Von ICC-Redakteur Christoph Yew
Ein Aspekt der relativ schnell auffällt, wenn es um die Akzeptanz von neuer Technologie in China geht, ist die ungeheure Popularität von Smartphones unter Chinesen. Zwar lag die Smartphone Penetration Rate 2014 in China bei 48.1% und in Deutschland bei 56%, allerdings ergibt eine genauere Betrachtung nach Regionen und Alter schon ein anderes Bild.
Bei der Gruppe der 16-59-Jährigen lag die Rate in China bei 62% (2014), in Tier-1 Städten bei 94% und in Tier-2 Städten bei 75-88%. Grund hierfür ist, dass für die meisten Menschen das Smartphone das Hauptgerät ist, um ins Internet zu gelangen. Aufgrund der extrem hohen Geschwindigkeit, mit der Chinesen neue Technologien bereitwillig aufnehmen, wurde der Computer als Hauptzugang zum Internet einfach übersprungen. Für viele Chinesen ist das Smartphone das erste Gerät überhaupt, mit dem sie ins Internet gelangen.
Apps in China für alles
Hinzu kommt die hohe Anzahl an Apps und Spielen, die für den hiesigen Markt entwickelt werden. Alles, was mit Geld zu tun hat, kann beispielsweise extrem komfortabel über das Smartphone erledigt werden. Beispielhaft seien hier Bezahlung von Stromrechnungen, Buchen von Tickets, Handel von Aktien, Aufteilen der Rechnung nach einem Abendessen mit Freunden oder das Verteilen von Hongbaos 红包 (kleine rote Kuverts, die mit Geld gefüllt sind) genannt. Man kann durchaus sagen, dass China in dieser Hinsicht Deutschland überholt hat, zumal keineswegs eine Vielzahl von Apps benötigt wird. Programme wie Alipay 支付宝 und Wechat 微信 bieten einen Großteil dieser Funktionen in einem Paket an. Grund hierbei ist sicherlich auch, dass Deutsche neuen Technologien wesentlich skeptischer gegenüberstehen.
Soziale Apps in China
In den vergangenen Jahren hat sich extrem viel getan, was soziale Online-Netzwerke in China angeht. Die Facebook-Kopie Renren Wang 人人网 (ehemals Xiaonei Wang 校内网) ist nach ihrem Hype fast wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Mikroblogs wie Weibo 微博 oder Tianya 天涯 verlieren ebenso allmählich an Popularität. Stattdessen hat das Angebot sich an die zunehmende Popularität von Smartphones angepasst. Vorreiter ist hierbei Wechat, das neben den oben genannten Finanz-Funktionen auch das Verschicken von Nachrichten an Freunde, das Teilen von Bildern, Artikeln und Videos im eigenen Netzwerk und das Finden von neuen Freunden in der Umgebung anbietet. Interessant zu wissen ist hierbei, dass die Produkte Weibo, QQ und Wechat alle aus dem Hause Tencent stammen. Als ähnliche Programme seien weiterhin noch Momo 陌陌 und Tantan 探探 genannt. Bei diesen steht jedoch alleine das Finden von neuen Freunden bzw. von One-Night-Stands im Vordergrund. Tantan funktioniert dabei ähnlich wie Tinder.
Smartphones im realen Leben
In Deutschland hat es oft einen negativen Beigeschmack, wenn man einen Freund als jemanden vorstellt, den man im Internet kennengelernt hat. In China ist ein solcher Wangyou 网友 (Internet-Freund) jedoch nichts Ungewöhnliches. Junge Chinesen überprüfen systematisch die nähere Umgebung nach anderen Leuten mit gleichen Interessen. Verwendet man in China öffentliche Verkehrsmittel oder geht in ein Restaurant, so stellt man relativ schnell fest, dass ein Großteil der Menschen sehr ausgiebig mit ihrem Smartphone beschäftigt ist, auch wenn sie in Gruppen unterwegs sind. Es gilt in China nur bedingt als unhöflich, wenn jemand während eines Gesprächs ein Smartphone herausholt, um mit Freunden zu chatten.
Für Ausländer befremdliche Szenen mit Smartphones in China:
- Ein Pärchen verabredet sich in einem Cafe. Während des Treffens werden keine fünf Sätze gewechselt, stattdessen schicken beide ihren Freunden kontinuierlich Nachrichten über Wechat oder schauen sich Serien an.
- Bei einem Abendessen holt jeder sein Smartphone heraus, sobald das Essen auf dem Tisch steht, um ein Foto zu machen und um dieses sofort in seinem Freundeskreis zu teilen.
- Autofahrer schicken Nachrichten, während Passanten mehr oder weniger elegant bei Tempo 50 umkurvt werden.
Sollten Sie also nach China gehen und den Kontakt zu den Locals suchen, so laden Sie sich bereits jetzt am besten schon mal Wechat herunter. Bereiten Sie sich auch darauf vor, mehr auf das Smartphone zu starren, als Sie es bisher gewohnt sind. Alles andere würde deutlich zeigen, dass Sie noch nicht richtig im Reich der Mitte angekommen sind.
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