dem narrativ heraus, es sich keinesfalls mit der Weltmacht China zu verscherzen. Der Ukrainekonflikt initiiert jetzt eine engere Befassung, thematisch den Status zu klären.
China hat es auf Taiwan auch deshalb abgesehen, weil es im Pazifik eine militärisch herausragende strategische und taktische Lage besitzt. Und aus dem Ukraine Konflikt wissen wir, dass wirtschaftliche Macht am Ende nur mit militärischer Macht aufrecht erhalten werden kann – zumindest zeitlich begrenzt.