Von ICC-Redakteur Patrick Müsker
Mit der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien sind die Medien wie TV, Radio und Internet zu einem Hauptbestandteil des modernen Lebens geworden, wobei das Internet eine entscheidende Hauptrolle einnimmt. Wie prägt es das Leben von Chinesinnen und Chinesen im Ausland?
Mit Hilfe des Internets ist es nicht nur möglich, Medieninhalte wie Nachrichten, Musik oder Filme abzufragen. Es bietet vielmehr das Potenzial, Raum für die Bildungen digitaler Gemeinschaften bereitzustellen. Dabei verschmelzen die sozialen Sphären, werden die traditionellen Verbindungen zwischen dem physischen Ort und der sozialen Interaktion hinterfragt. Folglich werden neue Online-Kulturen geschaffen, die der Diaspora neue Ressourcen für die Bildung kultureller Gemeinschaften und einer gemeinsamen Identität bereitstellen. Wie schauen die Sphären der Diaspora chinesischer Migranten aus? Und sind die Sphären gleichermaßen von den neuen Medien abhängig?
Der Cyberspace als digitaler Raum für Gemeinschaftsbildung
Im Zeitalter neuer Technologien, einer damit verbundenen immer schneller werden Kommunikationstechnologie und dem Aufstieg von computermedialen Gemeinschaften haben sich Gruppen im Cyberspace gebildet, in denen beispielsweise Menschen mit gleichem kulturellen Hintergrund die Möglichkeit haben, in Verbindung zu treten, Bindungen aufzubauen und miteinander, unabhängig von Raum und Zeit, zu interagieren. Dieser Cyberspace ist ein weltweites computermediales Kommunikationsnetzwerk, in dem sowohl Wörter und Bilder geteilt als auch Freundschaften manifestiert werden.
Die chinesische Gesellschaft im digitalen Raum
Die chinesische Diaspora kann in drei unterschiedliche Typen unterteilt werden. Der erste Typ wird von Mitgliedern der chinesischen Diaspora in ihrem Gastland für sich selbst aufgebaut, ist allerdings auch für ihre Landsleute weltweit zugänglich. Diese ethnischen Webseiten sind beispielsweise verschiedene Foren und Chatplattformen wie auch Nachrichtenseiten zu den Geschehnissen im Heimatland. Sie schaffen damit einen neuen Raum für kulturelle Identitäten. Der zweite Typus digitaler chinesischer Diaspora wird von der Gesellschaft im jeweiligen Gastland und transnationalen Webseiten gegründet. So stellen beispielsweise Universitäten oder andere Institutionen Informationen und Austauschmöglichkeiten zum Heimatland China zur Verfügung. Aufgabe und Vorteil sind hier gleichermaßen, dass die Mobilität der digitalen Welt die Schwierigkeit einer Präsenz in der realen Welt an zwei verschiedenen Orten zur gleichen Zeit kompensiert. Damit erlaubt das Leben in der digitalen Diaspora einen Wechsel zwischen multiplen Identitäten. Die Identität in der realen und die Identität in der digitalen Welt. Der dritte Typ ist innerhalb der digitalen Sphäre Chinas begründet. Trotz der Firewalls, die jeglichen Zugang zu ausländischen Webseiten mit regierungskritischem Inhalt verhindern, ist es den Menschen außerhalb Chinas dennoch möglich, das Netzwerk Chinas in vollem Umfang zu betreten, was chinesischen Migranten wiederum erlaubt, ihre Verbindung nach Hause aufrechtzuerhalten. Während die alten Verbindungen beibehalten werden und neue außerhalb der alten Welt aufgebaut werden, können die Betroffenen in der digitalen Diaspora ihre Bereicherung an Informationen mit Menschen zu Hause teilen. Dabei geschieht das Ganze ohne zeitliche Beschränkung, ganz als wenn man selbst daheim wäre.
Anfänge der chinesischen Diaspora in Amerika
Verglichen mit Kanada, Australien, Neuseeland und einigen europäischen Ländern hat Amerika als eine Weltmacht den größten Bevölkerungsanteil an Chinesen, die in der Diaspora außerhalb Asiens leben. Laut einem Bericht des US Bureau of Consensus aus dem Jahr 2000 sind 2,7 Millionen Amerikaner chinesischer Herkunft. Hinzu kommen 1,3 Millionen nicht eingebürgerte Chinesen vom Festland China, aus Taiwan und Hongkong, die als Immigranten, Flüchtlinge und Besitzer eines temporären Visums erfasst werden. Die chinesischen Studenten und Arbeitnehmer in Amerika erfahren und sehen sich mit Unterschieden, Gefühlen der Verwirrung und Widersprüchen in der transnationalen „Chineseness“ und Anerkennung von Heterogenität konfrontiert. Die dabei vorhandene Vielfalt zeigt, dass das „Chineseness“ im Kontext der Diaspora kein Land, Königreich oder einen Staat benötigt. Es handelt sich dabei mehr um einen Zustand und dieser Zustand wird entsprechend seines Platzes in der Gesellschaft aufrechterhalten. Nach 1965 war ein Anstieg von in die USA einwandernden jungen Studenten und Arbeitnehmern zu verzeichnen. Die Gründe dafür waren sowohl wirtschaftlicher als auch politischer Natur sowie die Hoffnung auf eine bessere Bildung. Der wachsende Anteil der Studenten und Experten unter den Mitgliedern der chinesischen Diaspora veränderte weiterhin das Profil dieser Diaspora insofern, als sich das Image des stereotypen „Coolie“ der Gruppe wandelte und einige positive Eigenschaften ihr Leben stärkten. Mit einer besseren Ausbildung und einem besseren Berufshintergrund wurde die Gruppe damit zu einem immer bedeutenderen Teil der chinesisch-amerikanischen Wirtschaft und Politik.
Kulturelle Komplexität, Zweifel und Heimatwünsche
In der Diaspora lebend führen kulturelle Komplexität, Zweifel und Gefühle der Verwirrung bei den Mitgliedern oft zu einem beharrlichen Wunsch der Rückkehr in die Heimat. Diese Wünsche werden größtenteils von den chinesischen Medien befriedigt. Diese bilden eine einflussreiche Methode der Gemeinschaft, die mit der geografischen „Deplatzierung“ und kulturellen Entfremdung zu kämpfen hat. Beispielsweise stellt die Sprache zu Beginn des Aufenthaltes im Gastland eine Bürde dar, da das Englisch anfangs noch relativ beschränkt ist. Auch kulturelle Unterschiede werden zum Teil nicht verstanden und die chinesischen Migranten sehen sich dem Druck ausgesetzt, kulturelles Verhalten und Wissen lernen zu müssen, um in der amerikanischen Gesellschaft „überleben“ zu können. Sobald sie sich aber an Medien zur Informationsbeschaffung oder zur Unterhaltung bedienen, greifen sie typischerweise auf Chinesisch sprachige Medieninhalte zurück, da sie diese einfach begreifen und nachvollziehen könnten.
Die fremde Kultur als Quiz des Lebens
Chinesische Studenten sind beispielsweise der Meinung, dass sie sich auf diese Weise einfacher in die andere Kultur integrieren können. Wollen sie sich an amerikanische Stars und Celebrities erinnern, um an Konversationen teilhaben zu können, dann sind dies in der Regel bewusst auswendig erlernte Inhalte. Das Internet stellt das Hauptmedium dar, das den Zugang zum kulturellen und informativen Inhalt bildet, dem sich die Mitglieder der Diaspora bedienen. Oft bilden die Seiten der chinesischen Nachrichten wie die Seite wie www.chinanews.com oder www.xinhua.org das Hauptziel beim Surfen. Immer beliebter werden auch die Möglichkeiten der angebotenen Smartphone Apps wie weixin 微信 und weibo 微博, die es ermöglichen überall und zu jeder Zeit mit Freunden und Familien aus der Heimat in Kontakt zu stehen und sich über aktuellste Ereignisse zu informieren. Aber auch Romane, populäre Magazine und Aufsätze sind genauso Teil des Konsums und hinzu kommen chinesische TV-Serien und Filme. Durch die IP-Erkennung wird die Region des Users zwar ausfindig gemacht und chinesische Medienseiten wie tv.sohu.com oder www.fun.tv geblockt, doch liefert beispielweise auch youtube aktuellste Folgen zur in China beliebtesten Dating Show Feicheng wurao 非诚勿扰. Während die Betroffenen nun also kulturelle Medien der Heimat konsumieren, haben sie das Gefühl, sich beim Lesen oder Ansehen von Filmen entspannen zu können. Das Internet bildet dabei die größte Quelle und hilft, das Heimweh zu reduzieren. Es bringt die Betroffenen auf den neuesten Stand der aktuellen Events, Diskussionen, Moden und Mentalitäten der Menschen in der Heimat, so dass man sich stets mit seiner eigenen Kultur verbunden fühlt.
Ethnische Medien als Möglichkeit der Sozialisierung
Die Bedeutung der Diaspora geht für die Betroffenen weit über die einfache Möglichkeit der Versorgung mit Informationen hinaus. Ethnische Medien bieten mit einem Kontext gemeinsamer Referenzen die Möglichkeit der Sozialisierung zwischen den Betroffenen und den Menschen zu Hause, zwischen den Menschen in der Diaspora in Amerika und den Menschen auf der ganzen Welt. Folglich ergeben geteilte Medieninhalte oder Referenzen die Möglichkeit der symbolischen Konstruktion einer Zugehörigkeit und bieten ferner die Möglichkeit für soziale Beziehungen und soziale Integration. Viel wichtiger ist noch, dass die deterritorialisierten Betroffenen in den Medien Punkte der kulturellen Identifikation finden, mit denen sich eine kohärente und kontinuierliche Identität aufbauen lässt. Mit anderen Worten sind die ethnischen Medien ein Raum, in dem ambivalente und instabile Punkte der persönlichen, nationalen und ethnischen Identifikation ausgehandelt werden können. Dabei sind die medialen Inhalte stets mit Erinnerungen und dem Erhalt dieser verbunden.
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