Das chinesische Essen ist weltberühmt. Im Ausland ist vieles, was als solches angeboten wird, eine Beleidung der ursprünglichen Feinkost aus dem Reich der Mitte. Es soll sogar Feinschmecker geben, die nach China reisen, nur um zwei, drei Tage zu schlemmen. Ob das auch für den Autor des beliebten Reisetagebuches China auf dem ICC-Portal gilt?
Es gibt da einen klassischen Fauxpas, der dem Deutschen in Amerika gern passiert. Wenn ein fröhlich-spontaner Amerikaner dem erstaunten Touristen ein „How do you do“ entgegenschmettert, denkt vielleicht manch Wohlmeinender, diese Frage erfordere eine ehrliche Antwort. Aber sobald man vom Ärger über das letzte Bundesligaergebnis, die schlechte Laune vom Chef oder dem regelmässigen Migräneanfall anfängt und sich über das ehrliche Interesse freut, wird das Gegenüber ganz schnell im besten Fall vollkommen desinteressiert, im schlechtesten fassungslos reagieren. Der kulturelle Clash ist programmiert.
Es gibt eine Entsprechung im Umgang mit Chinesen. Wenn also in China der fröhliche Landsmann ein „Ni chi le ma“ 你吃了吗? bei der Begrüßung anbringt, „Hast du schon gegessen“, dann empfiehlt es sich, mit „Ja, habe ich“ zu antworten. Eher unüblich wäre es, dem Chinesen ein überraschtes „Nein, wieso“? entgegenzuhalten und ihn voller Vorfreude in Erwartung einer Einladung zum Essen gehen oder gemeinsamen Kochen anzublicken. „Hast du schon gegessen“ entspricht dem „Ca Va“ oder „Hola“ oder einem einfachen „Hallo“. Und es sagt mehr über China aus als manche Bücher.
Essen ist in China die wichtigste Angelegenheit, anzunehmenderweise gleich nach dem Sex. Das Essen wird in der Regel in Gruppen eingenommen, es ist eine kommunikative, gesellige Angelegenheit, mit Freunden, Familienmitgliedern oder Kollegen. Man kann in China im Wortsinne alles essen, was im Tierreich lebt. Weder Insekten (Seidenraupen) noch alle Arten von Vögeln (Spatzen, Tauben) sind davon ausgenommen. Das Essen sieht allerdings etwas anders aus als bei uns: die Chinesen kennen kein Besteck, außer den Stäbchen höchstens Löffel. Sie schmatzen und schlürfen mit bestem Gewissen. Sie essen schnell, jedenfalls können sie es mit den Stäbchen auf erstaunliche Weise.
Knochen und Fischgräten werden auf den Tisch gespuckt und später abgeräumt. Die Hälfte des Essens fällt dem ungeübten Europäer auf die Hose, was der Wäscherei hohe Umsätze beschert. Bier wird bevorzugt beim Essen getrunken, dabei wird immer wieder angestoßen, man stößt an, prostet sich gegenseitig zu, trinkt und setzt ab. Einige Minuten später dasselbe. Frauen sind von dieser Sitte ausgenommen, sie trinken in der Regel auch kein Bier.
Neu! Kulturunterschiede im Deutsch-chinesischen Knigge
Wie lässt sich besser mit Kulturunterschieden umgehen? Die Kapitel im neuen China-Knigge liefern Ihnen:
- Deutsch-chinesische Kulturunterschiede aktuell
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Beim Essen wird geraucht. Chinesen bieten sich gegenseitig Zigaretten an, Chinesinnen erklärten mir, Rauchen sei männlich. In jedem Lokal kann man rauchen. Reis ist bei jedem Essen dabei, aber: es wird nur nach dem Essen als Abschluss gegessen und hat wohl irgendwelche Gesundheitsgründe. Mir wurde gesagt: Reis schließt den Magen. Für Trennkostler ist China das größte Paradies, weil alle Speisen in der Regel, wenn auch nicht unbedingt immer, in getrennten Schüsseln serviert werden. Gab es denn etwas, was ich nicht gegessen habe. Ja, aber nur eine Sache: gebratene Spinnen am Holzspießchen. Und was war meine Lieblingsspeise? Vielleicht nicht minder exotisch als die Spinnen, aber absolut delikat: gebratene Hühnerfüsse. Und noch etwas persönliches: Knochen auf den Tisch zu spucken macht riesigen Spaß.
Über den Autor
Gunnar Henrich ist Politikwissenschaftler mit Chinafokus. Am Center for Global Studies der Universität Bonn promoviert er über Methoden und Ziele chinesischer Afrikapolitik am Beispiel Sambia. Exklusiv für das ICC-Portal veröffentlicht Henrich nun Kapitel seiner spannenden Reisetagebücher aus China (2006-2007).
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Susan meint
Ich finde es wirklich klasse, dass Sie sich all diese Mühe machen und die Informationen aufbereitet für uns präsentieren. Weiter so!
Bubaba meint
Sehr lebhaft geschrieben. Dazu noch unterhaltsam. Gerne mehr davon. Haben Sie die Schildkroete auf dem Foto etwa selbst verspeist?
Il Ragno meint
Super und vor allem realistisch erzählt. Ich bin geschäftlich sehr oft in China unterwegs und dabei an jedem Tag an einem anderen Ort. Man bekommt dabei die volle Breitseite der chinesichen (Ess-) Kultur und den doch unterschiedlichen Gepflogenheiten mit.
Ich esse fast alles, jedoch konnte ich mich mit Hühnerfüßen noch nicht anfreunden 🙂
Weiter so!