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China und Amazon: Distance Selling und Probleme der Steuerhinterziehung

19. Mai 2017 von China-Wiki 1 Kommentar

Von ICC-Redakteur Christoph Yew

Eventuell ist es Ihnen auch bereits passiert, dass Sie einen Artikel über Amazon bestellt haben und den Verkäufer nach einer Rechnung mit Umsatzsteuer-Ausweis gefragt haben. Wenn Sie Glück haben, wurde Ihnen diese auch anstandslos ausgestellt. Gar nicht so selten kommt es jedoch vor, dass der Verkäufer Ihnen mitteilt, dass aus diversen Gründen keine solche Rechnung ausgestellt werden kann.

Gerade bei Verkäufern aus China trifft man eine solche Situation sehr häufig an. Nicht immer, aber in den meisten Fällen, handelt es sich dabei um Hinterziehung der Umsatzsteuer, die Sie unbedingt an Amazon oder das Finanzamt melden sollten. Doch zuerst muss der rechtliche Rahmen erklärt werden, der hier sehr komplex und etwas verwirrend erscheint.

Inhaltsverzeichnis

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  • Wann muss ein Amazon-Händler in Deutschland Umsatzsteuer zahlen?
  • Distance Selling zwischen Asien und Europa
    • Beispiel 1
    • Beispiel 2
    • Beispiel 3
    • Beispiel 4
  • Probleme in der Praxis – ein Beispieldialog
  • Probleme in der Praxis – Zusammenfassung
  • Was kann man tun?

Wann muss ein Amazon-Händler in Deutschland Umsatzsteuer zahlen?

Sollte es sich bei dem Unternehmen um ein deutsches Unternehmen wie beispielsweise um eine GmbH oder AG handeln, so bekommen Sie eigentlich immer eine ordentliche Rechnung ausgestellt. Komplizierter wird es, wenn es sich bei dem Unternehmen um ein Nicht-EU-Unternehmen handelt, das seinen Sitz in China oder Hongkong hat und keine Infrastruktur in Deutschland besitzt.

Natürlich kann ein solches Unternehmen sich freiwillig um die Registrierung einer deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) bemühen und ist ab sofort zur Ausstellung einer Rechnung mit Steuerausweis verpflichtet. Der Fall ist also auch einfach. Wenn jedoch ein chinesisches Unternehmen Waren in einem Lager in einem anderen EU Land als Deutschland aufbewahrt und von dort Bestellungen von Privatpersonen nach Deutschland verschickt, muss nicht unbedingt deutsche Umsatzsteuer bezahlt werden. Es kommt auf den Jahresumsatz in dem Land an, aus dem die Bestellung erfolgt ist. Für Deutschland liegt dieser Wert bei 100.000 Euro. Für andere EU-Länder können die Werte unter folgendem Link eingesehen werden: http://www.vatlive.com/eu-vat-rules/distance-selling/distance-selling-eu-vat-thresholds/

Und schon sind wir mitten in der Materie des sogenannten Distance Selling. Diese soll anhand von ein paar Beispielen verdeutlicht werden.

Distance Selling zwischen Asien und Europa

Beispiel 1

Die fiktive HK Trading Ltd. lagert Waren in einem Amazon-Lager in Frankreich, da Amazon Frankreich der wichtigste Absatzkanal ist. Hin und wieder bestellen jedoch Franzosen, die in Deutschland leben, Artikel der HK Trading und lassen diese nach Deutschland schicken. Der Jahresumsatz dieser Bestellungen beträgt 10.000 Euro. Für diese Bestellungen muss französische USt. in Höhe von 20% entrichtet werden.

Beispiel 2

Wie Beispiel 1, jedoch beträgt der Jahresumsatz dieser Bestellungen 200.000 Euro. Die HK Trading muss sich in Deutschland beim Finanzamt registrieren und auf diese Bestellungen deutsche Umsatzsteuer entrichten.

Beispiel 3

Dieser Fall ist wie Beispiel 1 gelagert, jedoch hat Amazon zehn Produkte der HK Trading aus dem Lager Frankreich in das Lager Deutschland verlegt, damit Bestellungen schneller beim Kunden ankommen. In diesem Fall ist der Gesamtumsatz irrelevant. Sobald auch nur ein Produkt von einer deutschen Adresse nach Deutschland verschickt wird, muss eine deutsche USt.-IdNr. registriert werden und es muss deutsche Umsatzsteuer abgeführt werden. Der Vollständigkeit halber kommt nachfolgend noch ein Beispiel, wenn es sich bei dem Kunden um ein Unternehmen handelt.

Beispiel 4

Das Lager steht in Frankreich, in Deutschland liegen keine Waren, die deutsche GmbH ist Kunde. Die HK Trading muss der deutschen GmbH 20% französische Umsatzsteuer erstatten. Die Bestellung weist keineUmsatzsteuer aus. Hierbei handelt es sich um die sogenannte „reverse charge rule for intra-EU deliveries”. Weiterhin gibt es in diesem Fall sehr spezifische Anforderungen, wie die Rechnung auszusehen hat.

Probleme in der Praxis – ein Beispieldialog

An dieser Stelle möchte ich einen Dialog anführen, den ich vor einigen Wochen mit einem chinesischen Amazon-Verkäufer in Shenzhen geführt habe.

Verkäufer Li: „Mich fragen in letzter Zeit immer wieder Kunden nach einer Rechnung mit Steuerausweis. Warum wollen die das?“

Ich (CY): „Die Kunden wollen die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückhaben. Das geht nur mit einer solchen Rechnung. Die Steuer musst du an das Finanzamt zahlen und der Kunde bekommt sie vom Finanzamt wieder. In Deutschland sind das immer 19% vom Netto-Preis.“

Li: „19%? Dann ist ja meine ganze Marge weg. Nee, das mach ich nicht. Kann da was passieren?“

CY: „Irgendwann kann es passieren, dass Amazon dir deinen Zugang schließt.“

Li: „Kein Problem. Ich habe noch mehrere andere Accounts. Wenn einer fehlt, macht das nichts. Einer läuft unter Namen meiner Frau, einer unter meinem Cousin. Da sehen die keine Verbindung zu mir. Und das Finanzamt?“

CY: „Das hat keinen direkten Zugriff auf Amazon-Umsatzzahlen und kann auch nicht feststellen, wo deine Ware gelagert ist. Es tobt zwar ein Rechtsstreit darüber, aber der wird sich noch Jahre hinziehen. Darüber hinaus, glaubst du, die chinesische Regierung wird mit den deutschen Finanzbehörden kooperieren, wenn die sich melden?“

Li: „Also kann mir nichts passieren. Im schlimmsten Fall registriere ich eine USt.-IdNr. und gebe dem Finanzamt falsche Umsatzzahlen an. Dann brauche ich ja auch nichts zahlen.“

Probleme in der Praxis – Zusammenfassung

Der Dialog verdeutlicht die Probleme, die zu Steuerhinterziehung in Millionenhöhe führen.

  • Unwissenheit bei chinesischen Verkäufern, dass es so etwas wie Umsatzsteuer in Deutschland überhaupt gibt.
  • wirtschaftlich gesehen nur sehr geringe Konsequenzen bei der Hinterziehung.
  • Steuerhinterziehung ist in China nicht ungewöhnlich und wird innerhalb Chinas oft mit Geschenken an Finanzbeamte „geregelt“. Warum also sollte man sich um Steuern in Deutschland scheren?
  • Das Finanzamt muss derzeit auf die Kooperation der Verkäufer und Amazon hoffen, und beide sind nur schwach kooperationswillig.
  • Dadurch, dass die Konkurrenz extrem hoch ist, werden Produkte zu Preisen verkauft die sich erst dann lohnen, wenn keine Steuern abgeführt werden. Bei Steuerzahlung würde mit Verlust verkauft werden.
  • Aufgrund der komplexen Distance Selling-Regeln kann ein Unternehmen leicht behaupten, dass es nicht zur Zahlung von Umsatzsteuer verpflichtet ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann nur mit aufwändiger Recherche beantwortet werden.

Was kann man tun?

 Ihnen wird keine Rechnung ausgestellt, sie wissen aber nun, dass das Unternehmen eine solche ausstellen muss? Der beste Weg ist es, sich direkt an das Finanzamt und an Amazon zu wenden. Welches Finanzamt der zuständige Ansprechpartner ist, hängt davon ab, in welchem Land das Verkäuferunternehmen seinen Sitz hat. Für Unternehmen aus China oder Hongkong ist dies das Finanzamt Berlin-Neukölln. Eine Übersicht für andere Länder kann unter folgendem Link gefunden werden:

http://www.ofd.niedersachsen.de/steuer/finanzaemter/67782.html

Ein Formular zur Anzeige einer Steuerhinterziehung ist hier verfügbar:

https://www.lfst-rlp.de/fileadmin/user_upload/Steuer/Steuerfachliche_Themen/Steuerfahndung/Formular_Anzeige_Steuerhinterziehung_ausfuellbar.pdf

Reichen Sie am besten auch Screenshots Ihrer Bestellung ein sowie einen Beleg, dass die Bestellung von einer deutschen Adresse verschickt wurde. Wie Sie nun wissen, ist es extrem wichtig, von wo ein Produkt versendet wurde. Zum Abschluss: Sollten Sie selbst auf Amazon als Verkäufer tätig werden wollen, so lassen Sie sich unbedingt von einem Steuerberater unterstützen. Vor allem dann, wenn Sie ein Unternehmen einsetzen wollen, dass seinen Sitz nicht in Deutschland hat.

Über den Autor:

Christoph Yew war über drei Jahre für Anker in China tätig und hat mit Askborg inzwischen seine eigene Elektronikmarke auf den Markt gebracht.

Mehr zum Thema:

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Kategorie: Amazon, Amazon-Fake, China-Marketing, Online-Shopping China, Taobao Stichworte: Amazon China, China Online-Shopping, Online-Marketing China, Taobao China

Kommentare

  1. Oliver Vogel meint

    9. November 2018 um 9:20 am

    Hallo Herr Yew,

    ist diese „Machtlosigkeit“ von Behörden der EU-Mitgliedstaaten die gleiche bei EU-Richtlinien und Direktiven?
    Konkret spiele ich auf elektrische/elektronische Produkte aus China an, die auf die oben beschriebene Weise über Amazon vertrieben werden. (Stickwort CE(EMV), RoHS, REACH, WEEE usw.) Meist ist nichts davon verfügbar und dem Verkäufer gar unbekannt. Schlimmstenfalls geht von solchen Produkten sogar eine nicht unerhebliche Gefahr für Gesundheit und Leben aus.
    Können auch da die Börden nach heutiger Rechtslage nichts tun (z.B. Amazon in die Pflicht nehmen und den Vetrieb untersagen?)

    Besten Dank.

    Oliver Vogel

    Antworten

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