Erfahrungsbericht von Eugen Bilze, CCS China Ltd., März – August 2013.
Im Januar 2013 war ich auf der Suche nach einem Praktikum, um vor Abschluss meines Studiums Berufserfahrung zu sammeln. Über XING stieß ich auf eine Anzeige des Schweizer Unternehmens CCS Holding Ltd., welches in Zhongshan einen Standort besitzt und für diesen einen Praktikanten im IT Bereich suchte.
Die Rückmeldung auf meine Bewerbung kam am folgenden Tag, das Bewerbungsgespräch folgte weitere zwei Tage später und die Zusage bekam ich zehn Tage nach Absenden meiner Bewerbung. Doch erst drei Tage vor Abflug wurde mir wirklich klar, dass ich das nächste halbe Jahr in China verbringen würde.
Peking? Shanghai? – Zhongshan?!
„Nach China? In welche Stadt? Peking, Shanghai oder Hongkong?“ Dies war die häufigste Frage, die mir gestellt wurde. Zhongshan kannte verständlicherweise niemand. Auch ich musste zunächst auf der Landkarte suchen. „Ich habe im Fernsehen gesehen, dass …“, „Ich habe im Internet gelesen, dass …“. Jeder wurde auf einmal zum China-Experten. Dabei habe ich allerdings auch gemerkt, dass ich selbst bisher kaum etwas über China wusste.
In China angekommen, hat es zunächst ein paar Wochen gedauert, mit der neuen Umgebung klarzukommen. Tagsüber ist alles voller Menschen, nachts voller bunter Lichter. Ich verstehe niemanden und niemand versteht mich. In Deutschland ist es Tag und in China schon Nacht. Im ersten Monat bin ich jede zweite Nacht von Freunden oder Verwandten aus Deutschland geweckt worden. Nachdem der Jetlag überwunden, die Umgebung bekannt und die Verwandtschaft gebeten wurde, nach 18 Uhr MEZ doch bitte keine Nachrichten mehr zu schicken, hatte ich mich an den chinesischen Alltag gewöhnt.
Zwischen Zhongshan, der Schweiz und Sri Lanka
Das Praktikum war als Mitarbeit in einem Projekt festgelegt, sodass ich sechs Monate nach Projektstart eingestiegen bin. Es ging um die Implementierung eines neuen ERP-Systems, INFOR Syteline 8.03. Zu meinen Aufgaben zählte die tägliche Arbeit mit Microsoft Office-Anwendungen, die Vorbereitung und Durchführung von Mitarbeitertrainings, dass Programmieren in Microsoft SQL und VB.Net sowie die Datenmigration vom alten ins neue ERP System.
Das Projektteam bestand im Kern aus unserem Projektleiter, unserem IT-Manager und mir. In das Projekt involviert waren außerdem die jeweiligen Abteilungsleiter, das Headquarter in der Schweiz sowie der Standort in Sri Lanka, der dasselbe ERP System bereits implementiert hat. Die Telefonkonferenzen zwischen den Standorten Sri Lanka, Schweiz und China hatten für meine Englischkenntnisse einen großen Lerneffekt, weil dabei vor allem die unterschiedlichen Aussprachen, kombiniert mit themenspezifischem Vokabular eine Herausforderung darstellten.
Zwei Arten von Englisch in China
In den Wochen nach Ankunft in China wurde mir schnell klar, dass mich Englisch in Zhongshan, anders als in den Großstädten, im täglichen Leben nicht weiterbringt. In Verwaltungsgebiet Zhongshan leben drei Millionen Menschen, 5.000 davon sind Ausländer. In meinem Stadtteil Zhangjiabian war ich von 110.000 Menschen anfangs der einzige Ausländer. „Hello“ war meist das einzige englische Wort, welches der Großteil der Bevölkerung kannte. Dank der Hilfe meiner Kollegen konnte ich mir zum Glück schnell einen chinesischen Wortschatz aufbauen, der mir half im Alltag zurechtzukommen.
Während der Arbeitszeit war Englisch die Verständigungssprache. Allerdings gab es hierbei zwei Arten von Englisch, die ich beide anwenden und zwischen beiden hin- und herwechseln musste. Mit ausländischen Mitarbeitern und Chinesen, die sprachlich sehr gut ausgebildet waren, wurde fließend Englisch gesprochen. Allerdings gab es auch einen großen Teil an Mitarbeitern, deren Englischkenntnisse sehr mager waren. Daher musste ich mich, um verständlich kommunizieren zu können, dem Sprachniveau anpassen, sodass dann mitunter Konversationen entstanden sind, die jeden meiner früheren Englischlehrer zur Verzweiflung getrieben hätten.
Mitten im Perlflussdelta – alles gut erreichbar
Das Beste an Zhongshan war die Lage im Südosten Chinas. Ob Guangzhou mit dem Zug, Macau mit dem Bus oder Hongkong mit der Fähre. Jeder dieser Orte war in weniger als zwei Stunden erreichbar. Es war wie eine Gratwanderung zwischen verschiedenen Kulturen. Hongkong, auf der einen Seite noch immer britisch, auf der anderen Seite chinesisch. Macau, welches zwischen gigantischen Casinos die portugiesische Architektur in sich trägt. Guangzhou, in dem es einem vorkommt, als ob Wolkenkratzer im Wochentakt entstehen.
Trotz all dieser Sehenswürdigkeiten bestand die beste Möglichkeit, China zu erleben, darin, einfach vor die Tür zu gehen, um den Alltag zu sehen. Der Frisör, der vor lauter Freude über seinen ersten ausländischen Kunden ein Foto mit mir machen lässt und es in seinen Laden hängt, Studenten, die sich im Restaurant zu mir an den Tisch setzen, um ihre Englischkenntnisse zu testen und natürlich die zahlreichen Chinesen, die einen überall ansprechen, um ein Foto mit ihnen zu schießen. Diese Erlebnisse sind es, die mir aus China in Erinnerung bleiben.
Ich bin froh, dass CCS mir die Möglichkeit gegeben hat, China zu erleben und ein so schönes und abwechslungsreiches Land kennen und lieben zu lernen. Beim Rückflug nach Deutschland ging mir ein Satz aus meiner Kindheit durch den Kopf, der meine Einstellung zu China am besten beschreibt: „Heute ist nicht alle Tage – ich komm wieder, keine Frage.“
laurathrock meint
wenn ich mir die berichte hier anschaue dann sollte man echt besser nicht in die megastädte wie peking und shanghai? wenn man gezwungen ist chinesisch zu lernen hat man doch am ende viel mehr von einerstadt wie zhongshan!