Typische arbeitsrechtliche Fragestellungen werden in der Stadt Shanghai und in der Provinz Jiangsu teilweise ganz unterschiedlich gelöst – dies steht exemplarisch für die Bedeutung lokaler Besonderheiten im chinesischen Arbeitsrecht. In dieser Folge der ICC-Reihe geht es um Arbeitsverträge und Schriftform.
Folge 2: Arbeitsverträge und Schriftform
Schon im chinesischen Arbeitsgesetz von 1995 war vorgesehen, dass Arbeitsverträge schriftlich abgeschlossen werden müssen. Doch erst das Arbeitsvertragsgesetz von 2008 belegt den Mangel der Schriftform tatsächlich mit Konsequenzen.
Wird nicht innerhalb eines Monats nach Arbeitsaufnahme ein schriftlicher Vertrag geschlossen, muss der Arbeitgeber Schadenersatz in doppelter Höhe des vereinbarten Gehalts zahlen. Wird die Schriftform nicht innerhalb eines Jahres nachgeholt, gilt das Arbeitsverhältnis sogar als unbefristet; bis zum Abschluss eines schriftlichen unbefristeten Vertrags ist der Arbeitgeber zudem weiter zur Zahlung des doppelten Gehalts verpflichtet.
In Shanghai gelten die Konsequenzen in abgemilderter Form. Nach der Richtlinie, die das Obere Volksgericht am 3. März 2009 herausgegeben hat, soll nach den Umständen des Einzelfalls abgewogen werden, ob der Schadensersatzanspruch in Höhe des doppelten Gehalts tatsächlich angemessen ist. Hierbei soll es insbesondere darauf ankommen, ob den Arbeitgeber ein Verschulden trifft.
In Jiangsu hat der Arbeitgeber den Mangel der Schriftform grundsätzlich zu vertreten. Zudem sind zwei Besonderheiten zu beachten:
Zum einen sollen die genannten Konsequenzen in Jiangsu auch für jede Vertragsverlängerung gelten: Wird ein befristeter Vertrag nach Ablauf stillschweigend fortgeführt, drohen dem Arbeitgeber in Jiangsu dieselben Folgen wie bei einem von Anfang an nur mündlich abgeschlossenen Vertrag: Der Arbeitnehmer kann bis zum Angebot eines schriftlichen Vertrags das doppelte Gehalt verlangen. Nach Ablauf eines Jahres wird zudem ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angenommen.
Die zweite Besonderheit der Provinz Jiangsu bestimmt eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis. Ein mündlicher Vertrag soll bei solchen Mitarbeitern genügen, die – wie beispielsweise ein General Manager – gesellschaftsrechtlich ernannt wurden, sofern die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters klar sind.
China: Ergänzend sei erwähnt, dass der Oberste Volksgerichtshof in seiner Interpretation IV zur Anwendung des Rechts in Arbeitsstreitigkeiten vom 18.01.2013 für ganz China verbindlich erklärt hat, dass zumindest hinsichtlich einzelner Vertragsbedingungen eine mündliche Änderung möglich ist und wirksam wird, nachdem sie einen Monat gelebt wurde.
Über die Autorin
Julia Tänzler-Motzek arbeitet seit 2004 als Rechtsanwältin und ist seit 2005 für CMS, China tätig. Sie berät Mandanten zu allen rechtlichen Aspekten bei Entsendungen nach China und im chinesischen Arbeitsrecht. Nachdem sie zunächst vor Ort in Shanghai tätig war, ist Frau Tänzler-Motzek seit 2007 im Kölner CMS-Büro erreichbar.
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