Von ICC-Redakteur Thomas Schneider
Mehr als die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung lebt heute in städtischen Gebieten – auch China hat die Grenze von 50 Prozent urbaner Bevölkerung im Jahr 2011 überschritten. Nach offiziellen Statistiken leben aktuell 52,72 Prozent der Chinesen in städtischen Arealen – eine enorme Steigerung verglichen mit den 13,26 Prozent im Jahr 1953. Damit enstehen auch extreme Herausforderungen für die Umwelt.
Laut einem Bericht von McKinsey wird gar ein Anstieg auf 65 Prozent bis zum Jahre 2030 und auf 75 Prozent bis 2050 zu erwarten sein. Bis zum Jahre 2025 sollen fast eine Milliarde Menschen in Chinas urbanen Zentren leben. Das entspricht einem Zuwachs innerhalb der nächsten 10 Jahre von 350 Millionen Menschen – mehr als die aktuelle Gesamtbevölkerung der USA. Diese rasante Entwicklung bedeutet für Land und Bevölkerung eine ganze Reihe von positiven Effekten und verbesserte bereits jetzt die Lebensbedingungen von zahllosen Chinesen. Gleichzeitig einhergehend ergeben sich Herausforderungen und Probleme, insbesondere für die Umwelt, deren Lösung für Chinas zukünftigen Weg entscheidend sein wird.
Umweltverschmutzung in China
Wer schon einmal in Peking war, der ist bestens vertraut mit dem gefährlichen Smog, der wie ein dichter Nebel über fast allen Städten Chinas liegt. Im Jahr 2006 erreichte China in einem wenig schmeichelnden Ranking den ersten Platz: Mit 6,2 Milliarden Tonnen ist es seitdem die Nation mit dem höchsten Ausstoß an Kohlendioxid. Im Vergleich dazu: Die USA brachten es im Jahr 2006 auf „nur“ 5,8 Milliarden Tonnen. Die von der WHO empfohlene Höchstgrenze für den PM2.5 Index, der die Belastung mit bestimmten gefährlichen Partikeln in der Luft angibt, wird in China tagtäglich um ein vielfaches Überschritten. Werte von bis zu 300 sind nichts ungewöhnliches, als gesundheitlich unbedenklich werden Werte bis 20 eingestuft. Viele Chinesen sieht man dementsprechend nur noch mit Atemmasken auf den Straßen.
Das Ausmaß der Luftverschmutzung geht zum Teil so weit, dass ganze Städte lahm gelegt werden. So geschehen im Jahre 2013 als in Harbin Schulen, der öffentliche Nahverkehr sowie der Flughafen geschlossen werden mussten. Ein bedeutender Anteil an dieser extremen Luftverschmutzung kommt vom hohen Energieverbrauch Chinas. Laut dem offiziellen statistischen Jahrbuch 2013 hatte Kohleenergie, die zwar günstig aber auch extrem schmutzig ist, mit 76 Prozent den mit Abstand höchsten Anteil an Chinas gesamter Energie Produktion. Gleichzeitig ist der Energieverbrauch in städtischen Gebieten um ein vielfaches höher: Im Jahre 2005 konsumierten Einwohner in urbanen Gebieten 3,63 Mal so viel Energie wie die Einwohner der ländlichen Gebiete. Laut einem Bericht der OECD werden die städtischen Zentren im Jahre 2030 für 83 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in China aufkommen. In der Zeit von 2001 und 2010 stieg Chinas urbane Bevölkerung um durchschnittlich 3,7 Prozent pro Jahr an – der jährliche Konsum von Kohle, Öl und Gas dagegen um 8.1, 6,7 und 16,1 Prozent. Gleichzeitig wird mit steigendem Wohlstand der städtischen Haushalte auch die Zahl der privaten Fahrzeuge weiter zunehmen und die Situation um die Verschmutzung weiter verschärfen. Schon heute kommen in vielen reicheren Städten Chinas auf 1.000 Einwohner 100 Autos.
Doch nicht nur die Luft ist betroffen. China ist der weltgrößte Frischwasserkonsument und auch hier ist der Anteil des städtischen Konsums am größten. Jedoch leiden über 50 Prozent der Städte Chinas zumindest vorübergehend an Wasserknappheit. Zum Teil ist dieses Problem durch die geografische Verteilung der Wasservorkommen bedingt. Einen ebenfalls erheblichen Anteil macht aber auch hier die zunehmende Verschmutzung der Umwelt aus. Wie die chinesische Regierung im vergangenen Jahr selbst in einem Bericht bekanntgab sind knapp 60 Prozent von Chinas Grundwasser verschmutzt – diese Zahl wird zum Teil noch deutlich höher geschätzt. Ausgelöst wird diese Verschmutzung unter anderem durch sauren Regen welcher wiederum ein Resultat der Schadstoffemission ist. Ein Großteil der chinesischen Städte ist für seine Wasserversorgung auf die kontaminierten Flüsse und Seen angewiesen. Es wird geschätzt, dass etwa 300 Millionen Chinesen täglich verschmutztes Wasser trinken – 190 Millionen davon erkranken daran.
Unkontrollierte Ausweitung der städtischen Gebiete
Zusätzlich zu den Problemen durch Verschmutzung, ergeben sich auch Herausforderungen durch die nahezu unkontrollierte Ausweitung der städtischen Gebiete. Aufgrund institutioneller Anreize der chinesischen Landpolitik kam es in den vergangenen Jahren zu einer Ausweitung der bebauten Gebiete die über der Zunahme der städtischen Bevölkerung lag. Während diese zwischen 2001 und 2010 nur um 3,7 Prozent pro Jahr zunahm, stieg der Anteil der bebauten Gebiete innerhalb urbaner Areale um sechs Prozent. Gleichzeitig kam es im selben Zeitraum bei der kompletten bebauten Fläche landesweit zu einem Anstieg von 9.583 auf 17.618 Quadratkilometer.
Die bereits zuvor beschriebene erwartete enorme Zunahme der städtischen Bevölkerung wird dieses Problem weiter verschärfen. Offensichtlich wird es für China entscheidend sein, wie mit diesen Herausforderungen in naher Zukunft umgegangen wird. Die chinesische Regierung scheint die Dringlichkeit verstanden zu haben: Im vergangenen Jahr wurde der „National Plan on New Urbanization“ erlassen, dessen Ziel ein nachhaltigerer und mehr auf Mensch und Umwelt fokussierter Urbanisierungsprozess ist.
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