Von ICC-Redakteur Malte Steffenhagen
Derzeit kursieren im Internet viele Videos von Donald Trumps verbalen Ausschweifungen. Nicht nur das benachbarte Mexiko muss Beschimpfungen über sich ergehen lassen, auch China ist ein beliebtes Thema bei seinen politischen Kundgebungen. Wir stellen Trumps Verhältnis zum Reich der Mitte genauer vor.
Unter den häufig gesehenen Trump-Videos der letzten Monate findet man beispielsweise eines mit dem Titel „Trump says China“. Auf den ersten Blick scheint es sich um einen banalen zweiminütigen Zusammenschnitt von Sequenzen zu handeln, in denen der amerikanische Präsidentschaftskandidat lediglich das Wort „China“ sagt. Doch steckt hinter diesem scherzhaften Video ein ernst zu nehmendes Thema. Wie lässt sich das Verhältnis von Trump zu China beschrieben? Wie werden Trumps Äußerungen in den chinesischen Medien wahrgenommen? Denn auch im fernen China wird der US-amerikanische Wahlkampf aufmerksam verfolgt.
In Trumps Rhetorik ist das sogenannte „China-Bashing“, was so viel wie „Prügelattacken“ oder „Beschimpfungen“ bedeutet, längst zu einem Markenzeichen geworden. Aussagen wie „China stiehlt unsere Arbeitsplätze“ ziehen eine große Wirkung mit sich. Mit derartigen Aussagen, die leicht verständlich für jeden sind, werden vor allem Ängste und Ressentiments geschürt. Mit den verbalen Attacken trifft Trump genau den Nerv in bestimmten Gesellschaftsschichten. China dient hier als einfacher Sündenbock, der für fast alles steht, was in der amerikanischen Wirtschaft schiefläuft.
Trumps Familie auf der Suche nach Billigproduktionsländern
Dabei profitiert derzeit seine eigene Familie von der Zusammenarbeit mit China. Seine Tochter Ivanka lässt ein Drittel der Schuhe ihres Modelabels von der südchinesischen Huajian-Gruppe华建企业集团, einer der größten Damenschuhhersteller in China, im für seine Textilproduktion bekannten Ort Dongguan 东莞 herstellen. Trump verkündet bei Wahlkampfreden immer wieder gerne, dass er solche Jobs wieder zurück nach Amerika holen möchte, um wieder mehr im eigenen Land zu produzieren und somit Arbeitsplätze zu schaffen. Tatsächlich soll die Trump’sche Schuhproduktion jedoch bald nach Äthiopien verlegt werden. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der weltweit rege Handel mit China hat in den letzten Jahrzehnten zu einem deutlichen Anstieg der Löhne geführt und Produktionskosten steigen auch stetig. Obwohl China immer noch ein vergleichbar günstiges Produktionsland ist, gehört es inzwischen bei Weitem nicht mehr zu den günstigsten. Längst sind benachbarte Länder wie Bangladesch oder Laos wesentlich attraktiver im Bereich der Billigproduktion geworden. Auch Äthiopien gehört zu den Ländern, in denen Textilunternehmen Kosten in ihrer Produktion einsparen können. Der südchinesische Hersteller von Trumps Schuhen bedauert sehr, dass nach über einem Jahrzehnt guter Zusammenarbeit ein guter Kunde abwandert.
Chinesische Reaktionen auf Trumps Gehetzte und Doppelmoral
China wird nicht nur beschuldigt, amerikanische Arbeitsplätze zu stehlen, die Volksrepublik wird von Trump auch als schlechter und nicht vertrauenswürdiger Partner bezeichnet. Allerdings profitiert er ebenso vom Handel mit chinesischen Geschäftspartnern, die vielerorts seine Immobilien mieten oder sogar kaufen. Aus diesem Grund hat sein Unternehmen kürzlich in Shanghai eine Niederlassung eröffnet. Von hier aus will man den chinesischen Markt besser und schneller erschließen können. Für die chinesische Öffentlichkeit sind die Vorwürfe Trumps nichts als „Schnee von gestern“. Der Standort China habe in den Jahrzehnten seit der Reform- und Öffnungspolitik große Schritte gemacht und sei längst auf dem Wege weg vom Billigproduzenten für westliche Industriestaaten hin zum Innovationsstandort. China entwickle und produziere heutzutage selber. Die wirklich niedrigpreisige Produktion finde längst nicht mehr in China statt. So sind in den vergangenen Jahren die Exportzahlen aus China um 10 Prozent gesunken, die Löhne sind dennoch weiterhin gestiegen.
Geo- und machtpolitische Sicht auf den Ausgang der US-Wahlen
In China sieht man zugleich Chancen in einer Präsidentschaft von Donald Trump. In Peking geht man davon aus, dass Trump den politischen Einfluss in Asien reduzieren wird, im Gegensatz zu seiner Konkurrentin Hilary Clinton, die wieder verstärkt mit ostasiatischen Ländern kooperieren will. Wenn also Trump zum Präsidenten gewählt wird, rechnet sich China bessere Möglichkeiten aus, seinen eigenen Einfluss in der Region zu erweitern. Hinzu kommt, dass einige muslimisch geprägte Länder Südostasiens, wie z.B. Malaysia, sich von den USA abwenden könnten.
Obwohl die Exporte in letzter Zeit gesunken sind, bleibt China dennoch einer der wichtigsten Handelspartner der USA. US-Exporte nach China sind im Zeitraum zwischen 2004 und 2014 um fast 200 Prozent gestiegen, was China zu einem essentiellen Wachstumsfaktor der amerikanischen Wirtschaft macht, gleich nach Mexiko und Kanada. Dies führt zu mehr Arbeitsplätzen in Staaten wie Kalifornien, Illinois und Ohio. Davon profitiert ebenso die chinesische Seite, wo ein großes Interesse an einer Fortführung dieser Handelsbeziehungen besteht, da man hier nicht das Gefühl hat, dass die USA China Arbeitsplätze „stehlen“. Im Gegenteil – chinesische Unternehmen hoffen auf eine gute gemeinsame Zukunft.
Trump-Fans in den sozialen Medien Chinas
Aber auch Trump-Fans sind in China zu finden. In den sozialen Medien geben sie sich zu erkennen und bewundern seine einfache und verständliche Art und Weise, zu sprechen, was ihn authentisch und glaubwürdig mache. Andere geben ihm ein „zan“ (赞 , das chinesische Pendant zum amerikanischen „Gefällt mir“), weil sie ihn noch aus seiner Reality Show The Apprentice kennen.
Die staatlich orientierten Medien in China sind verhältnismäßig zurückhaltend, was eine Beurteilung des amerikanischen Wahlkampfes betrifft, da die Souveränität des Landes gewahrt werden soll, genauso wie es auch von anderen Ländern in Bezug auf China erwartet wird. Das teilweise streitbare Sprachrohr der kommunistischen Partei Global Times 环球时报 hat jedoch kürzlich in einem Artikel Donald Trump als Rassisten bezeichnet und vor ihm gewarnt. Auch Hitler und Mussolini seien Rassisten gewesen und an die Macht gekommen.
Amerikanisch-chinesischer Ausblick
Also doch lieber Clinton als Präsidentin? So einfach ist der Fall leider nicht. Ähnlich wie in den USA, wo viele sich nicht entscheiden können, da sie entschieden gegen Trump sind aber gleichzeitig auch nicht ganz hinter Clinton stehen, ist man auch von Hilary Clinton nicht besonders begeistert. Clinton eckt immer wieder mit ihren Forderungen nach Menschenrechten an, was in China, wo Einmischung von außen nur ungerne gesehen wird, nach wie vor ein heikles Thema ist.
Egal, wie die Wahl am 8. November ausgehen wird, China und die USA müssen beide in ihrem eigenen Interesse einen guten Weg finden, wie sie in Zukunft zu einander stehen wollen, denn sie profitieren beide gleichermaßen von gemeinsamem Handel und wirtschaftlicher Kooperation. Sie sind, ob sie wollen oder nicht, gleichermaßen Konkurrenten wie Partner. Trotz aller Rhetorik im Wahlkampf wird auch die künftige US-Regierung die Verbindung zu China suchen. Und im Reich der Mitte wird man vermutlich weiterhin mit einer Mischung aus Bewunderung und Distanz in das andere Land der Träume schauen.
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