Mit seinen Internet-Giganten wie Tencent und Baidu zählt China längst zu einer der führenden Online-Nationen weltweit. In Sachen Benutzerzahlen hat das Reich der Mitte alle Konkurrenten um Weiten hinter sich gelassen und die Tendenz bleibt weiter steigend. China profitiert hier von der großen Bevölkerung, die noch immer ihr Einkommen steigern kann. Die Anfänge des Internets in China waren hingegen eher beschaulich – und Deutschland hatte einen nicht unerheblichen Anteil.
Das erste öffentliche chinesische Datennetzwerk wurde im Jahr 1986 an der Universität Karlsruhe eingerichtet, ein Jahr später erfolgte die erste Verbindung zwischen Europa und Peking. Die allererste Mail wurde ebenso in diesem Jahr aus China verschickt und hatte als Botschaft folgenden englischen Text: „Across the Great Wall we can reach every corner of the world“ (auf Chinesisch übersetzt etwa „Chaoguo changcheng, tongxiang shijie“ 超过长城,通向世界).
Mit Hilfe aus Karlsruhe zum Status „Land mit Internet“
Im Jahr 1990 wurde die erste .cn-Domain registriert. Gehostet wurde sie wieder in Karlsruhe, da noch keine Internetverbindung in China vorhanden war. Zu dieser Zeit erklärte Professor Qian Tianbai 钱天白 – aus heutiger Sicht trivialerweise -, dass „das Internet in naher Zukunft eine wichtige Rolle im chinesischen Alltagsleben spielen wird.“ Mit diesem Satz wurde Qian in China als Wegbereiter des Internets berühmt, wenngleich ihm eigentlich gar kein so bedeutender Einfluss auf die ganz frühe Entwicklung zuzuordnen ist.
Bis der erste Webserver und die ersten Internetseiten in China installiert wurden, vergingen noch weitere Jahre. Erst in 1994 kam es dazu und das Reich der Mitte erhielt auch offiziell die Bezeichnung „Land mit Internet“. Wichtig für die weitere Entwicklung des chinesischen Internets war die Organisation China Public Computer Internet (CHINANET), die 1995 gegründet wurde und den landesweiten Ausbau der Internetverbindungen vorantrieb. Im Jahr 1997 startete die China Academy of Sciences (CAS) das China Internet Network Information Center (CNNIC) zur Aufsicht der Internetentwicklung. Bis heute gibt diese Einrichtung offizielle Zahlen über die Nutzung des Internets im ganzen Land heraus.
Einstige Copycats aus China heute mit globaler Vorbildfunktion
Mit dem systematischen Ausbau der Netzverbindungen nahmen auch die Internetnutzer sukzessive zu. 1998 wurden 542.000 Computer, 1,2 Millionen Internetnutzer und 3.700 Websites in China gezählt. Im Jahr 2000 waren es bereits 3,5 Millionen Computer, 9 Millionen Internetnutzer und 15.153 Websites. Im Jahr 2014 verfügte China bereits über einen unaufholbaren Vorsprung gegenüber anderen Ländern mit großer Bevölkerung: Mit rund 640 Millionen Internetnutzern hat das Reich der Mitte fast so viele User wie die vier nächstplatzierten Länder USA, Indien, Brasilien und Japan zusammen.
Viele westliche Medien stellten das chinesische Internet erst aufgrund des Erfolges von führenden Anbietern wie Weibo und WeChat vor. Gerade im Bereich Social Media gab es aber schon viel früher unzählige Konkurrenzanbieter, die zu einem großen Teil erst im Laufe der Zeit aus dem Wettkampf ausschieden oder sich in bestimmte Nischen verkrochen. Die Tageszeitung China Daily gehörte zu den ersten Medien Chinas mit einer Internetpräsenz überhaupt. Mit dem Geburtsjahr 1996 startete das Internetunternehmen Sohu.com ebenfalls sehr früh ins Rennen und ist bis heute einflussreich. Die Alibaba Group, die heutzutage mit ihrem Name für Online-Shopping (Taobao / Tmall) in China steht, wurde anno 1997 gegründet. Baidu ist mit dem Gründungsjahr 2000 fast ein Spätzünder, dafür aber nach wie vor die ungeschlagene Nummer 1 der chinesischen Suchmaschinen.
Obwohl das chinesische Internet einst sehr klein und mit ausländischer Unterstützung entstand, ist es heute in vielen Bereichen das Maß der Dinge. Selbst die Online-Pioniere aus den USA schauen mittlerweile mit einer Mischung aus Bewunderung, Neid und Ambitionen nach China. Damit hätte im Jahr 1986 wohl auch an der Universität Karlsruhe niemand gerechnet.
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Volker Müller meint
Technikgeschichte ist ein faszinierender Teilbereich der Geschichtswissenschaften.
Ich erinnere mich noch an einen Artikel aus den 80er Jahren, darin hieß es, Chinesisch sei grundsätzlich ungeeingnet für Verarbeitung auf dem Computer. Damals gab es noch keine graphischen Oberflächen, alleine die Darstellung eines chinesischen Zeichens auf einem PC der ersten Generation war mühsam.
In der zweiten Hälfte der 80er Jahre habe ich meine ersten Programme mit chinesischer interaktiver Benutzeroberfläche mit Hilfe von Assembler unter einem chinesischen DOS programmiert.
So um 1992 erhielt die Universität Chongqing, ihre erste e-mail Adresse, eine Adresse für die ganze Uni. Bald wurde eine eigene e-mail ein Statussymbol wichtiger Professoren.
Es dauerte dann nicht lange, in Shanghai etwa ab 1995, dann löste e-mail FAX in der internationalen Kommunikation ab Und auch chinesischsprachige e-mail wurden bald zur Selbstverständlichkeit.