Von ICC-Autorin Victoria Walter.
Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass immer mehr Studenten zum Studieren ins Ausland gehen. Einige von ihnen zieht es nach China, weswegen die Regierung in Peking viel Geld in den eigenen Bildungssektor investiert hat. Ziel ist es, durch einen erfolgreichen Aufenthalt die chinesische Soft Power langfristig zu stärken. Welche Programme gibt es hierfür und welche Entwicklung ist für die nächsten Jahre zu erwarten?
Soft Power bezeichnet eine Art „weiche“ Macht von Staaten über andere Nationen. Die Ausübung ist dabei sehr diplomatisch und zielt darauf ab, die Werte eines Landes bestmöglich zu repräsentieren. Ein wichtiger Faktor, der die Soft Power eines Landes in den internationalen Beziehungen beeinflusst, ist der Bildungssektor.
Dieser Artikel untersucht den politischen Einfluss auf die Ausbildung von internationalen Studenten in China. Auch die Phasen des Ausbaus des nationalen Bildungssektors werden kurz beleuchtet. Abschließend erfolgt eine Betrachtung, wie die Volksrepublik ihre chinesische Soft Power durch die Austauschstudenten stärkt und welche Herausforderungen dabei in Zukunft aufkommen.
Politischer Einfluss und Ausbau des nationalen Bildungssystems
Die Geschichte von internationalen Studenten in China ist von vielen, insbesondere politischen Faktoren, geprägt. Ein wichtiger Aspekt ist die Entwicklung der diplomatischen Beziehungen zwischen Ländern. Von 1950 bis 1963 kam der Großteil der ausländischen Studenten in China aus verbündeten sozialistischen Ländern. Studierende aus westlichen Ländern wurden strengeren Kontrollen unterzogen: so musste sich jeder Student auf seine politische Überzeugung hin überprüfen lassen. Das änderte sich ab den 1970er Jahren. Von da an wurden viele Studenten aus Nationen zugelassen, die China gegenüber freundlich gesinnt waren. Immer mehr Studierende aus westlichen Ländern wie Deutschland durften nun aufgrund von politischen Kooperationen in der Volksrepublik studieren.
Nach der Reform und Öffnung erfolgte von 1978 bis 2000 zunächst die Phase der Positionierung und Anpassung des Bildungsaustauschs. Darauffolgend stieg die Anzahl der internationalen Studenten von 2001 bis 2016 stetig und die Qualität des Austauschs verbesserte sich. Seit 2016 befindet sich das Reich der Mitte in der Phase der Qualitäts- und Effizienzsteigerung. Besonders national hat China das Bildungssystem stark ausgebaut. Die chinesischen Einrichtungen genießen heute ein höheres Ansehen und locken immer mehr internationale Studenten an. Mittlerweile kommen Studenten aus mehr als 205 Ländern nach China, um dort an über 800 Universitäten zu studieren.
Chinesische Soft Power in Form internationaler Programme
In China zeigt sich die Stärkung von Soft Power durch Bildung sehr deutlich. Die chinesische Regierung strebt an, durch die Aufnahme von ausländischen Studenten langfristig bessere politische Beziehungen aufzubauen. Daher hat Chinas Präsident Xi Jinping schon 2014 wichtige Entscheidungen getroffen, um den Aufenthalt von Austauschstudenten in China attraktiver und einfacher zu gestalten. Es wurden essentielle Ziele gesetzt, unter anderem der Ausbau von Eliteuniversitäten und damit verbundener Programme.
Bei Betrachtung der Einführung internationaler Programme an chinesischen Universitäten stechen zwei besonders heraus, die fast zeitgleich in den Jahren 2015 und 2016 starteten: Das Schwarzman Fellows an der Tsinghua University und die Yenching Academy an der Beijing University. Sie streben nach weltweiter Aufmerksamkeit, in dem sie möglichst viele Austauschstudenten anziehen. Die Programme dienen also als direktes außenpolitisches Instrument der Volksrepublik.
Vermittlung chinesischer Kultur und Hoffnung auf weltweiten Einfluss
Bis zu 10.000 internationale Absolventen sollen in den nächsten Jahrzehnten das Schwarzman-Fellows abschließen. Sie erhalten einen englischen Abschluss in Fächern wie Politik und Wirtschaft. Während des Studiums absolvieren die Studenten Praktika in wichtigen chinesischen Institutionen. Das groß angelegte Programm wird von der chinesischen Regierung finanziert und ist sehr beliebt. Die Yenching Academy hingegen bietet internationalen Studenten ein einjähriges Masterprogramm an. Die Studierenden erhalten eine Ausbildung in chinesischer Kultur und haben die Möglichkeit, aus verschiedenen Hauptfächern wie Literatur und internationalen Beziehungen zu wählen. Auch dieses Programm wird von Chinas Regierung unterstützt.
Der Studienaufenthalt von internationalen Studenten in China ist eine von fünf Kategorien der öffentlichen Diplomatie, die langfristig weltweit zu einem positiven Bild Chinas führen sollen. Die Teilnehmer lernen während ihres Studiums die chinesische Kultur kennen. Anschließend tragen sie die erfahrenen Werte wieder in ihre Heimatländer. Dies geschieht, ohne dass die politischen Absichten der chinesischen Regierung offiziell erkennbar sind. Dabei ergibt sich ein weiterer Vorteil für China. Die internationalen Studenten tragen mit ihren unterschiedlichen Kulturen und Fähigkeiten einen Großteil zur Modernisierung und Internationalisierung von chinesischen Universitäten bei. Dies wirkt sich zum einen positiv auf das Niveau der akademischen Einrichtungen aus, zum anderen werden dadurch immer mehr Studenten aus dem Ausland angezogen.
Chinesische Soft Power und zukünftige Herausforderungen
Es gibt immer noch einen großen qualitativen Unterschied zu westlichen Ländern, was die Ausbildung und Organisation der internationalen Studenten in China angeht. So gibt es in China kein einheitliches System für Studiengebühren und viele Kurse und Programme werden nur auf Chinesisch angeboten. Derzeit ist China außerdem eines der Länder mit der strengsten Einwanderungspolitik auf der Welt, was es erschwert, ein Studentenvisum zu erhalten.
Die Corona-Krise stellt China und alle anderen Länder der Welt vor eine weitere Herausforderung als Zielland für internationale Studenten. Die Volksrepublik spürt bereits jetzt die Verluste, da der Austausch von Studenten in den vergangenen Monaten nicht in dem Maße erfolgen konnte wie zuvor. Außerdem verhält sich die chinesische Regierung in der Pandemie teilweise intransparent der weltweiten Öffentlichkeit gegenüber. Dies führt dazu, dass viele ausländische Studenten in Zukunft aus Unsicherheit vielleicht nicht China als Destination für ihr Studium wählen werden.
Trotzdem wird China auf lange Sicht eine wichtige Rolle bei der Aufnahme von Austauschstudenten spielen. Zu wichtig und einflussreich ist die Volksrepublik, weswegen sie Studenten aus aller Welt anziehen wird. Diese erhoffen sich durch ihren Aufenthalt im Reich der Mitte vielversprechende Zukunftsaussichten und tragen langfristig zu einem positiven Bild Chinas im Ausland bei. Sie werden also auch in Zukunft ein wichtiges Instrument für chinesische Soft Power darstellen.
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