Chinas Straßenverkehr ist berühmt und berüchtigt. Er ist nicht nur ein Grund für die zeitweilig sehr schlechte Luft in Chinas Großstädten. Das Chaos auf den chinesischen Straßen bringt In- und Ausländer täglich zur Verzweiflung. Ob es Gunnar Henrich auch so ergangen ist?
Es gab ja mal Zeiten, als die Chinesen ein Volk von Fahrradfahrern waren und man ameisenartig Heerscharen von radfahrenden Chinesen alltäglich beobachten konnte. Diese Zeiten sind vorbei, und wenn auch die Autos nicht ganz die Lücke der Fahrräder gefüllt haben, kann man auf Chinas Straßen eine bunte Mischung beobachten. Sehr beliebt sind elektrische Motorroller, welche von jungen und alten Chinesen gerne sowohl auf Bürgersteigen als auch auf der normalen Straße benutzt werden. Abgesehen von ein paar an Bauarbeiter gemahnende runde Helme konnte der Autor dieser Zeilen mit Sicherheit feststellen: Motorradhelme sind in China unbekannt.
Eine andere Größe neben den immer noch weitverbreiten Fahrrädern nehmen die Taxis ein. Es gibt sie noch nicht so lange, dafür sind sie jetzt in sprunghafter Weise dabei, die Strassen zu füllen. Muss man in Deutschland oft warten, bis ein gelbes Auto kommt, fahren in China vier, fünf, sechs Taxis hintereinander. Ein Rätsel ist die Abrechnung. Zwar gibt es einen Taxameter, aber der erhöht sich nicht. So ist es möglich, eine Stunde durch die Stadt zu fahren und immer bei rund drei euro, dreißig chinesische Yuan, stehenzubleiben. Im Schnitt kosten kurze Fahrten einen Euro, längere gehen von eins fünfzig bis drei Euro. Dafür muss man aber schon sehr weit fahren. Die Taxifahrer sind in der Regel des Englischen nicht mächtig. Sicherheitsgurte gibt es zwar, aber der Taxifahrer verneint gerne die Frage, ob man sie anlegen sollte.
Wie in jedem guten kommunistischem Land gibt es in Chinas Strassenverkehr strenge Regeln. Die erste lautet: es gibt keine. Jeder fährt wie er will, wenn eine Verkehrslücke entsteht versucht jeder reinzukommen und am schönsten ist es , wenn alles gleichzeitig auf der Strasse ist: Fußgänger, Autorfahrer, Radfahrer und die Motorroller.
In der gefühlten Steinzeit des chinesischen Verkehrs war ja mal die Fahrradklingel populär: die besten waren angeblich wie so oft die größten. Heute gibt es etwas viel schöneres: eine Hupe. Die Hupe wird immer und zu jedem Anlass benutzt, vor allem, wenn kein Anlass da ist. Mit einer Hupe kann man so viel machen, draufdrücken, immer wieder und vor allem in ganz bestimmten Situationen. Zum Beispiel so etwas wunderbares wie eine rote Ampel für Autofahrer und Zebrastreifen für Fußgänger. Hier besteht die größte Berechtigung und der meiste Sinn für chinesische Autofahrer, zu hupen. Aber auch in leeren Straßen und Einmündungen. Nachdem der Verfasser dieses Textes bei seinem Motorroller selbst in den Genuß einer Hupe kam, muß er gestehen: es macht Spaß. Vor allem, weil er eine besonders laute gekauft hat. Und eines muß man dem chinesischen Verkehr zugute halten: Reißverschlußverfahren, rechts vor links, alles gilt nicht wirklich und trotzdem funktioniert es: Gemessen an dem Chaos gibt es jedenfalls auf den ersten Blick nicht halb so viele Unfälle, wie man erwarten sollte. China kann zwar noch lernen, aber viel Hoffnung besteht da nicht – war eigentlich schon mal jemand mit dem Auto in Italien?
Über den Autor
Gunnar Henrich ist Politikwissenschaftler mit Chinafokus. Am Center for Global Studies der Universität Bonn promoviert er über Methoden und Ziele chinesischer Afrikapolitik am Beispiel Sambia. Exklusiv für das ICC-Portal veröffentlicht Henrich nun Kapitel seiner spannenden Reisetagebücher aus China (2006-2007).
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Das ist schlimmer als in Paris. Wenn dort Fahrverbot erteilt wird, lassen die Chinesen ihre Kinder aus Freude an der guten Luft ausnahmsweise ohne Mundschutz im Freien spielen. Hoffentlich lernt China bald dazu, Umweltschutz wird dort noch gar nicht praktiziert.