Von ICC-Redakteur Malte Steffenhagen
In den letzten Jahren ist die Anzahl an sogenannten M&A-Deals (Mergers & Acquisitions) zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen deutlich gestiegen. Muss man sich hierzulande deshalb Sorgen machen?
Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young ergab, dass alleine im Jahr 2013 insgesamt 25 Übernahmen durch chinesische Investoren auf dem deutschen Markt stattgefunden haben. Auch im ersten Halbjahr 2014 standen Europa und Nordamerika für chinesische Investoren ganz hoch im Kurs. Müssen wir uns jetzt darum sorgen, dass uns ein kompletter Ausverkauf deutscher Firmen an chinesische Investoren bevorsteht?
Mittelständler im Fokus chinesischer Käufer
Der größte M&A-Deal im ersten Halbjahr 2014 war der Kauf des Automobilzustlellers Hilite durch AVIC International (Aviation Industry Corporation of China; chinesisch: 中国航空工业集团公司) für 643 Millionen US-Dollar. Auch während der Finanzkrise hat sich die Zahl der M&A-Deals seit 2007 verfünffacht. In den Medien blieben Ereignisse dieser Art jedoch größtenteils unbemerkt. Meist handelt es sich nämlich um die Übernahme von mittelständischen Unternehmen, die nur auf regionaler Ebene bekannt sind, und wiederum von zumeist privat geführten chinesischen Unternehmen aufgekauft werden. „Vor allem Mittelständler stehen im Fokus“, erklärt Wang Wei, Direktor bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, „Mittelfristig werden jedoch auch die großen Unternehmen für Chinesen attraktiv.“ Chinesische Staatsbetriebe halten sich derzeit allerding noch zurück.
Chinesische Regierung fördert, bleibt aber passiv
Das wirtschaftliche Interesse der chinesischen Regierung zeigt sich darin, dass in der letzten Zeit die Genehmigungsprozesse bei Auslandsinvestitionen deutlich vereinfacht und somit beschleunigt worden sind. Brauchte man früher noch etwa 100 Stempel für eine einzelne Genehmigung, so sind es heute nur noch etwa 15. Zudem hat sich das chinesische Geschäftsgebaren dem westlichen angepasst. So sind heute schnelle Entscheidungen bei den Bieterprozessen die Regel, während früher ein langwieriger Entscheidungsprozess üblich war. Durch Reformen möchte die chinesische Regierung zukünftig auch Staatsunternehmen die Investition im Ausland vereinfachen, zieht sich allerdings selbst aus dem operativen Geschäft dieser Unternehmen zurück. Somit ist in Zukunft mit einem Investitionsschub auch dieser Großunternehmen zu rechnen.
Panikmache unnötig, Vorsicht weiterhin geboten
Muss man sich also nun um die Zukunft der deutschen Wirtschaft und der damit verbundenen Arbeitsplätze Sorgen machen? Im Jahr 2001 gab es beispielsweise den Fall, dass chinesische Investoren den ehemaligen Fernsehhersteller Schneider aufkauften, das Know-how mit sich nahmen, den Standort schlossen und zurück nach China gingen, um weiter von dort aus zu produzieren. Wird man sich an Fälle wie diesen in Zukunft gewöhnen müssen? Yi Sun, Partnerin bei Ernst & Young und Leiterin des China-Geschäfts beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein: „Die meisten Investoren wollen hier neue Kunden erschließen und nicht nur möglichst billig in China produzieren – zumal das Label ‚Made in Germany‘ in China nach wie vor hoch angesehen ist.“
Derartige Akquisitionen zielen in erster Linie auf den Erwerb von Technologien, Wissen und Marken ab, wodurch in Deutschland die Bereiche Maschinenbau und Automobilindustrie im Fokus stehen, sowie die Branche der erneuerbaren Energien. „Die Werkbank der Welt zu sein genügt den chinesischen Unternehmen schon lange nicht mehr. Sie wollen selber im Ausland expandieren und sich neue Märkte erschließen. Zudem verfolgen sie das Ziel, sich verstärkt als Innovatoren zu positionieren – und benötigen dazu den Zugriff auf europäisches Know-how“, erklärt Yi Sun. Dennoch lassen die chinesischen Investoren in der Regel die deutschen Arbeitsplätze unberührt und das ursprüngliche Management im Amt.
Der Grund dafür ist nach Meinung des Mannheimer Wirtschaftsprofessors Manfred Perlitz im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass die Chinesen langfristige Ziele verfolgen und nicht auf den schnellen wirtschaftlichen Profit aus seien. Eine gewisse Sorge bleibt dennoch, weil China durch Übernahmen im Ausland lerne und aufhole, so Prof. Perlitz: „Man muss davon ausgehen, dass sie es auf eigene Faust versuchen werden, wenn sie die Technologie aus dem Westen erst einmal abgeschöpft haben.“
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