In den letzten Jahren wurde Soft Power als politisches Instrument intensiv diskutiert. Auch die chinesische Variante stand im Mittelpunkt einiger Debatten. Gerade im Vergleich mit der Soft Power-Nation USA sind Chinas Bemühungen von besonderem Interesse. Gunnar Henrich hat den Diskurs für die ICC-Leser zusammengefasst.
Der Begriff Soft Power wurde von Joseph Nye geprägt. Nach seiner Definition stellt Soft Power eine Möglichkeit dar, politische Ergebnisse ohne den Einsatz von Drohungen oder Belohnungen zu erreichen. Wenn die Adressaten der Soft Power allerdings mit ökonomischen oder militärischen Sanktionen bedroht werden, dann liegt laut Nye keine Soft Power vor. Soft Power basiert auf der Fähigkeit, Präferenzen mit anderen zu teilen. Die Fähigkeit, über eine attraktive politische Ausstrahlung, Kultur, politische Verhaltensweisen und Institutionen zu verfügen oder Politiken durchzusetzen, die als legitimiert gelten und moralische Autorität in Anspruch nehmen können, wird von Politikern als Soft Power geschätzt.
Soft Power als Mittel der Machtausübung Chinas
Joshua Kurlantzick führt Nyes Gedankengang weiter. Er erweitert Nyes Auffassung von Soft Power und untersucht die Soft Power anhand der Außenpolitik der Volksrepublik China. Seiner Meinung nach ist die wachsende Soft Power Chinas die potenteste, erfolgreichste Waffe im Arsenal der chinesischen Außenpolitik. Nach Kurlantzicks Aussage hat sich die heutige Form von Soft Power gewandelt. Gerade die chinesische Soft Power stelle einen breiteren Ansatz dar als die enge Definition von Nye. Auf dem empirischen Level kann Soft Power high sein, durchgesetzt von den Eliten eines Landes. Sie kann sich ebenfalls auf einem low Level bewegen, auf ein generelles Publikum abzielend. Laut Kurlantzick ist es oftmals schwer, Elemente der Soft und Hard Power zu trennen. Im Falle Chinas sei es besonders schwierig. Beijing nutze seine Soft Power, um das Erreichen der zur Hard Power gehörenden Ziele zu unterstützen. Ein weiterer Unterschied zu Joseph Nye bestehe darin, dass im Falle Beijings Soft Power als Machtform von der chinesischen Regierung gezielt eingesetzt werde und sich nicht wie im Falle der USA von nichtstaatlichen Akteuren aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Motiven heraus entwickle.
Kurlantzicks Vermutungen über die Ziele der chinesischen Soft Power sind nur vorläufig. Es gibt keine offiziellen Quellen der chinesischen Akteure, welche klare Aussagen zuließen. Es gibt aber offizielle Verlautbarungen, die Hinweise auf einen möglichen Soft Power Pfad geben. Um das Vorhandensein von Soft Power bestimmen zu können, entwickelt Kurlantzick die Idee zweier Tools. Dabei stehen für Kurlantzick an erster Stelle die Tools of Culture und die Tools of Business. Die Tools of Culture werden von der VR China genutzt, um ein eigenes Image zu kreieren. Nach Kurlantzick kann die gesellschaftliche Position chinesischer Minderheiten in anderen asiatischen Staaten als eine Methode für die Bewertung von Soft Power gegenüber einem Empfängerpublikum dienen. Das Empfängerpublikum stellt in diesem Fall die Mehrheit der Bevölkerung des Gastlandes dar. Dabei nutzt Beijing nicht mehr die plumpe Propaganda früherer Jahre. Die Tools of Culture stellen eine Form von low Soft Power dar. Die chinesische Kultur dient auch nach der Ansicht von Bill Gates mit ihrer Jahrtausende währenden Geschichte als reichhaltige Ressource der chinesischen Soft Power. Das chinesische Fernsehen wurde modernisiert, chinesische Diplomaten besser ausgebildet. Das Studium der chinesischen Sprache ist ebenfalls Schwerpunkt der öffentlichen Diplomatie Beijings. Beijing gründet auf der ganzen Welt Konfuzius-Institute, chinesische Sprachschulen und unterstützte ausländische Universitäten bei der Etablierung chinesischer Studienfächer. Die chinesische Regierung orientierte sich an Einrichtungen wie dem British Council oder der Alliance Francaise. Die Tools of Business stellen die zweite Säule der Entwicklung der chinesischen Soft Power dar. Handel, Investitionen, Förderungsmittel und die Ausstrahlung des chinesischen ökonomischen Entwicklungsmodell im Zusammenhang mit weiterhin bestehender staatlicher Kontrolle sind, laut Kurlantzick, die zweite Waffe in Chinas Arsenal. Es liegt bei den Tools of Business keine kohärente chinesische Großstrategie vor. Chinesische Firmen entscheiden laut Kurlantzick mehr nach Unternehmens- denn nach nationalen Interessen. Dennoch beeinflusst die Politik Beijings die Tools of Business erheblich. Die Firmen anderer Staaten üben sich ebenfalls nicht in Zurückhaltung, sondern attackieren Chinas Entwicklung und Investitionen beispielsweise durch stärkeren Patentschutz oder Investitionsbarrieren.
Ergebnisse: China als Soft Power-Konkurrenz für die USA
Zum ersten Mal seit dem Zerfall der Sowjetunion sieht Kurlantzick die amerikanische Soft Power durch eine andere Nation in Frage gestellt. Die Kombination ökonomischer, kultureller, intellektueller Stärken und der daraus resultierende Handel und die Diplomatie haben Amerika zur stärksten Macht der Welt gemacht. Kurlantzick räumt ein, dass in China bisher keine Hollywoodfilme produziert oder Wirtschaftsgiganten wie General Electric hervorgebracht wurden. Aber er glaubt, dass in China Anstrengungen unternommen werden, die amerikanische Dominanz im kulturellen, ökonomischen und diplomatischen Sektor zu unterminieren.
Gunnar Henrich ist den ICC-Lesern durch seine genialen Reisetagebücher ein Begriff. In seiner Masterarbeit, die hier auszugsweise veröffentlicht wird, hat er sich mit Chinas Außenpolitik und Soft Power-Bemühungen befasst.
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Politische Reformen in China – Korruption, Marktwirtschaft und Demokratie
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