Von ICC-Redakteur Thomas Schneider
Im Rahmen der Vorbereitung zur laufenden Bundesligasaison 2015/2016 reiste die erste Mannschaft des FC Bayern München für eine Woche nach China. Der Verein nahm dabei die Strapazen einer weiten und anstrengenden Reise in einer wichtigen Phase der Saisonvorbereitung gerne in Kauf. Warum eigentlich? Wieso lohnt sich das Ganze für den deutschen Ligaprimus?
Schon bei der Ankunft der Bayern in Peking am Flughafen wurde deutlich: Irgendetwas muss der Verein aus München richtig gemacht haben. Tausend chinesische Fans empfingen die Spieler und skandierten in ihrem besten Deutsch „Super Bayern, super Bayern, hey hey!“. Auch bei den angesetzten Freundschaftsspielen gegen europäische wie chinesische Vereine waren die Stadien voller feiernder Bayern-Anhänger. Die enorme Popularität des FC Bayern in China ist kein Zufall – und es war nicht immer so. Was die internationale Popularität anbelangt, hatte der Verein lange Zeit großen Nachholbedarf im Vergleich zur europäischen Konkurrenz. Auch die Verteilung der Einnahmen bezogen auf In- und Ausland unterschied sich erheblich von den weiteren europäischen Spitzenclubs. Gerade die Vereine der englischen Premier League erkannten schon früh, dass Asien und insbesondere China ein enormes ökonomisches Potenzial für Fußballvereine besaßen und haben heute einen kaum mehr aufholbaren Vorsprung. So erzielten die Premier League Vereine bereits in der Saison 2007/2008 55 Prozent ihrer Erlöse durch TV-Übertragungsrechte in Asien.
Um die Lücke zu den konkurrierenden Vereinen zu schließen, wurde bei den Bayern im Jahr 2013 das Ressort „Internationalisierung und Strategie“ geschaffen. Konkrete Aufgabe des Ressorts ist es, den Markenaufbau auf definierten Auslandsmärkten gezielt voranzutreiben. Noch 2005 reiste die Mannschaft nach Japan – von einer Reise nach China wurde zu damaligem Zeitpunkt noch bewusst abgesehen. Heute hat sich der Fokus verändert. Jörg Wacker, zuständiger Ressortleiter, erklärte jüngst: „China ist einer unserer Fokusmärkte und spielt eine enorm wichtige Rolle in unserer Internationalisierungsstrategie.“ Dass China für den FC Bayern und viele weitere Top-Vereine, sowohl aus der Bundesliga als auch aus dem Ausland, einen derart lukrativen Markt darstellt hat vielerlei Gründe. Naturgemäß macht bereits die hohe Bevölkerungszahl das Land zu einem potenziell riesigen Absatzmarkt. Hinzu kommt, dass die Chinesen sich stark für Sport und vor allem Fußball begeistern. Bei einer Studie im Jahr 2003 nannten 62 Prozent aller Chinesen Fußball als favorisierte Sportart im Fernsehen. Die Spiele der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika wurden im Schnitt von 17,5 Millionen Chinesen live verfolgt – verglichen mit 8,8 Millionen in Deutschland. Bei der jüngsten Weltmeisterschaft in Brasilien zeigte sich ein ähnliches Bild. Eine wirklich populäre nationale Liga als Konkurrenz existiert in China außerdem nicht. Die nationale Fußballliga wurde erst Anfang der 1990er Jahre gegründet, erfreute sich anfangs enormer Popularität. Diese nahm jedoch im Zuge von etlichen Bestechungsskandalen und Korruptionsfällen rapide ab – weswegen der Großteil der chinesischen Fans heute ausländische Ligen bevorzugt. Durch das in den vergangenen Jahren bereits stark angestiegene Pro-Kopf-Einkommen der Chinesen stehen die Chancen gut, dass sich die Bemühungen einer Internationalisierung nach China für europäische Vereine auszahlen. Durch den Anstieg des Einkommensniveaus wird auch die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen im Land weiter ansteigen. Prognosen sagen sogar voraus, dass die Marktentwicklung im Bereich Fußball überproportional an die allgemeine Einkommensentwicklung gekoppelt ist – sprich, dass die Ausgaben für Fußball stärker steigen als das Einkommen selbst.
Dass sich nun auch der FC Bayern auf dem chinesischen Markt positionieren konnte, verdankt der Verein als globale Marke insbesondere dem international bekannten Trainer Pep Guardiola und den zahlreichen weltbekannten Starspielern. Gerade in China ist die Popularität von einzelnen Spielern oft größer als von den Vereinen selbst. Es wird geschätzt, dass etwa 40 Prozent der chinesischen Fußballfans einem Verein auf Grund von bestimmten Starspielern folgen. So hat der mehrmalige Weltfußballer Lionel Messi auf der populären chinesischen Social-Media-Plattform SinaWeibo alleine mehr Abonnenten als alle dort aktiven spanischen Vereine gemeinsam. Exemplarisch aufgeführt werden kann auch David Beckham, der zu seiner aktiven Zeit als populärster Spieler Asiens galt und für seinen damaligen Verein Real Madrid für Rekordabsatzzahlen bei Trikot- und Merchandisingverkäufen in Asien sorgte und auf diversen Werbeplakaten in China zu sehen war. Dabei profitierte nicht nur Beckhams Verein, sondern selbst Unternehmen aus seiner Heimat Großbritannien verzeichneten steigende Absatzzahlen in Asien. Noch heute, nach seiner aktiven Zeit ist die Begeisterung in China für den Engländer riesig. Als er 2013 die Tongjo Universität in Shanghai besuchte wurde er von rund 1.000 Fans empfangen, es kam zu einer Massenpanik mit Verletzten. Neben international bekannten Stars spielt der Erfolg in internationalen Wettbewerben, wie der UEFA Champions League, eine bedeutende Rolle um die Marke des Fußballvereines in China zu etablieren. Die chinesischen Fans haben keine lokale Bindung zu einem bestimmten Verein und unterstützen häufig mehrere Vereine gleichzeitig. Die internationalen Wettbewerbe sind in den Medien vor Ort sehr präsent und können damit dazu beitragen eine Fan-Basis zu erschaffen und zu erhalten. Wie sportlicher Erfolg in entsprechenden Wettbewerben die Popularität eines Vereines in China positiv beeinflussen kann, so kann es zu gegenläufigen Effekten bei sportlichem Misserfolg kommen. Lange Zeit erzielten die Vereine der deutschen Fußballbundesliga und auch der FC Bayern gerade in der UEFA Champions League keine guten Ergebnisse. In den vergangen fünf Jahren spielten die Münchner jedoch durchgehend eine gute Rolle in der Champions League und konnten diese 2013 gewinnen, wodurch die Popularität des Vereins in China stark angestiegen ist. Auch der Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien durch die deutsche Fußballnationalmannschaft hatte einen positiven Effekt auf den Verein, da viele der prägenden Spieler beim FC Bayern spielten und spielen.
Ebenfalls von großer Bedeutung für europäische Fußballvereine ist die Aktivität auf chinesischen Social-Media-Plattformen. 649 Millionen Internetnutzer bei einer auf die Gesamtbevölkerung bezogenen Internetnutzungsrate von fast 50 Prozent machen das Land zum größten Markt für Social-Media-Konsumenten weltweit. Hier war der FC Bayern in den vergangen Jahren sehr aktiv, mit eigenen Accounts auf SinaWeibo, Youku oder bei WeChat. Alleine auf dem SinaWeibo Account folgen den Bayern rund zwei Millionen Chinesen. 2013 konnte der Verein den von einer in Shanghai ansässigen Unternehmensberatung vergebenen „Red Card Award“ gewinnen, der die Social-Media-Performance von europäischen Fußballvereinen in China misst und bewertet. Erst Anfang dieses Jahres wurde vom FC Bayern als erstem Verein ein offizieller Online-Shop auf der zur Alibaba Group gehörenden B2C-Plattform Tmall Globe eröffnet.
Die Chancen, dass sich die Bemühungen des FC Bayern in China auch ökonomisch auszahlen werden stehen also sehr gut. Inzwischen wird die Anzahl an Bayern-Fans in China auf 90 Millionen geschätzt. Mit dem staatlichen Sportsender CCTV Sports konnte Anfang 2015 bereits ein Vertrag abgeschlossen werden, der den Bayern wöchentlich zwei Stunden Sendezeit zusichert. Ob es auch andere Bundesligisten hoch in die chinesische Marketing-Liga schaffen, bleibt abzuwarten.
Foto: Flickr / Curimedia / Bestimmte Rechte vorbehalten
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