Deutsch-chinesische Kulturunterschiede sind höchst faszinierend, doch natürlich erschöpft sich die Vielfalt der Kulturen nicht im Verhältnis der beiden Länder. Wir befragen in dieser neuen Reihe Experten für andere europäische und asiatische Länder zu zentralen Unterschieden der Kulturen. Zum Auftakt steht Frankreich im Mittelpunkt.
Die deutsche Frankreich-Expertin Anna Kauert berichtet in diesem Artikel über Unterschiede der Essenskultur in Deutschland und Frankreich – einige Punkte kennt man auch aus dem deutsch-chinesischen Umgang.
„Ach, die Franzosen sind doch alle…“
Wenn man Deutsche nach Frankreich fragt, hört man oft verallgemeinernde Aussagen wie „Die Franzosen (also alle Franzosen!) sind so arrogant… Sie sind so… Sie machen dieses, sie machen jenes.“ Oder sie hören das Gegenteil: „So ein schönes Land!“, „Leben und Speisen wie Gott in Frankreich“.
Als Nachbarländer treffen sich Frankreich und Deutschland allzeit in Medien, Politik und Kulturprogrammen wieder, doch bleibt auf beiden Seiten des Rheins das ständige Rätsel über die Anderen. Wer nach Frankreich reist, wird unbekannte Werte vorfinden, lokale und regionale Besonderheiten sehen, auf eine andere Kultur mit all ihren Besonderheiten treffen.
Eine Öffnung gegenüber dem Fremden beinhaltet die andere Kultur zu verstehen, die Ursachen der Unterschiede zu ergründen und diese zu akzeptieren und bewusst mit ihnen umzugehen.
Unterschiedliches Essen in Deutschland und Frankreich
Ein wesentlicher Unterschied im Alltäglichen sind die Essgewohnheiten, denn diese sind in beiden Ländern stark kulturell geprägt und unterscheiden sich auch durch die Nahrungsmittel. Deutschen Hotelgästen ist beispielsweise das französische Frühstück oft zu wenig, während Franzosen beim deutschen Frühstück regelrecht überfordert sind. Auf welche Ursachen sind diese Unterschiede zurückzuführen?
Frankreich hat nicht nur die Nordsee, sondern auch Mittelmeer und den Atlantik. Mehr Klimazonen führen zu mehr Vielfalt in der Zusammensetzung des Essens. Aber auch die Kolonien brachten eine Vielzahl an exotischen Gewürzen mit. Davon profitierten Adel und der königliche Hof.
Klima und Lebensmittel mit interkulturellen Auswirkungen
Deutschland hingegen hat weniger Küste und bestand aus mehreren hunderten Kleinstaaten, weshalb man sich über die Landwege auf die heimischen Lebensmittel konzentrierte. Exotische Einflüsse gelangten erst mit Beginn des Tourismusbooms in den 1970er Jahren mehr und mehr ins Land. Klimatische Bedingungen erklären auch die Vielzahl der Brot- und Brötchenherstellung in Deutschland. Kürzere Sommer, weniger Sonne und fruchtärmere Böden eignen sich für Getreidesorten wie Roggen, Dinkel und Buchweizen. Gemischt mit Körnern und Grau- oder Schwarzmehl werden sie zu den verschiedensten Brotsorten verarbeitet.
Das sonnige Klima und die fruchtbaren Böden haben in Frankreich zum Anbau von anspruchsvollen Edelgetreide Weizen geführt, woraus die unterschiedlichen Weißbrote und Baguettes resultieren. Essenszeiten und Essensmenge unterscheiden sich in beiden Ländern stark voneinander. So ist in Deutschland eine regelrechte Frühstückskultur vorzufinden, mit verschiedenen Brotsorten, Brötchen, Wurst und Käse, Eiern und Müsli.
In Frankreich hingegen besteht ein Frühstück oft nur aus einem Croissant oder einem Stück Baguette mit Marmelade. Abends wird hingegen in Frankreich lang und ausgiebig gespeist, verschiedene Gänge werden serviert. Essen hat hier eine soziale Funktion und ein Abendessen kann gern mal von 20.30 Uhr bis 23 Uhr dauern.
Deutsche essen abends generell kürzer, früher und weniger. Kalte Platten mit Brot, Käse und Wurst sind üblich. Die Gemütlichkeit wird oft nach dem Essen auf die Couch verlegt, während diese in Frankreich über Stunden am Abend am Esstisch zelebriert werden kann. Essen steht in Frankreich für Genuss, für Geselligkeit und für ein eigenes Ritual. Es handelt sich dabei um etwas, das man mit anderen teilt.
Esskulturen und Geschäftsleben in Deutschland und Frankreich
Auch im Geschäftsleben hat das gemeinsame Mittag- oder Abendessen eine wichtige Funktion. In Frankreich trifft man sich beim Essen, um den anderen „zu beschnuppern“, um festzustellen, ob man zusammen arbeiten möchte. Nicht selten werden Verträge bereits mündlich beim Essen bzw. Dessert abgeschlossen. In Deutschland wird sich ein gemeinsames Essen eher nach Vertragsabschluss, also getaner Arbeit, gegönnt.
Die Religion hat beide Länder bis in das letzte Jahrhundert stark geprägt. In dem überwiegend protestantischen Deutschland wurde dem Körper nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt und das Essen war mehr Zweck als Genuss. Der vorherrschende Katholizismus in Frankreich vertrat hingegen weniger strenge Regeln und sündigte man mit gutem Essen, konnte man den nächsten Tag „einfach“ zur Beichte gehen.
Interkulturelles Training für Frankreich zum Einstieg
Wie das Distanzverhältnis zum Gesprächspartner ist, wie sie sich auf ein Geschäftsessen in Frankreich vorbereiten können und was sie beachten sollten, wenn sie als Gast bei Franzosen zu Besuch sind, können Sie in einem meiner interkulturellen Trainings erfahren. Lernen Sie über Werte, Geschichte und Wurzeln der deutschen und französischen Kultur, um das Andere zu verstehen, zu akzeptieren und zu schätzen.
Anna Kauert ist freischaffende interkulturelle Beraterin und zertifizierte Trainerin, Übersetzerin für die Sprachen Englisch und Französisch. Sie trägt das Diplom Interkulturelle Fachkommunikation. Tätigkeitsfelder sind Tourismus, Kultur, Politik und Wirtschaft: www.ak-kommunikation.de
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Maximilian v.M. meint
Ich habe zwei Jahre in Frankreich gelebt, ohne die Sprache und ein Verständnis für die soziale Kultur geht es wirklich nicht. Leider habe ich hier und da eine gewisse Ablehnung erfahren, obwohl ich mein Bestes gegeben habe, um mich anzupassen… Trotzdem: Frankreich lohnt sich immer:)
wawaxing meint
ich möchte auch auch wieder nach frankreich. nur wenn die wirtshcaft so weiterläuft, dann kommt irgendwann nix anständiges mehr auf den tisch. die deutschen hätten es ja, aber machen sich nicht die mühe.
haretz meint
toller artikel, danke!
Violla meint
Hier gibt es einen schönen Erfahrungsbericht über Lille – perfekt, um Frankreich zu entdecken, ohne gleich ins teure und weite Paris fahren zu müssen: http://eu-joy.com/es-gibt-nicht-nur-paris-kulinarische-highlights-sehenswuerdigkeiten-lille/