Von ICC-Redakteur Jörn Binczyk
Was sind die Probleme und Schwierigkeiten in Deutschland ansässiger chinesischer Unternehmen? Wie lässt sich die allgemeine geschäftliche Situation dieser Unternehmen beurteilen? Um dies zu erfahren, hat die Chinesische Handelskammer in Deutschland e.V. (CHKD) dieses Jahr erneut eine Umfrage zum Geschäftsklima in Deutschland durchgeführt.
Die Umfrage, bei der im Zeitraum von Juli bis August 2015 ca. 800 Unternehmen, die insgesamt an die 28.000 Personen beschäftigen, mit Investitionstätigkeiten in Deutschland befragt wurden, dient ebenfalls dazu, diesen Unternehmen Hilfestellung bei ihrer Geschäftsentwicklung zu geben. Da es sich bei den Firmen nicht nur um große Konzerne, sondern auch um Mittelständische Unternehmen handelt, versteht sich die Umfrage als repräsentative Darstellung chinesischer Unternehmeraktivitäten in Deutschland.
Verteilung und Schwerpunkte chinesischer Unternehmen
Die Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland verstärkt sich zunehmend und immer mehr chinesische Unternehmen investieren im Rahmen der „Going Global“-Strategie auch in Deutschland. Die CHKD listet derzeit etwa 2000 chinesische Unternehmen auf dem deutschen Markt. Obwohl chinesische Unternehmen in allen Bundesländern ansässig sind, ist die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen und Hamburg angesiedelt (1846).
Auch die Verteilung nach Branchen bzw. Fachbereichen zeigt, dass chinesische Unternehmen vor allem in den Bereichen Handel (27,55%), Maschinenbau (19,39%) und Bergbau/Metallurgie (11,22%) investieren. Dennoch kann man in beinahe jeder Branche auch chinesische Firmen vorfinden, die oft auch branchenübergreifend tätig sind, wie beispielsweise im Personenluftverkehr und der Logistikbranche. Besonders interessant ist die Eigentumsstruktur der Unternehmen. Über 85 Prozent der Unternehmen haben einen Mutterkonzern aus den drei großen chinesischen Wirtschaftsräumen Jangtse-Delta, Perlfluss-Delta und aus der Bohai-Region. Mehr als die Hälfte der Unternehmen stammen außerdem aus den regierungsunmittelbaren Städten Peking, Tianjin, Shanghai. Bei etwas mehr als 55% der Unternehmen handelt es sich um Staatsunternehmen, immerhin rund 40 Prozent sind Privatunternehmen.
Wie sehen chinesische Firmen den Standort Deutschland?
„Sehr zufrieden“ bzw. „zufrieden“ mit dem gesamtwirtschaftlichen Umfeld in Deutschland zeigen sich stolze 90 Prozent der befragten Unternehmen. Immerhin noch 83 Prozent attestierten dies auch ihrem lokalen Standortumfeld. Als Hauptgrund, weshalb man sich für Deutschland als Standort entschieden hat und nicht etwa für Großbritannien, Frankreich oder Polen, werden die „stabilen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland“ genannt. Dicht gefolgt von der „führenden internationalen Position und Stärke der deutschen Wirtschaft“, der „zentralen Lage innerhalb Europas“ und dem „ausgereiften Wirtschafts- und Steuersystem“. Auch für die lokalen Standorte entschieden sich die Unternehmen aufgrund der Faktoren „Dichte relevanter Branchen in der Region“, wie beispielsweise in der Finanzmetropole Frankfurt oder der Hafenstadt Hamburg. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Standortwahl ist das „erfolgreiche Standortmarketing durch die Lokalregierung“. Dabei ist und bleibt der deutsche Markt von großer Bedeutung und ist in mehr als der Hälfte der Fälle Teil der Unternehmensstrategie und wichtiger Bestandteil der zukünftigen Unternehmensentwicklung.
Interkulturelle Herausforderungen für Chinesen in Deutschland
Doch so positiv der deutsche Markt bewertet wird, so mannigfaltig sind auch die Probleme und Herausforderungen, mit denen sich die chinesischen Unternehmen in Deutschland konfrontiert sehen. Aufgrund der durchaus vorhandenen Unterschiede zwischen der Deutschen und der Chinesischen Management- und Businesskultur beklagen rund 46 Prozent der befragten Unternehmen das interkulturelle Management und die interkulturelle Kommunikation und die damit besonders zu Beginn ihrer Tätigkeiten in Deutschland auftretenden Probleme.
Visa, Steuern und Mitarbeitersuche als große Hürden
Ein weiteres großes Problem stellt die Visavergabe dar. Besonders langfristige Arbeitsgenehmigungen und -visa sind aufgrund von langen Bearbeitungszeiten und den strengen Auflagen trotz Bemühungen seitens der Bundesrepublik nach wie vor ein ärgerliches Prozedere. Bemängelt wird auf chinesischer Seite auch die mangelnde Kooperation bei der Familienzusammenführung und die zu hoch angesetzten Anforderungen bei den Deutschkenntnissen. Dadurch wird die Motivation, nach Deutschland zu kommen, insbesondere für chinesische Führungskräfte schwer getrübt. Auch treffen chinesische Unternehmen auf Schwierigkeiten, was die (steuer-)rechtlichen Bestimmungen in Bezug auf Investitionsmöglichkeiten angeht. Die Komplexität der föderalen Gesetze und die Verständlichkeit derselben werden genauso wie die bürokratischen Hürden angeprangert.
Ebenfalls in die Kategorie der „interkulturellen Probleme“ gehören die Schwierigkeiten mit der Anwerbung lokaler Fachkräfte. Die ungewohnte Fluktuation auf dem deutschen Arbeitsmarkt und der mangelnde Zugang zu Arbeitsmarkt-Plattformen erschweren darüber hinaus die Suche nach Fachkräften. Auch der Zugang zu Innovationskooperationen wird – in Ermangelung einer öffentlichen, mehrsprachigen Plattform für Forschung und Entwicklung – erschwert. Hierbei sind die beschränkten Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit deutschen Hochschulen und die lange Anpassungszeit bei der Zusammenarbeit als größte Hindernisse genannt worden. Chinesische Unternehmen wünschen sich eine effektivere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, um das vorhandene F&E-Potential der BRD optimal nutzen zu können. Darüber hinaus sollte die Transparenz der Antragsverfahren verbessert und die strengen Anforderungen bei der Beantragung von Fördermitteln abgebaut werden, um dadurch die Aussicht auf Genehmigung zu erhöhen.
Größtenteils positive Bewertung der Situation in Deutschland
Zusammenfassend werden der deutsche Markt und die wirtschaftliche Entwicklung überwiegend positiv bewertet. 85 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine stabile und positive Entwicklung ihrer Branchen. Trotz der europäischen Schuldenkrise haben zwei Drittel der Unternehmen weder ihre Gewinnerwartungen nach unten korrigiert, noch Investitionen zurückgestellt. Das übrige Drittel hat seine Investitionen sogar noch verstärkt. Diese Zuversicht hängt aber auch maßgeblich davon ab, inwiefern Deutschland bereit ist, die genannten Probleme alsbald abzubauen und sich den chinesischen Partnern gegenüber offener und kooperativer zu zeigen.
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