Von China-Wiki-Autorin Victoria Walter. China hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Ziel für internationale Studierende entwickelt. Viele von ihnen gehen für ein oder zwei Semester an eine der zahlreichen renommierten Universitäten im Reich der Mitte. Dort lernen sie primär die chinesische Sprache und Kultur kennen. Aufgrund der Corona-Pandemie hat sich auch das Auslandsstudium in China verändert. Die wenigen internationalen Studierenden, die ins Land einreisen dürfen, erleben strenge Hygiene-Vorschriften und eingeschränkte Lehr- und Freizeitangebote. Wir haben eine von ihnen zum Auslandsjahr in Shanghai interviewt.
Ketty Zheng hat es trotz Corona nach China zum Studium geschafft. Ketty ist 22 Jahre alt und kommt aus Köln. Sie studiert an der Universität zu Köln Regionalstudien China und Betriebswirtschaftslehre. Aufgrund ihres chinesischen Passes war es ihr möglich, im August diesen Jahres ein Auslandsjahr an der Fudan-Universität in Shanghai zu beginnen. Sie berichtet von ihrer Erwartung, Vorbereitung und bisherigen Erfahrung im Hinblick auf das Lehr- und Freizeitangebot und die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Auslandsstudium in China.
Auslandsjahr in Shanghai – Erwartungen und Bedingungen
Ketty Zheng ist ein „Großstadtkind“ und fühlt sich in einer internationalen Umgebung wohl. Daher fiel ihre Wahl auf Shanghai. Sie sagt selbst, dass sie Glück hatte, an der angesehen Fudan-Universität angenommen zu werden. „Ich denke schon, dass mir allein meine chinesische Staatsbürgerschaft diese Chance ermöglicht hat,“ gesteht Ketty. Bei ihrer Bewerbung hoffte sie auf regen Kontakt zu anderen Studierenden, vor allem zu Chinesen.
Auch hatte sie vor, in eine angemessene Wohnung zu ziehen. Ihr war jedoch bewusst, dass ihre Zeit in China, Corona-bedingt, anders verlaufen würde als unter normalen Bedingungen. Dies bestätigte sich bereits bei der Vorbereitung auf ihre Einreise nach China.
Trotz Impfung viele Tests
Sie musste kurz vor Antritt ihres Fluges nach Shanghai, trotz doppelter Corona-Impfung, einen negativen PCR-Test und einen speziellen Bluttest vorweisen. Die Formulare, die es ausschließlich auf Chinesisch gab, sowie die Ergebnisse, schickte sie an das chinesische Konsulat in Düsseldorf. „Sie wollten mehr als 100% sicherstellen, dass man das Virus nicht mit ins Land bringt,“ sagt die Kölner Studentin. Nach Freigabe durch das Konsulat erhielt sie einen Code, ohne den sie den Flug nicht hätte antreten können.
Im Spezialflieger nach China
Auch die Flugreise nach China gestaltete sich ungewohnt für Ketty. In einem verhältnismäßig kleinen, aber vollen Flugzeug, reiste sie mit Maske und größtenteils Chinesen nach China. Die Verpflegung lag bereits vor Antritt des Fluges auf jedem Sitz bereit. „Es war einfach eine ganz neue Erfahrung, obwohl ich schon so oft nach China geflogen bin,“ sagt Ketty Zheng. Angekommen im Reich der Mitte kam sich Ketty, „aufgrund des Flugzeugpersonals in Ganzkörperschutzanzügen,“ vor wie unter „Marsmenschen.“ Diese kontrollierten mehrfach ihre Körpertemperatur und achteten darauf, dass sie sich regelmäßig desinfizierte.
Quarantäne für zwei Wochen
Am Flughafen in Shanghai musste Ketty „einen Haufen“ Dokumente ausfüllen. Diese bestanden zum Großteil aus Anträgen für diverse QR-Codes. Davon gab es keine englischen Versionen, sondern lediglich chinesische. Sie sollte sich nach ihrer Anreise unmittelbar in ein Hotel begeben. Es war vorgesehen, dass sie eine mehrwöchige Quarantäne antrat. „Mir wurde nichts gesagt. Ich wurde nur weitergewunken und schließlich in einen Bus gesetzt, ohne genau zu wissen, wo die Fahrt enden wird,“ berichtet die Kölner Studentin.
Zuletzt schaffte sie es, auch aufgrund ihrer chinesischen Sprachkenntnisse, in das für sie vorgesehene Hotel. Dort verbrachte sie zwei Wochen alleine in einem Zimmer, ohne die Möglichkeit zu haben, die Außenwelt zu betreten.
Überall Kameras und Sondermüll
„Auf den Fluren waren Kameras, damit die sehen, dass keiner das Zimmer verlässt und um sicherzustellen, dass das Personal ihre Arbeit leistet,“ erzählt Ketty. Ihre tägliche Verpflegung bestand aus drei Mahlzeiten und vier Flaschen Wasser, die ihr zu festen Zeiten vor die Tür gelegt wurde. Ihren Müll schmiss sie jeden Tag in einen Sondermüll auf ihrem Flur.
„Ich habe mich nicht getraut ohne Maske und länger als nötig im Flur zu stehen,“ gesteht sie. Nach der zweiwöchigen Hotelquarantäne begab sie sich für eine weitere Woche in eine häusliche Quarantäne in Shanghai. Sie hatte das Glück in der leerstehenden Wohnung von Verwandten unterkommen zu können. Ansonsten hätte sie eine weitere Woche in Hotelquarantäne verbringen müssen. Schließlich konnte ihr Auslandsjahr endlich richtig beginnen.
Auslandsjahr in Shanghai – aktuelles Lehr- und Freizeitangebot
Ketty Zheng teilt mit, dass ihr Auslandsjahr an der Fudan Universität in Shanghai mit einem Orientierungstag auf dem Campus begann. Dort durfte sie sich anhand einer Selbsteinschätzung aussuchen, in welchen Sprachkurs sie gehen wollte. Die Sprachkurse sind von A-I unterteilt, wobei A die einfachste und I die schwerste Stufe darstellt. In ihrem Kurs nehmen circa 13 weitere Studierende in Präsenz teil.
Sprachkurse wie üblich
Außerdem gibt es weitere Teilnehmer, die sich online dazu schalten. Ketty, die sich für das Level G entschieden hat, spricht von einem „sehr anspruchsvollen Sprachunterricht.“ Dabei werden hauptsächlich Themen behandelt, die einen starken Alltagsbezug haben. Sie besucht fünf Sprachkurse, die jeweils einen Schwerpunkt, wie Schreiben, Lesen oder Sprechen haben. Jeder Kurs dauert zwei Monate und schließt mit einer Abschlussklausur ab. Anschließend erfolgt der weitere Unterricht in einem höheren Level.
Soziale Hindernisse
Über ihre Mitstudierenden sagt sie: „Ich würde hier gerne Menschen kennenlernen, aber das ist sehr schwierig, vor allem ohne internationale Studierende.“ Das Lehrpersonal berichtet, dass die Flure früher voll mit internationalen Studierenden waren. Aktuell seien sie jedoch leer und ruhig. Die Chinesen auf dem Campus hätten ihre Vorlesungen ganz woanders. Aufgrund der anderen Muttersprache und Kultur sei es laut Ketty „eine echte Herausforderung,“ mit ihnen in Kontakt zu treten.
Das chinesische Lehrpersonal bestehe ausschließlich aus jungen Frauen, die selbst im Ausland studiert hätten und sehr offen und umgänglich seien. „Die machen das echt gut,“ lobt Ketty.
Großes, schönes Shanghai…
Entgegen ihrer Vorfreude auf das Leben in einer Metropole wie Shanghai, empfindet Ketty die Stadt nun fast als „zu groß.“ Sie berichtet: „Manchmal geht man in der Stadt unter und fühlt sich distanziert. Man verliert die Übersicht im bunten Tumult.“
Nichtsdestotrotz sei die Stadt „wunderschön“ und aufgrund der strengen Einreise- und Reisebedingungen für Ausländer und Chinesen auch nicht so überlaufen wie sonst. Die Modernität und Technologisierung der Stadt erlebt Ketty Zheng jeden Tag. Mit dem U-Bahnsystem brauche man meistens nicht länger als eine Stunde, um sein Ziel zu erreichen. Auch Unternehmen wie Didi, das chinesische Uber, erleichtern den Alltag, erzählt Ketty. Sie meint, dass sie bisher „keinen einzigen Geldschein“ in der Hand hatte und auch noch keine Bahnkarte ziehen musste. Jeglicher Lebensbereich im Alltag erfolgt mit dem Handy. „Ich finde es sogar fast schon ein bisschen zu viel, alle paar Minuten irgendeinen QR-Code zu scannen,“ gesteht Ketty. Oft reicht der Akku vom Handy nicht bis zum Abend aus. In solch einem Fall könne jedoch eine Powerbank von einem der vielen Automaten gezogen werden. Preislich sei dies absolut im Rahmen, laut Ketty.
Wohnungssituation eher schwierig
Ihre Wohnungspläne haben sich nicht so ergeben, wie sie es sich erhofft hatte. Zu hoch sind die Preise für verhältnismäßig kleine, schmutzige oder entlegene Wohnungen. Sie wohnt mittlerweile mit einer weiteren deutschen Studentin zusammen. Diese habe nur deswegen ein Visum erhalten, weil sie ihren kranken Großvater in China besuche.
Aus Kostengründen teilen sie sich eine 1-Zimmer Wohnung. Eigentlich hätten sie auf dem Campus der Universität wohnen können. Dort gibt es ein für internationale Studierende vorgesehenes Studierendenwohnheim. Dieses habe aufgrund der Pandemie jedoch bis auf weiteres geschlossen.
Einschränkungen durch Corona-Regeln
Die Corona-Situation in China beschreibt Ketty Zheng wie folgt. Die Inzidenz sei fast überall bei Null und die seltenen Fälle, die es gebe, kommen laut Regierung in Peking ausschließlich von Menschen aus dem Ausland. „Deshalb wollen sie die Grenzen nicht öffnen,“ sagt Ketty.
Maskenpflicht gebe es nirgendwo mehr, außer in Krankenhäusern und öffentlichen Verkehrsmitteln. Viele Menschen tragen jedoch auch weiterhin Masken. „Es ist eben ein asiatisches Ding,“ sagt Ketty. Den „Health Code,“ der nach ihrer mehrwöchigen Quarantäne von Rot auf Grün gesprungen ist, besitzen alle Einwohner in China seit Beginn der Pandemie. Nur wenn dieser „green“ ist, dürfen sie sich in der Öffentlichkeit aufhalten.
Strenge Kontrolle auch im Alltag
Die Folgen der Corona-Pandemie für ihr Auslandsstudium in China bekommt Ketty am eigenen Leib zu spüren. Jeden Tag muss sie beim Einlasstor der Fudan Universität ihre Identität bestätigen. Zuvor muss sie in einem Online-Portal angeben und bestätigen, dass ihre Körpertemperatur nicht über 37,5 Grad liegt. Ihr Standort muss täglich einmal für die Universität freigegeben werden, um zu überprüfen, dass sie sich nicht außerhalb von Shanghai aufgehalten hat.
Nur wenn alle Parameter erfüllt sind, darf Ketty den Campus betreten und am Unterricht teilnehmen. „Es wird schon sehr streng kontrolliert. Gleichzeitig fühle ich mich auf dem Campus aber auch total sicher,“ sagt sie. Dennoch trauen sich viele ihrer Freunde gar nicht aus der Stadt raus. Alle Ausflüge oder Reisen müssen bei der Fudan Universität beantragt werden. Dabei muss akribisch angegeben werden, welches Transportmittel zu welcher Zeit genutzt wurde und auf welchem Platz sich aufgehalten wurde.
Bei der Rückkehr muss den Professoren ein negativer PCR-Test zugeschickt werden, trotz Impfung. Erst wenn die Professoren ihre Freigabe erteilt haben, dürfen die Studierenden am nächsten Tag wieder am Unterricht teilnehmen.
Fazit – Auslandsjahr in Shanghai lieber so als gar nicht
„Das Auslandsstudium hier wäre auf jeden Fall anders, wenn es kein Corona geben würde“, sagt Ketty. Alles in allem ist die Kölner Studentin bisher jedoch sehr zufrieden mit ihrem Auslandsjahr in Shanghai. Richtig verreisen könne sie dann ja noch in ihren Ferien. Dann könne sie das „richtige“ Shanghai richtig erkunden.
Für sie ist es nicht selbstverständlich, dort zu sein, und daher versucht sie jeden Moment, trotz Einschränkungen, zu genießen. „Mein Ziel ist auf jeden Fall, die Sprache gut zu lernen, damit ich sie später im Beruf anwenden kann.“ Sie hofft natürlich, dass China bald wieder die Grenzen öffnen wird und sich auch wieder mehr Ausländer ein eigenes Bild vom Reich der Mitte machen können.
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