Von Johannes Hederer
Als Reaktion auf die Folgen der Asienkrise und eine andauernde Schwäche der Binnennachfrage forcierte die chinesische Regierung ab Ende 1998 die Bemühungen um eine Aufnahme in die WTO, in der die Volksrepublik China schließlich Ende 2001 Mitglied wurde. Seitdem nahmen Chinas wirtschaftliche Auslandsaktivitäten erheblich zu – wir geben einen Überblick.
Der WTO-Beitritt bedeutete einen gravierenden Umbruch für die chinesische Außenwirtschaftspolitik: Konnte die chinesische Regierung in den ersten drei Phasen der Öffnungspolitik die Strategie und das Tempo noch weitestgehend selbst bestimmen und somit die außenwirtschaftliche Öffnung räumlich, zeitlich und sektoral „staffeln“, so wurde dieser experimentelle Charakter der Öffnung mit dem WTO-Beitritt beendet (vgl. Fischer 2007, S. 337f). Zeitgleich mit dem WTO-Beitritt passte die chinesische Regierung ihre Außenwirtschaftspolitik an und rief die „Go Out-Politik“ (auf Chinesisch zouchuqu zhanlüe 走出去战略) aus. So hieß es im zehnten Fünfjahresplan (2001 – 2005) des Nationalen Volkskongresses:
„[W]e need to implement a „going outside“ strategy, encouraging enterprises with comparative advantages to make investments abroad, to establish processing operations, to exploit foreign resources with local partners, to contract for international engineering projects, and to increase the export of labor“ (Zhu 2001).
Durch diese Politik wurden Gründungen von chinesischen Unternehmen im Ausland nicht mehr z. B. durch umständliche Genehmigungsverfahren durch die chinesische Regierung behindert, sondern einheimische Unternehmen wurden gezielt ermutigt, im Ausland zu investieren, wenngleich dies genehmigungspflichtig blieb. Mit der Go Out-Politik sollten bis 2010 30 bis 50 sogenannte „National Champions“ hervorgebracht werden, welches 2010 auch erreicht wurde (vgl. Fischer 2007, S. 350 u. Tirpitz et al. 2011, S. 23). Im elften (2006 – 2010) und zwölften Fünfjahresplan (2011 – 2015) wurde u. a. das Konzept der Go Out-Politik weiter ausgebaut und ein Wachstum der Auslandsinvestitionen angestrebt, dessen Fokus auf dem Ausbau der internationalen Vertriebswege und der Verbreitung chinesischer Markenprodukte liegt. Zugleich wurde das Genehmigungsverfahren für Auslandsinvestitionen erleichtert und der Zugang zu Devisen vereinfacht (vgl. Fischer 2012, S. 20f.).
Die chinesische Regierung verbindet mit der Go Out-Politik vorrangig das Ziel, China den Zugang zu natürlichen Ressourcen zu sichern. Ferner besteht auf der Seite der chinesischen Unternehmen Interesse an einer Expansion in ausländische Märkte: Als Push-Faktoren lassen sich hier bspw. die zunehmende Konkurrenz auf dem Heimatmarkt bzw. die Sicherung der Absatzmärkte, die steigenden Löhne der Arbeiter und die Exportdämpfung durch die Aufwertung der chinesischen Währung in Kombination mit der Finanzkrise in den USA und in Europa nennen (vgl. Chen 2013, S. 118f. u. Fischer 2007, S. 350f.). Pull-Faktoren für die chinesischen Unternehmen sind bspw. die Größe und Kaufkraft des Zielmarktes, ein Marktzugang bzw. Kundennähe, Investitionssicherheit und die Erschließung natürlicher Ressourcen und Technologien (vgl. Tirpitz et al. 2011, S. 25f.).
Nach Sohm et al. gibt es Primär-, Sekundär- und Basismotive für die Markteintritte chinesischer Unternehmen in ein westliches Industrieland (in diesem Fall: Deutschland). Das Primärmotiv beruht dabei auf der zukunftsträchtigen Weiterentwicklung: Durch die Erschließung neuer Fähigkeiten und Ressourcen soll so die Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden. Die Erschließung neuer Absatzmärkte inner- und außerhalb Chinas wird als Sekundärmotiv genannt und verfolgt dabei das Ziel, sich durch die Erschließung neuer Absatzmärkte gegen internationale und nationale Konkurrenz durchzusetzen. Das Basismotiv, welches bei allen chinesischen Unternehmen vorhanden, jedoch mal mehr mal weniger stark ausgeprägt ist, ist die Suche nach neuen lukrativen Kapitalanlagemöglichkeiten aufgrund von Staatsfonds und firmeneigener Mittel, die dann wiederum für die Verwirklichung des Primär- bzw. Sekundärmotivs verwendet werden können (vgl. Sohm et al. 2009, S. 136f.).
Der internationale Markteintritt chinesischer Unternehmen kann dabei sowohl durch die Übernahme ausländischer Marken, Produktionstechnologien und Vertriebsnetze (sog. Merger and Acquisitions, M&A-Aktiväten) oder durch den Aufbau einer eigenen Marke und eines Vertriebsnetzes geschehen. Ersteres kann den chinesischen Unternehmen sowohl direkt einen Zugang zum High-End-Marktsegment in China sichern als auch den Vorteil mit sich bringen, die eigenen Produkte über die Vertriebskanäle der Übernahmefirma und deren bekannten Namen zu verkaufen. Letzteres stellt den logischen Folgeschritt eines Unternehmens dar, dessen Produkte nach jahrzehntelanger Nachahmung und OEM-Produktion gereift sind und die Firma so Erfahrungen für den weltweiten Markt – auch außerhalb des Niedrigpreissektors – gesammelt hat, um auch im Ausland eine eigene Marke und ein Vertriebsnetz aufzubauen (vgl. Chen 2013, S. 119ff.).
* Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug der Diplomarbeit des Autors über chinesische Unternehmen in Köln, die in mehreren Artikeln auf dem ICC-Portal teilveröffentlicht wird. Das Literaturverzeichnis versenden wir auf Anfrage.
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