Von ICC-Redakteur Jörn Binczyk
Wie geht es weiter mit der chinesischen Wirtschaft? In diesem Jahr wurde bereits mehrfach Börsenhandel in China ausgesetzt. Dabei handelt es sich um einen neuen Schutzmechanismus, der bei einem Kursrückgang von mehr als sieben Prozent den vorläufigen Handelsabbruch realisiert. Wie viel sagt das über die chinesische Wirtschaft in 2016 aus? Wie in jedem Jahr wagt die ICC-Redaktion eine Wirtschaftsprognose…
Für die chinesische Wirtschaft ging mit 2015 ein vergleichsweise turbulentes Jahr zu Ende. Die zunächst noch optimistischen Ökonomen weltweit korrigierten ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum Chinas nach Kurseinbrüche an den Börsen, der zweifachen Abwertung des Renminbi und schrumpfendem Realwachstum immer weiter nach unten. Zuletzt wurde vom IWF ein Wirtschaftswachstum von 6,8 Prozent erwartet. Damit droht das Wirtschaftswachstum zum ersten Mal seit 1990 unter die magische Grenze von 7 Prozent Zuwachs per Anno zu sinken. Da ist es an der Zeit, einen Blick auf die Aussichten für das Jahr 2016 zu werfen.
Die Zeiten des Turbowachstums scheinen vorbei zu sein. Der tiefgreifende Wandel hinterlässt seine Spuren. Die Konjunktur in China flaute in den vergangenen Jahren merklich ab. Auch im Jahr 2015 wurden die gesetzten Wachstumsziele nicht erreicht. Sogar das erwartete Rekordtief von 7,4% Wachstum wurde noch unterboten. Im neuen Fünf-Jahres-Plan wird von der chinesischen Regierung lediglich ein jährliches Wachstum von 6,5 Prozent als Ziel ausgegeben, für 2017 erwartet die OECD sogar lediglich 6,2 Prozent. Das aber ist für ein Schwellenland wie China zu wenig, um zu den Industrienationen aufzuschließen.
Ein großes Problem besteht auf dem Immobilienmarkt. Die Bauinvestitionen der vergangenen Jahre haben Überkapazitäten erzeugt. Diese werden in der Zukunft zwar nach und nach abgebaut werden, doch fehlt die Kompensation durch gestiegenen Konsum und Zuwachs im Dienstleistungssektor. Auch in anderen Industriezweigen wurden Überkapazitäten erzeugt. Es fehlen aufgrund der schwächelnden Weltwirtschaft trotz sinkender Produktpreise die Abnehmer. Ein weiteres Problem stellt die hohe Verschuldung vieler Unternehmen und Provinzregierungen dar, die durch die erwartete niedrige Inflation und die geschwächte Wirtschaft noch schwieriger zu bedienen sein werden. Damit drohen die Kredite von unrentablen Unternehmen auf Dauer faul zu werden. Auch die Profite der Staatsunternehmen sinken laut OECD auf ein neues Rekordtief. In der Folge wird China wohl auch weniger Güter und Ressourcen importieren. Bereits im November gingen die chinesischen Importe um 20 Prozent zurück. Ein weiterer Dämpfer dürfte der Abzug von ausländischem Kapital aus China darstellen. Das Institute of International Finance (IIF) hat errechnet, dass bereits im Jahr 2015 über 580 Milliarden US-Dollar aus China abgezogen wurden. Die Kapitalflucht dürfte aufgrund der Zinswende in den USA sogar noch verstärkt werden.
Doch es gibt auch positive Aspekte für das Jahr 2016. Die Aufnahme des Renminbi als fünfte Weltreservewährung in die Sonderziehungsrechte des IWF beispielsweise wird China stärker in das Weltfinanzsystem integrieren. Experten erwarten, dass das langfristig eine Wende auf dem Weltmarkt einläutet und das Ende der Dominanz des US-Dollar bedeute. Außerdem dürfte der weiterhin günstige Rohölpreis für weitere Wachstumsimpulse sorgen. Eine weitere Liberalisierung des Finanzmarktes und die angekündigte lockere Geldpolitik sollen das Wachstum 2016 auf Kurs halten. Es ist anzunehmen, dass 2016 weitere weitreichende Reformen und Neuerungen angekündigt werden. So wurden beispielsweise Steuererleichterungen für Exportfirmen in Aussicht gestellt. Ebenso wurde auf der Central Economic Work Conference ein Maßnahmenkatalog vorgestellt, der die chinesische Wirtschaft wieder beflügeln soll.
Doch es wird dauern, bis diese Ergebnisse sichtbar werden. So wird der Weg vom exportorientierten hin zu einem vom Binnenkonsum getragenen Wirtschaftsmodell noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Obwohl diese Umstellung Turbulenzen mit sich bringen kann, dürften die langfristigen Auswirkungen aber für stetiges und nachhaltiges Wachstum sorgen. Wir halten Sie mit unseren China-News auf dem Laufenden.
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