Von Gunnar Henrich
Die chinesische Außenpolitik ist akteurs- und staatszentriert ausgerichtet. Im Mittelpunkt stehen die Beziehungen zu bestimmten Großmächten oder Staatenbunden. Dominiert werden die Beziehungen durch den Primat der unantastbaren Souveränität eines jedes Staates. Die Volksrepublik entwickelte die Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz, nach denen die Internationalen Beziehungen gestaltet werden sollten. Diese werden nachfolgend vorgestellt.
1. Ursprünge der chinesischen Außenpolitik
Das chinesische Kaiserreich kannte bis 1860 keine Außenpolitik im heutigen Sinne und hatte bis 1901 auch kein Außenministerium. Im Gegensatz zu Europa gab es bis ins 19. Jahrhundert für China auf lange Sicht keine technologisch ernst zu nehmende Herausforderung durch andere Mächte. Die chinesische Zivilisation strahlte aus ihrem Zentrum in alle vier Himmelsrichtungen aus. Zwar kam es zu Fremdherrschaften durch die Mongolen und die Mandschuren, doch wurden diese Gruppen im Laufe der Zeit durch die chinesische Kultur vereinnahmt – es kam zur sogenannten Sinisierung.
Erst seit dem Ersten Opiumkrieg von 1840-1842, gab es eine chinesische Diplomatie im westlichen Sinne. Das Zongli Yamen, 1861 als Hauptamt für die Verwaltung auswärtiger Angelegenheiten geschaffen, war für die Territorien an der Peripherie des Reiches und das staatliche Modernisierungsprogramm verantwortlich. Es handelte sich dabei um die erste institutionelle Neuerung in der Pekinger Zentralbürokratie seit 1729. Erst in den Siebzigern des 19. Jahrhunderts entsandte die Dynastie ständige Vertreter ins Ausland und empfing die Gesandten der Großmächte in Anlehnung an europäische Traditionen.
2. Chinas Allianz mit der Sowjetunion
Mao griff den Gedanken der Sowjetunion von 1947 begeistert auf, der jeden dritten Weg zwischen Sozialismus und Imperialismus ablehnte. 1949 begann die neue Phase der chinesisch-sowjetischen Freundschaft in der chinesischen Außenpolitik. China nahm mit allen sozialistischen Staaten, mit Ausnahme Jugoslawiens, diplomatische Beziehungen auf. Mao besuchte zweimal die Sowjetunion. Die Konferenz scheiterte am chinesischen Votum gegen eine Beteiligung der Sowjetunion. Dadurch kam es zu einer spürbaren Entfremdung zwischen der VR China und mehreren afrikanischen Partnern. Auch der sicherheitspolitische Bruch mit der Sowjetunion war besiegelt.
3. Chinas Isolation durch die Kulturrevolution
Während der Großen Proletarischen Kulturrevolution (Wuchan jieji wenhua dageming 无产阶级文化大革命) kam es zu einer Abschottung Chinas gegenüber den meisten Staaten der Welt. Nachdem am 22. August 1967 schließlich Rotgardisten die britische Botschaft angezündet hatten, erkannte die Führung um Mao die Gefahr einer völligen weltpolitischen Isolation durch weitere Exzesse. Ministerpräsident Zhou Enlai übernahm die Amtgeschäfte von Außenminister Chen Yi. Damit wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Öffnung getan.
4. Wirtschaftliche und außenpolitische Öffnung
Im Jahr 1974 stellte der Besuch des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon in Peking den Beginn der Normalisierung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen dar. Ein Jahr später, 1975, starb der Große Vorsitzende Mao. Nach internen Machtkämpfen wurde Deng Xiaoping der neue starke Führer der VR China. Deng hatte die Politik der Öffnung und Reform Chinas aus der Erkenntnis heraus begonnen, dass China vom Ausland würde lernen müssen. Das bewusste Lernen über außenpolitische Handlungs- und Entscheidungsvorgänge gehörte ebenso dazu wie das Lernen über Institutionen und Arbeitsweisen. Die revolutionäre Rhetorik der bisherigen Außenpolitik wurde durch größere Vorsicht bei außenpolitischen Stellungnahmen abgelöst. Nach dem Prinzip des Taoguang yanghui wollte Deng ein China, welches das Weltgeschehen ruhig beobachtet, bescheiden und unauffällig auftritt, aber sich selbst zu verteidigen weiß und nicht untätig bleibt. Seit 1978 wurden junge Chinesen zum Studium ins Ausland geschickt. Die im Dezember 1978 verabschiedete Verfassung sah einen besonderen Status für technische Fachkräfte vor. Deng hatte die wichtige Rolle fortschrittlicher Technologien erkannt.
Unter dem Primat der vier Modernisierungen wurde die Reorganisation vorangetrieben. Die vier Modernisierungen bezogen sich auf Landwirtschaft, Industrie, nationale Verteidigung und wissenschaftlich-technischen Fortschritt. Privatwirtschaftliche Nebenerwerbszweige wurden zunächst nur in der Landwirtschaft zugelassen. An der Südküste wurden vier Wirtschaftssonderzonen gegründet. Dort konnten ausländische Investoren steuerbegünstigt produzieren. Ausländische Direktinvestitionen wurden in großem Stil in der VR China möglich. Eine im Juni 1978 stattfindende Reise Deng Xiaopings durch die USA hatte den Zweck, technologische und wirtschaftliche Erkenntnisse zu sammeln und in der VR China umzusetzen. Peking wurde 1984 Mitglied der Internationalen Atomenergie-Organisation und beteiligte sich überhaupt immer mehr an internationalen Institutionen. Durch die Vorfälle im Juni 1989 begann eine vorübergehende internationale Isolierung Pekings. Kurzfristig zog China sich auf seine traditionellen Einflussgebiete in Ostasien zurück. Peking nahm Beziehungen zu ähnlich isolierten Staaten auf. Dann wurde die Normalisierung der Beziehungen zu Vietnam eingeleitet. Auch zu Südkorea wurden erstmals diplomatische Beziehungen aufgenommen.
Mit dem japanischen Staatsbesuch vom August 1991 begann die VR China sich aus der internationalen Isolierung zu lösen. Umsichtig und vorsichtig baute Peking die Beziehungen zu anderen Staaten wieder aus. In diese Zeit fiel auch der Ausspruch Dengs, China solle sich auf der internationalen Bühne bedeckt halten und niemals die Führungsrolle übernehmen. Seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre kam es zu einer wachsenden ökonomischen Interdependenz der VR mit der restlichen Welt. Strategische Partnerschaften stellten nach dem Verständnis der VR China temporäre und sektoral begrenzte Zweckbündnisse dar. Dabei blieb die eigene Souveränität und territoriale Integrität Chinas gewahrt. So kam es zu einer vertieften Partnerschaft mit Russland. Der eigene Aufstieg sollte gerade in den Augen der asiatischen Nachbarn regional verträglich erscheinen. Die VR China erschien in den neunziger Jahren als virtuelle Großmacht, der die wirtschaftlichen und militärischen Möglichkeiten fehlten, ihre Interessen weltweit durchzusetzen.
Der Autor Gunnar Henrich ist den ICC-Lesern durch seine Reisetagebücher ein Begriff. In seiner Masterarbeit, die hier teilweise veröffentlicht wird, hat er sich mit Chinas Außenpolitik und Soft Power-Bemühungen befasst.
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