Gastbeitrag von Andreas Feege, Leiter China Practice, KPMG in Deutschland
Dreieinhalb Jahrzehnte nach Wirtschaftsreformen ist China von einem bettelarmen Land zu einer Wirtschaftsmacht geworden. Der Ein-Parteien-Staat befiehlt seinen Unternehmen das „Ausschwärmen“ – mittels Milliardenkrediten und Bauprojekten baut das Riesenreich weltweit seinen Einfluss aus. Wie kürzlich bei einer Reise des Staatschefs Xi Jinping nach Lateinamerika.
Die Chinesen haben einen legendären Ruf als Händlervolk. In vielen größeren Städten der Erde gibt es seit langem chinesische Viertel, deren Bewohner rege Geschäfte betreiben, besonders in Süd-Ost-Asien. Der Steinzeitkommunismus unter Mao Zedong machte vieles in China selbst kaputt, das Land lag am Boden. Dann schaffte China es aber nach den Reformen von 1978 innerhalb von dreieinhalb Jahrzehnten, zu einer Weltwirtschaftsmacht zu werden. Der Historiker Jürgen Osterhammel erinnerte kürzlich an diese erstaunliche Leistung, als er der Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Geburtstagsrede zum 60. hielt. „Ermöglicht wurde dies durch eine erfolgreiche ideologische und strategische Selbstkorrektur einer gewitzten Oligarchie“, sagte Osterhammel vor vielen der wichtigsten Vertreter der deutschen Politik.
Dann rückte er diesen Aufstieg Chinas an die Spitze in einen historischen Kontext, nach dem China selbst in dem, „was vielen im Westen als Kraftprotzerei eines ungehobelten Parvenu erscheint, nichts als eine Rückkehr zu seiner historisch normalen Erstrangigkeit“ sehe. Mit den Wirtschafts-Reformen von 1978 öffnete China sich stufenweise für ausländische Investitionen, während gleichzeitig Landwirtschaftskollektive abgebaut und die Privatisierung in Teilen des Staates vorangetrieben wurde. Das autoritäre politische System Chinas hingegen blieb von den Reformen unberührt.
Ersichtlich wurde die wiedererstarkte Macht Chinas und seine sanfte Expansion jüngst wieder, als eine Nachricht um die Welt ging, nach der China dem angeschlagenen Argentinien 7,5 Milliarden US-Dollar leihen will, mit denen Energie- und Bahnprojekte umgesetzt werden sollen. Außerdem vereinbarten die Zentralbanken der beiden Länder einen Reservenaustausch (Swap) von über 11 Milliarden US-Dollar. Nebenbei wurden bei der Lateinamerika-Reise von Chinas Staatschef Xi Jinping auch weitere Verträge mit Kuba und Venezuela unterzeichnet, die Milliardenkredite nach sich ziehen werden. So wollen chinesische Investoren in Caracas jetzt etwa den berüchtigten 192 Meter hohen „Torre de David“ fertigbauen, eine Investitionsruine, die sich zum höchsten Slum der Welt entwickelt hatte. Zuvor hatte das ölreiche Venezuela sich bereits 40 Milliarden Dollar von der CDB geliehen.
China geht da rein, wo andere rausgehen
China sprang dort ein, wo globale Kapitalmärkte ausgestiegen waren. So hat etwa Argentinien aufgrund eines Schuldenstreits mit mehreren Hedgefonds zur Zeit keinen Zugang zu jenen traditionelleren globalen Kapitalmärkten. Die China Development Bank (CDB) füllte diese Lücke bereitwillig. Und diese Bank ist mittlerweile der wichtigste staatliche Akteur in der internationalen Finanzszene. Allein 2013 verteilte die Bank gut 100 Milliarden US-Dollar ins Ausland. Nur zwei Vergleiche, um diese Zahl einordnen zu können: Das ist fast doppelt so viel, wie im Jahr 2013 die Weltbank herausgab und 14-mal mehr, als die deutsche KfW Bankengruppe verlieh.
Ähnlich wie im Falle Argentiniens verlieh die China Development Bank auch Milliarden an die schwächelnden Griechen und an autoritär geführte Staaten wie Weißrussland und Venezuela. Das autoritär geführte China hat damit naturgemäß keine Probleme. KPMG-Partner und Länderspezialist für China, Andreas Feege, sieht dies auch im Pragmatismus der chinesischen Kultur begründet. „Man macht mit Unternehmen und Ländern Geschäfte, ohne ideologische und religiöse Aspekte zu sehr zu gewichten”, sagt er. Und die Geldspritzen, welche die schweizerische „Handelszeitung“ als „Checkbuch-Diplomatie“ bezeichnete, wirken. Die amerikanischen Wirtschafts-Journalisten Henry Sanderson und Michael Forsythe haben ein Buch über die CDB geschrieben, das „China’s Superbank“ heißt. „Wenn die Kommunistische Partei Gott ist“, schreiben sie, „dann ist die CDB ihr Prophet.“
Und die Taktik Chinas hat einen Namen: Unter der Parole „Zôu chūqù“ – „Ausschwärmen!“ befielt der Staat Konzernen ausdrücklich, Märkte im Ausland zu erschließen. Das Geld dafür stellt die CDB bereit, meist zu äußerst günstigen Konditionen. „Sie finanzieren Projekte, die andere Banken oder der Internationale Währungsfonds ablehnen würden“, erklärte der China-Forscher Kevin Gallagher von der Boston University dazu der „Zeit“. So wie jetzt auch in Argentinien.
Bezahlung in Rohstoffen
Dabei ist unmittelbarer Profit eher Nebensache: Es geht hauptsächlich um Einfluss und Zugang zu Rohstoffen. Dem russischen Ölkonzern Rosneft und dem Pipelinebetreiber Transneft lieh die CNB 2009 ganze 25 Milliarden Dollar. Nun werden 20 Jahre lang täglich 47 Millionen Liter Rohöl aus Russland nach China fließen. Das hat Prinzip: Die Bezahlung der Kredite erfolgt häufig in Rohstoffen – und die staatliche China Construction Company baut selbst viele der nötigen Infrastrukturen weltweit. Ein Riesenprojekt, mit dem China seine Handelsmacht ausbauen will, ist etwa der Nicaragua-Kanal, der 278 Kilometer lang und zwischen 230 und 530 Meter breit werden soll. Damit will China dem Panama-Kanal Konkurrenz machen.
5100 Schiffe sollen diesen Riesenkanal täglich passieren können. Ende 2014 sollen die Bauarbeiten beginnen. Die Kosten: 40 Milliarden Dollar. Der Bauherr: Das chinesische Unternehmen HKND. Als zweitärmstes Land Südamerikas hofft Nicaragua, davon zu profitieren, 200.000 Arbeitsplätze sollen entstehen.
Dabei sieht China auch Afrika offenbar als zentral für seine geowirtschaftlichen Ambitionen an. Alleine dort will China das Handelsvolumen bis 2020 von derzeit 200 Milliarden Dollar auf 400 Milliarden Dollar verdoppeln. 2008 waren es noch 100 Milliarden Dollar. Der chinesische Regierungschef Li Keqiang kündete im Mai 2014 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Adeba an, sein Land werde bei der „Industrialisierung“ des afrikanischen Kontinents eine aktive Rolle spielen. Denn inmitten der „trüben Weltwirtschaft“ sei Afrika ein „Lichtblick“. Ein Plan ist etwa der Aufbau eines unter der Federführung Chinas zu realisierendes Hochgeschwindigkeits-Zugnetzes zwischen den afrikanischen Hauptstädten. Dafür wurden bereits 30 Milliarden Dollar chinesische Kredite in Aussicht gestellt.
China hat Schulden im eigenen Land
Das chinesische Interesse ist nachvollziehbar: China ist für rund 25 Prozent der globalen Rohstoffnachfrage verantwortlich und Afrika birgt etwa 30 Prozent der bekannten Vorkommen an Mineralien und rund die Hälfte wichtiger Rohstoffe wie Platin, Gold und Uran. Da passen Nachfrage und Angebot zusammen.
Dabei zeigt auch die chinesische Geldmaschine scheinbar Schwächen. Denn obwohl das Riesenreich etwa vier Billionen Dollar landesfremder Währungen als Devisenreserven lagert, hat es eine Gesamtverschuldung angehäuft, die etwa 220 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Das ist zwar nicht so viel wie die Schulden der USA (250 Prozent) und Japans (400 Prozent), aber für ein Schwellenland ist dieser Wert, der Schulden des Staates, der Unternehmen und der Privathaushalte umfasst, enorm. Dabei sind die Schulden alleine in den vergangenen sechs Jahren um 60 Prozent gestiegen, wie die „Zeit“ berichtet.
Ein Unterschied zu vielen anderen Staaten ist jedoch, dass China im Ausland nur mit zehn Prozent seiner Wirtschaftsleistung verschuldet ist. Den Großteil der Schulden haben chinesische Staatsunternehmen bei Staatsbanken angehäuft, es bleibt also alles im Land. So ist Chinas Führung nicht auf die internationalen Kapitalmärkte angewiesen, was ihr nach wie vor einen großen Spielraum verschafft.
Als Fazit bleibt: Die Taktik, mit riesigen Krediten an schwächelnde Staaten Einfluss zu erlangen, ist nichts Neues. Die USA machten in der Vergangenheit Ähnliches, etwa, um den damaligen Einfluss der Sowjetunion in Asien in Schach zu halten. Und Chinas sanfte Expansion, das „Zôu chūqù“, scheint unaufhaltsam.
Wei Wang, Director der China Practice von KPMG in Deutschland, sagt dazu:
„Die deutsche Öffentlichkeit war lange besorgt über Chinas weltweite wirtschaftliche Offensive. Denn China geht da rein, wo andere aussteigen. Es wird allerdings in der chinesischen Öffentlichkeit diskutiert, ob das rein wirtschaftliche Primat genügen wird, um etwa in Afrika langfristig als respektierter Partner erfolgreich zu sein. So beklagen viele chinesische Unternehmen, dass ihre Investitionen dort nicht ausreichend geschützt sind. Man kann also sagen, dass China weit davon entfernt ist, als Kolonialherr aufzutreten. China ist sichtlich bemüht, die soziale Entwicklung in den Ländern, in denen es investiert, zu fördern, wo es selbst im eigenen Land große Probleme in diesem Bereich hat. So muss China viel PR betreiben um Ressentiments beizukommen.“
Mehr Hintergründe, Publikationen und einen kostenlosen regelmäßigen Newsletter der China Practice von KPMG finden Sie unter www.kpmg.de/china
Auch interessant:
Umsatzsteuer in China – aktuelle Entwicklungen 2014
China-Prognosen 2014:
Wirtschaftswachstum und Durchschnittseinkommen
Business-Knigge China für Manager, Geschäftsreisende und Expats
Senja meint
Interessanter Überblick! „Man kann also sagen, dass China weit davon entfernt ist, als Kolonialherr aufzutreten.“ China war und ist einfach zu groß, um nebenbei noch die Welt zu beherrschen…