Im Jahr 2013 verabschiedete Chinas Staatspräsident Xi Jinping die „One Belt, One Road“ (一帶一路)-Initiative mit dem Ziel, China mit den Staaten des eurasischen und afrikanischen Kontinents infrastrukturell zu vernetzen um wirtschaftliche, politische und kulturelle Verbindungen aufleben zu lassen. Dabei sollen Landrouten zu einem ganzheitlichen Wirtschaftsgürtel ausgebaut und durch maritime Handelswege von China, über Ägypten bis nach Europa ergänzt werden. Die Seidenstraße aus der Han-Zeit soll so zu neuem Leben erweckt werden. Im Zusammenhang mit dem Projekt der „Neuen Seidenstraße“ wird häufig von einer Schicksalsgemeinschaft unter den beteiligten Ländern gesprochen. Doch welches Schicksal wird überhaupt geteilt und welche Chancen und Risiken birgt eine Initiative, die 64 Staaten in ein großes Netzwerk einbinden möchte?
Schwache Weltwirtschaft und Bedarf an Investitionen
Die Weltwirtschaft schwächelt, das ist nun hinlänglich bekannt. Viele Regionen, darunter auch die EU und China, versuchen das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln und sehen die Lösung hierfür in einem gemeinschaftlichen Kraftakt. China kämpft mit eigenen Überkapazitäten in der Stahlindustrie und die Zahlen für Investitionen in Europa sind seit der Finanzkrise stagnierend bis rückläufig. Neue Wirtschaftsimpulse und Wohlstand sollen daher durch Investitionen angeregt werden. Diesen Ansatz haben sowohl die EU mit ihrer Investitionsoffensive also auch China mit seinem aktuellen 5-Jahres-Plan und der „One Belt, One Road“-Politik gemein. Da sowohl China als auch Europa ausländischen Investitionen offen gegenüber stehen, und sich beide Parteien davon höhere wirtschaftliche Wachstumsraten versprechen, wurde Ende letzten Jahres neben einer gemeinsamen Arbeitsgruppe auch eine so genannte Konnektivitätsplattform EU-China gegründet, um die Zusammenarbeit zwischen der EU und China in allen Fragen, die Investitionen betreffen, zu verbessern. China ist das erste Nicht-EU-Land, das seinen Beitrag zu der Offensive ankündigt.
Welche Chancen bietet die „Neue Seidenstraße“ für China und die beteiligten Länder?
China verfolgt mit der Seidenstraßen-Initiative im Wesentlichen drei Ziele:
- Wirtschaftliche Diversifizierung: Die Länder entlang der Seidenstraße sollen nicht nur besser vernetzt werden, sondern ebenfalls potentielle Märkte für China darstellen und vice versa. Überkapazitäten in chinesischen Stahlindustrien müssen abgebaut werden und die Erschließung neuer Märkte gefolgt vom Bau mehrerer Transport- und Schienennetze stellen dabei ein wichtiges Hilfsmittel dar. Vor allem die zentralasiatischen Anrainerstaaten könnten von dem gesteigerten Handelsvolumen profitieren und somit besser in die Weltwirtschaft eingebunden werden.
- Politische Stabilität: In den angrenzenden Regionen und den derzeit von Unruhen betroffenen Ländern Süd- und Zentralasiens erhofft sich China mithilfe von wirtschaftlicher Zusammenarbeit mehr Wohlstand und Zufriedenheit zu generieren und so politische Stabilität zu fördern.
- Aufbau einer multipolaren Weltordnung: Durch die infrastrukturelle und wirtschaftliche Vernetzung soll ein neues System internationaler Beziehung entstehen, bei dem alle betroffenen Ländern aktiv beteiligt werden sollen. Es ist ein inklusiver Prozess, der jedem eine „Win-Win“ Situation versprechen will.
Maßnahmen und Projekte zum Ausbau der Seidenstraße
Mit Gründung der AIIB (Asian Infrastructure Investment Bank) und den Seidenstraßen Fonds sind wichtige finanzielle Instrumente für das Verwirklichen der Seidenstraßen Initiative enstanden. Seit der Gründung wurden bereits Wirtschaftskorridore zwischen China und Pakistan sowie zwischen Bangladesch, China, Indien und Myanmar errichtet, die besseren Zugang zu Märkten und wirtschaftliche Wachstumschancen versprechen. Weiter geplant sind ebenfalls die Korridore China-Mongolei-Russland, China-Zentral- und Westasien, China-Indochina-Halbinsel und eine Eurasische Landbrücke. Vor allem die zentralasiatischen Anrainerstaaten könnten von dem gesteigerten Handelsvolumen profitieren und somit besser in die Weltwirtschaft eingebunden werden.
Herausforderungen für den Erfolg der Initiative
So vielversprechend die Pläne einer multipolaren Weltordnung klingen mögen, so komplex ist ihre Umsetzung in der Wirklichkeit. Politische Spannungen, die durch den Ukraine-Konflikt zwischen Russland und Europa entstanden sind, werfendem chinesisch-russisch-europäischen Gemeinschaftsprojekt erhebliche Steine in den Weg. Auch die instabile Lage im Nahen Osten macht ein wirtschaftliches Großprojekt mit China derzeit unmöglich. Zu bedenken sind ebenfalls die wirtschaftlichen und politischen Risiken der betroffenen Staaten, die infrastrukturell durchdrungen werden sollen. Im Falle Pakistans muss die Regierung tausende Soldaten zum Schutz der chinesischen Arbeiter bereitstellen. Die sicherheitspolitischen Maßnahmen und damit verbundenen Kosten erschweren die schnelle Umsetzung der Initiative und bleiben daher ein unkalkulierbarer Risikofaktor. Neben außenpolitischen Erschwernissen kann insbesondere eine systemimmanente Schwachstelle über den Erfolg der Initiative entscheiden: die fehlende Kommunikationsplattform, die alle betroffenen Staaten an einen Tisch bringt. Bislang operiert China durch einzelne Projekte und Mechanismen, die zwar alle unter den Mantel der „Seitenstraßen-Initiative“ fallen, aber keine kommunikative Vernetzung zwischen allen gleichberechtigten Staaten verspricht. Mit der Frage nach internationaler Unterstützung und dem Ausgang von globalpolitischen Auseinandersetzungen steht und fällt also das Großprojekt einer multipolaren Weltordnung.
Die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB): ein Überblick
Standort Xinjiang: Chancen und Herausforderungen einer vergessenen Region
Standort Xinjiang (2): Regionale Auswirkungen der „Neuen Seidenstraße“
Konferenzrückblick: Neue Seidenstraße, Provinz Qinghai und Deutschland
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