Von ICC-Redakteurin Maike Holzmüller
Besucht man in diesen Tagen chinesische Großstädte, wird schnell klar: Umweltverschmutzung ist in der Volksrepublik allgegenwärtig. Nachhaltigkeit ist daher ebenso ein bedeutendes Thema im ganzen Land: in der Gesellschaft, aber auch in der Regierung. Gerade der Aufbau nachhaltiger Städte, sogenannter „Eco-cities“, steht immer wieder im Blickfeld, aus Sicht vieler scheinbar zum ersten Mal. Dabei spielt der Aufbau ökologischer Gemeinschaften bereits seit Jahrzehnten eine Rolle in China.
Damals: Ökologische Gemeinschaften als Konzept der 1980er
Basierend auf einer Tradition des nachhaltigen Ackerbaus, die seit Jahrtausenden als Bestandteil der chinesischen Kultur gilt, wurde bereits 1987 das wissenschaftliche Konzept der „Ökokonstruktion“, und damit der Aufbau sogenannter „ökologischer Gemeinschaften“ (Shengtai Qu 生态区) als Regierungsprinzip promulgiert. Ziel war es, menschliche Siedlungen in Einklang mit der umgebenden Natur zu bringen und dabei lokale und regionale Nachhaltigkeit zu erreichen. In landesweiten Pilotprojekten wurden Ansätze der Nachhaltigkeit mit Blick auf Landwirtschaft, Familienplanung, Waldbau, Boden- und Wasserschutz, Gesundheitswesen, Bildung oder Städtebau etabliert. Damit legte die chinesische Regierung im internationalen Vergleich bereits sehr früh einen Fokus auf Nachhaltigkeit.
An den Mitte der 1990er Jahre etablierten Richtlinien für den Aufbau der ökologischen Gemeinschaften orientierten sich neben Städten auch Provinzen, Landkreise, Dörfer und sogar Familien, mit dem Ziel, den Status einer „im Probelauf befindlichen ökologischen Gemeinschaft“ oder den einer „Modell-Ökogemeinschaft“ zu erlangen. Die chinesische Regierung hatte mit dem Prinzip „Ökogemeinschaft“ Erfolg, auch international. So gewannen bis 2008 allein sieben Ökogemeinschaften den UN Global 500 Award und neun den International Ecological Engineering Society Award. Im Zuge des Konzepts „Ökotourismus“ wurden in den vergangenen Jahren viele der Modell-Ökogemeinschaften, wie etwa Liu Min Ying 留民营 bei Peking und Tengtou 滕头 bei Ningbo, auch zum Zielort nachhaltig Reisender. Und dennoch: das Konzept „Ökogemeinschaft“ hat den chinesischen Mainstream noch nicht erreicht. In der Größe des Landes bleibt seine Auswirkung begrenzt. Förderung an einem Ort trifft auf Vernachlässigung, fehlendes Wissen und Widerstand am anderen.
Heute: Selbstdarstellung und internationaler Erfahrungsaustausch
Gründe für den Aufbau von ökologischen Gemeinschaften gibt es viele. Neben dem Umgang mit einer zu schnellen Urbanisierung, der nötigen nachhaltigen Förderung gerade der ländlichen, im nationalen Vergleich meist unterentwickelten Gegenden -und damit einem Vermeiden von gesellschaftlichen Unruhen-, zählt auch der Erhalt internationalen Ansehens dazu. Letzteres scheint gerade in den vergangenen Jahren ein an Bedeutung zu gewinnender Motivator zu sein. Dies wird unter anderem deutlich, wenn die chinesische Regierung auf der diesjährigen Expo in Mailand unter dem Thema „Feeding the Planet, Energy for Life“ mit dem zweitgrößten und erstmals im Ausland eröffneten Pavillon das Prinzip der Nachhaltigkeit als seit Jahrhunderten der chinesischen Kultur immanenten Aspekt betont. „Der Mensch ist Teil der Natur“ als Grundmantra und zentrale chinesische Philosophie prägt demnach die nachhaltige Nahrungsmittelproduktion in China- und dabei auch die Selbstpräsentation im chinesischen Pavillon.
Und auch auf der Expo 2010 in Shanghai war unter dem Thema „Better City, Better Life“ der Ansatz eines nachhaltigen Städtewachstums und der Aufbau sogenannter „Eco-cities“ zentrales Thema. Erfahrungsaustausch in diesem Bereich findet heute gerade auch mit Deutschland statt, etwa im deutsch-chinesischen Kooperationsprojekt „Eco-cities in China“. Praxisbeispiele in Pilotprojekten sollen zeigen, wie sich Lösungsansätze aus Deutschland in der Volksrepublik realisieren lassen, um so Handlungsansätze für das ganze Land zu erarbeiten. Ökologische Gemeinschaften existieren bereits in Städten landesweit, unter anderem in Shanghai und Tianjin. Nachhaltigkeit als Teil der chinesischen Kultur und deren Umsetzung im typisch chinesischen Konzept der Pilotprojekte sind altbekannte Themen in China. Neu verstärkt ist lediglich die Internationalität der chinesischen Bemühungen um Nachhaltigkeit. Als Aushängeschild einer Regierung, die auf bessere Lebensqualität abzielt, und als Bestandteil internationaler Wissenstransfers und Kooperationen.
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