Chinesische Investoren kaufen mehr und mehr deutsche Firmen. Mitunter bedeutet dieser Schritt die Rettung, wenn ein Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten ist. Doch längst werden auch wirtschaftlich gesunde Firmen von chinesischer Seite übernommen und ausgebaut. Mittlerweile gibt es viele Beispiele dafür, dass eine solche Übernahme gut gelingen kann und die deutschen Unternehmen mit chinesischem Besitzer erfolgreich weitergeführt werden. Nichtsdestotrotz entstehen zahlreiche kommunikative und gerade interkulturelle Herausforderungen, die für beide Seiten der Kooperation zur Belastung werden können.
China investiert in Deutschland so umfänglich wie sonst nirgends in Europa. Immer wichtiger werden die sogenannten Hidden Champions aus Deutschland – also Nischenhersteller, die vor allem in ihren Branchen bekannt sind, jedoch mit ihren Produkten zur Weltspitze gehören. Gefördert werden die chinesischen Geschäftsaktivitäten von der Regierung in Peking. Sie hat die Genehmigungsprozesse bei Auslandsinvestitionen deutlich vereinfacht und somit schnelle Entscheidungen bei den Bieterprozessen ermöglicht. Die chinesische Regierung möchte künftig auch Investitionen von Staatsunternehmen im Ausland erleichtern, ohne sich ins operative Geschäft einzumischen.
Vorbereitung chinesischer Unternehmen vor der Übernahme in Deutschland
In manchen Fällen kooperieren die chinesischen Unternehmen schon länger mit den deutschen Firmen, die sie aufkaufen. Hier ist idealerweise ein gewisses Vertrauensverhältnis vorhanden, was indes in manchen Fällen durch die Verhandlungen auf eine harte Probe gestellt wird. Einige chinesische Großunternehmen, die europäische Unternehmen übernehmen, verfügen zudem bereits über jahrzehntelange Erfahrungen in der internationalen Wirtschaft. Zugleich kommt es weiterhin vor, dass die Investoren aus China nicht so gut auf die deutschen Verhältnisse eingestellt sind, wie dies zu erwarten wäre. Zwar haben sie – beispielsweise durch die Beauftragung einer großen Beratungsfirma – keine Schwierigkeiten mit organisatorischen, rechtlichen oder steuerlichen Fragen. Doch insbesondere im Bereich der Kommunikation und der Führung entstehen durch kulturelle Unterschiede häufig Missverständnisse und Konflikte. Erfahrungsgemäß setzen chinesischen Investoren bis heute keine Prioritäten, um für diese Herausforderungen im Ausland gewappnet zu sein.
Größte Herausforderungen nach Übernahmen: Sprache, Kommunikation und Management
Zum einen ist schlichtweg der sprachliche Faktor zu nennen. Zwar ist die englische Sprache zunehmend als Unternehmenssprache möglich, doch gerade die ältere Generation von Geschäftsleuten aus China bevorzugt die Arbeit mit Dolmetschern oder hält sich bei englischsprachigen Meetings oder Verhandlungen lieber im Hintergrund. Selbst wenn auf Englisch kommuniziert wird, bedeutet dies nicht, dass man auch kulturell dieselbe Sprache spricht. Meinungsverschiedenheiten aufgrund von sprachlichen Nuancen oder schlichtweg Verständnisproblemen sind nach wie vor die größte Barriere bei deutsch-chinesischen Kooperationen. Sie stellen ebenso bei der Rekrutierung, Ausbildung und Führung von Mitarbeitern eine große Herausforderung dar. Hinzu kommen grundlegend andere Hierarchiebegriffe in Deutschland und China. In großen chinesischen Firmen sind die Respektsverhältnis oft weitaus ausgeprägter und werden mit klaren Hierarchien sowie festen Ritualen manifestiert. Wer in China sozialisiert wurde, hat damit weniger Probleme, für Ausländer sind diese Strukturen wenigstens zu Beginn kaum zu verstehen.
Herausforderung Alltag: Unterschiede in der Arbeitsweise und im Sozialverhalten
„Chaotisch, planlos, unkoordiniert“ – so beschreiben deutsche Angestellte nicht selten die Arbeitsabläufe der chinesischen Vorgesetzten und Kollegen. „Nur Dienst nach Vorschrift und immer pünktlich Feierabend“ heißt es dann kritisch von der chinesischen über die deutsche Seite. Hier liegen schlichtweg andere Arbeitskulturen vor. In China sind lange Arbeitstage üblicher als in Deutschland, doch werden dabei natürlicherweise andere Pausen- oder Leerlaufzeiten eingebaut. In Deutschland hingegen ist die Trennung zwischen Privat- und Arbeitsleben – auch beim Feierabendmachen – so deutlich, dass dies für Chinesen befremdlich wirkt. Hier gilt es, eine tolerante Balance zu finden und eine Atmosphäre zu schaffen, in der Angehörige der verschiedenen Kulturen gut für sich und gut miteinander arbeiten können. Besonders spannend ist dabei ebenfalls das auseinandergehende Gruppenverhalten. Unter Chinesen ist es weitaus gängiger, in Gruppen zu agieren, zu arbeiten und eben zu pausieren. Gemütlich wird gemeinsam gegessen und geplaudert, was von manchen Deutschen nur als „lautes Schmatzen und ständiges Aufeinanderhocken“ abgetan wird. Nach Dienstschluss und am Wochenende unternehmen chinesische Kollegen darüber hinaus gerne etwas zusammen, während die Deutschen sich längst in das für sie unantastbare Privatleben verabschiedet haben. Letztlich ist auch hier die unterschiedliche Sozialisierung der Grund für das fast entgegengesetzte Verhalten. Ein Verständnis dafür sowie der Versuch, sich auf die anderen Modelle einmal einzulassen, ist der einzige Weg, um nicht in Kulturmotzerei oder Abschottung zu verfallen.
Überwindung von Länderklischees und Förderung des interkulturellen Verständnisses
Wenn durch eine Übernahme neue Führungs- und Mitarbeiterkonstellationen entstehen, dann ist es wichtig, frühzeitig für Kommunikations- und Kulturunterschiede zu sensibilisieren. Ebenso wichtig ist es, zum Beispiel mit Unterstützung interkultureller Experten, zu klären, dass nicht alles auf die Kultur zurückzuführen oder gar damit zu rechtfertigen ist. Generell sollte man keinesfalls so lange warten, bis im Unternehmen nur noch gegenseitig die Schuld „den Deutschen“ oder „den Chinesen“ zugeschoben wird. Denn die gibt es sowieso nicht. Kulturelles Unwissen und natürliche Vorurteile sollten nicht ausgelebt, aber auch nicht tabuisiert werden. Unsicherheiten beim ersten intensiveren Kontakt mit einer so fernen Kultur wie beispielsweise der chinesischen sind absolut verständlich. Falls von der chinesischen Geschäftsleitung die Mittel für eine interkulturelle Schulung oder ein Teambuilding-Seminar eingeholt werden müssen, sollte dies bereits mit kulturellem Fingerspitzengefühl geschehen. Wer von der heimischen, in diesem Fall chinesischen Kultur eher indirekte Kommunikation gewohnt ist, wird leichter geneigt sein, Maßnahmen freizugeben, die „unsere Zusammenarbeit weiter verbessern“. Hingegen hört ein chinesischer Vorgesetzter nur ungerne, dass Abhilfe geschaffen werden muss, weil „die Stimmung schlecht ist und die Kommunikation nicht läuft“. Letztere Ausdrucksweise kennt man eher von der direkteren deutschen Seite. Für chinesische Ohren klingt eine solche Aussage jedoch fast so, als wäre jetzt ohnehin alles schon zu spät.
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