Traditionell kommt China im US-Wahlkampf nicht sonderlich gut weg. Häufig versuchen sich die Anwärter dabei zu übertreffen, China als große Bedrohung und Konkurrenz darzustellen. Dabei schwingt nicht zuletzt der Systemkampf Kapitalismus bzw. Demokratie gegen Kommunismus mit. Wie blickt die Volksrepublik China in diesem Jahr auf den Endspurt zur Präsidentenwahl in den USA? Lässt sich eine Präferenz für einen der Kandidaten erkennen? China und die US-Wahl 2020 – so kommentieren chinesische Medien den Wahlkampf Biden gegen Trump.
China spielt weltpolitisch eine zentrale Rolle für die USA. Das Reich der Mitte gilt als wichtiger Wirtschaftspartner, aber ebenso als größter Gegenspieler bei der Frage, welche Großmacht künftig die Weltpolitik und -wirtschaft beherrschen könnte. Die VR China ist nach Japan der zweitgrößte Gläubiger der USA – im Juni 2020 hielt sie US-Papiere im Wert von knapp 1,1 Billionen US-Dollar. China ist zugleich ein wichtiger Produktionsstandort für amerikanische Top-Marken wie Woolrich, Barbie oder Apple, die teilweise oder komplett in China gefertigt werden. Das Verhältnis ist also sehr komplex.
China als Reizthema in amerikanischen Wahlkämpfen
Schon seit einigen Jahren wird China in Wahlwerbung von amerikanischen Politikern thematisiert – und in der Regel sehr negativ dargestellt. Besonders häufig werden die politischen Gegner in den USA dafür kritisiert, zu stark mit chinesischen Partnern zu kooperieren oder gar die Wirtschaft in China gegenüber derjenigen in den USA zu bevorzugen. In Wahlwerbespots klingt das nicht selten sehr martialisch, China wird als enorme Bedrohung dargestellt, welche die USA bald „schlucken“ könnte:
Donald Trumps und Joe Bidens Blick nach China
Auch Donald Trump schien in seinem ersten US-Wahlkampf zeitweilig wie besessen von China und distanzierte sich trotz seiner engen Verbindungen wiederholt vom asiatischen Riesen. Während seiner Präsidentschaft lobt er mal Xi Jinping, um wenig später den Handelskrieg mit China zu befeuern und stattdessen mit Nordkorea anzubandeln. Kurz vor dem Gang an die Wahlurnen erklärte Joe Biden, dass von Russland (und nicht China) die größte geopolitische Gefahr ausgehe. Es wird erwartet, dass im Falle seines Fallsiegs die Chinapolitik der USA wieder etwas stabiler wird. Doch auch der Demokrat Biden wird die Volksrepublik als strategischen Konkurrenten nicht verhätscheln, was er bereits als Vizepräsident unter Barack Obama verdeutlichte.
Medien in China und die US-Wahl 2020
Wie blicken vor diesem Hintergrund chinesische Medien auf den Endspurt der Stimmenzählung in den USA? Wir haben uns am 07.11.2020 einige einflussreiche Online-Medien in China angeschaut – und dabei auch die englisch- und chinesischsprachigen Versionen verglichen.
China Daily
Die China Daily ist die größte englischsprachige Tageszeitung in China und befindet sich unter staatlicher Kontrolle.
Die internationale, englischsprachige Version der China Daily berichtete in den letzten Tagen relativ abgewogen über die Entwicklungen im US-Wahlkampf und die anschließende Auszählung. Dabei wurden Zwischenergebnisse präsentiert und auch einige Proteste und Konflikte zwischen den Lagern beschrieben. Der mediale Ton fiel insgesamt eher nüchtern und neutral aus.
Die chinesischsprachige Version der China Daily ging überraschend wenig auf die Entwicklungen in den USA ein. Sie konzentrierte sich – wie üblich – auf positive Ereignisse in China und die guten Beziehungen zwischen China und dem Ausland. Vereinzelte Artikel beschreiben die Ängste in der amerikanischen Bevölkerung als negative Auswirkung des Wahlkrimis und kritisieren die wenig zutreffenden Prognosen vor dem Wahlkampf.
Global Times
Die Global Times (Huanqiu shibao) ist eine englischsprachige Tageszeitung in China, die sich unter staatlicher Kontrolle befindet und internationale Ereignisse aus chinesischer Sicht verfolgt.
Die englischsprachige Global Times ging sehr detailliert auf die Komplikationen und Verwerfungen im Rahmen der Präsidentenwahl und Auszählung ein. Verschiedene Beiträge erklären, dass die USA auch nach der Wahl gespalten blieben und die Gesellschaft in jedem Fall darunter leiden werde. Das US-System sei schlichtweg auf Spaltung ausgerichtet und müsse sich ändern, um überlebensfähig zu bleiben. Zudem wird in einem Artikel argumentiert, dass das chinesische Interesse an den US-Wahlen zurückgehe und die Wahl 2020 wohl die Amerika-Bewunderer in China verändern werde.
In der chinesischsprachigen Version der Global Times finden sich einige neutrale Updates sowie ähnlich US-kritische Artikel wie in der englischsprachigen Online-Ausgabe. Ein Artikel über Bidens letzte Ansprache klingt etwas versöhnlicher in Hinblick auf das US-Wahlsystem. Insgesamt war der Fokus auf der chinesischen Homepage in den Tagen rund um das Wahlfinale weniger auf die USA ausgerichtet und es fanden sich stattdessen zahlreiche positive News über Entwicklungen in China.
South China Morning Post (SCMP)
Die SCMP ist Hongkongs größte englischsprachige Tageszeitung und gehört seit 2016 zur Alibaba Group.
Die SCMP berichtete recht abgewogen über den US-Wahlkampf, unter anderem mit einer eigenen Rubrik über die chinesisch-amerikanischen Beziehungen. Sie warf zugleich einen kritischen Blick auf die Reaktionen und Wahrnehmung in China. In einem Artikel wird erklärt, dass sich die chinesische Regierung zwar nicht zur aktuellen Entwicklung in den USA äußere, staatsnahe Medien im Land aber besonders das Konfliktpotential und mögliche Unruhen in den Vereinigten Staaten im Blick hätten. Auch kommt in der SCMP die chinesische Bevölkerung zu Wort, die angesichts der Aggressionen in den USA teilweise mit Häme auf das angeblich „beste Land der Welt“ schaue.
Fazit – China und die US-Wahl 2020 mit zwei Besonderheiten
Tatsächlich sind viele Elemente in der chinesischen Berichterstattung mit den internationalen Reaktionen auf den Wahlkrimi vergleichbar. Auch in Deutschland wurde zum Beispiel das komplizierte US-Wahlsystem diskutiert und vermutet, dass sowohl unter Trump als auch unter Biden die gesellschaftliche Spaltung in den USA anhalten werde.
Es gibt jedoch auch zwei eindeutige Besonderheiten bei der chinesischen Berichterstattung. Zum einen lassen sich im kontrollierten Internet Chinas schlichtweg nicht alle Entwicklungen in den USA nachverfolgen. Zum anderen ist sowohl in einigen staatsnahen Publikationen als auch in sozialen Medien der Kampf der Systeme spürbarer als in anderen Ländern. Manche Kommentare lesen sich als Retourkutsche gegen die USA, die seit jeher das chinesische Regierungssystem heftig kritisieren und demokratische Veränderungen fordern.
Um es mit den Worten des Global Times-Chefredakteurs Hu Xijin zu sagen: „Chinesen sind sich darüber im Klaren, dass es (d.h. das Wahlsystem) die amerikanische Gesellschaft zersplittert wird und dass eine solche Teilung ein großes Land mit komplexen Verhältnissen wie China gefährden könnte.“ Ob es sich hierbei um Wunschdenken oder die tatsächliche Stimmungslage im Land handelt, könnten nur Umfragen herausfinden.
China und die US-Wahl 2020: Wie sich die chinesisch-amerikanischen Beziehungen mit Joe Biden als Präsidenten entwickeln könnten, ist momentan noch nicht abzusehen. Fest steht, dass das neue Staatsoberhaupt vorerst die tatsächlich große Kluft im eigenen Land in den Griff bekommen muss. Wirklich sicher scheint mit Blick auf das Verhältnis zwischen den USA und China nur eines: Es bleibt auch in Zukunft kompliziert.
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Bildquelle: Flickr / Paolo Braiuca / Rechte
Reinhard* meint
Der Kampf der Systeme wird weitergehen und noch schlimmer werden. Die USA ist so sehr verschuldet, daß China zu stark geworden ist. China sollte längst unabhängiger sein, himmelt die USA aber noch wie vor an. Jeder der Geld hat, will irgendwann in die USA. Und am liebsten dort bleiben oder spätestens bei Faimiliengründung oder Ruhestand dorthin zurück.
Wetsiv meint
Bin gespannt ob Trump noch as l zurück kommt…