Von Julia Hubschmid*
Viele Verlage im Ausland hoffen darauf, auch im Reich der Mitte den Markt zu erobern. Wäre es nicht wunderbar, wenn nur jeder zweite oder dritte Chinese ein Buch aus der eigenen Produktion lesen würde? Doch ist es nicht so leicht, auf dem chinesischen Buchmarkt zu bestehen, wie der folgende Überblick zeigt. Eine kultursensible Strategie ist entscheidend.
Für China müssen Verlage, die planen mit digitalen Buchinhalten auf dem dortigen Markt erfolgreich zu sein, entweder bestehende Produkte an den chinesischen Markt anpassen oder neue, für den Markt adäquate Produkte entwickeln. Eine vollkommene Standardisierung ist aufgrund der Sprache nicht möglich.[1] Die Übersetzung der Inhalte ins Chinesische ist somit die Minimalvoraussetzung in der Produktpolitik für den chinesischen Markt. Je nach Genre und Thema der Inhalte muss zudem geprüft werden, ob eine sprachliche Adaption ausreichend ist oder ob eine inhaltliche Anpassung des Ausgangstextes für chinesische Lesegewohnheiten vorgenommen werden muss. Ein „unpassendes“ Thema kann zum einen vom GAPP zensiert oder zum anderen verhindertn, dass es in China eine kaufbereite Leserschaft findet. Generell ist zu sagen, dass von einer Übersetzung und Vermarktung auf dem chinesischen Markt ganz abzuraten ist, wenn der Ausgangstext zu stark verändert werden müsste.
Keine Tabus und gerne praktische Inhalte
Inhalte, die in China zensiert werden, sind, wie Edward Nawotka es in einem Interview mit der Deutschen Welle formuliert, „anything that has the potential to be controversial or else might besmirch the reputation of China“[2]. In erster Linie handelt es sich dabei um politische oder geschichtliche Themen, die in China nicht offen diskutiert werden wie auch allgemeine gesellschaftliche Tabuthemen wie Sex oder Drogen.[3] Was die Themenpräferenzen der chinesischen E-Book-Käufer betrifft ist zu beobachten, dass sie sich nicht grundlegend von Buch-Käufern unterscheiden. [4] Auf den chinesischen Bestseller-Listen der letzten Jahre finden sich vor allem Bücher mit intellektuell weniger anspruchsvollen und eher praktischen Inhalten. Zu den beliebtesten Genres gehörten laut He Xiongfei „child-rearing manuals, cookbooks, health and fitness guides, test-preparation books, thrillers, and romance novels“[5]. Dieser Trend deckt sich mit den Interessen seitens chinesischer Verlage an ausländischen oder deutschen Titeln. Literarisch anspruchsvolle Titel wie solche von Johann Wolfgang von Goethe oder Thomas Mann, die schon vor Jahren in China verlegt wurden, werden nach heutiger Meinung der chinesischen Leser als zu „trocken, ernst und schwer“ empfunden.[6]
Besonders beliebte Kinder- und Jugendbücher
Besonders nachgefragt werden auf dem chinesischen Buchmarkt Kinder- und Jugendbücher. Dabei sind chinesische Verlage sehr an solchen Büchern aus dem Ausland, besonders auch aus Deutschland interessiert. Der Grund für diese Nachfrage liegt unter anderem darin, dass Kinder-, Jugend- und Bilderbücher keine lange Tradition in China haben und die Auswahl und Qualität der vorhandenen Bücher oft eingeschränkt ist. Wie Yingxin Gong es beschreibt, ist die Qualität der deutschen Bücher „auf sehr hohem Niveau. Das findet man in China kaum. […] Für Verlage in China ist es deswegen viel attraktiver, gute Titel aus dem Ausland zu kaufen, statt eigene Autoren heranzuziehen“[7]. Der Erfolg von Kinderbüchern resultiert unter anderem daraus, dass Eltern viel Geld für die Erziehung und Bildung ihrer Kinder ausgeben, um schon früh deren Kreativität zu fördern.[8] Doch auch im Bereich der Kinder- und Jugendbücher sollten Verlage ihre Inhalte anpassen: Verrückte Geschichten, allzu schräge Handlungen – das wollen Eltern in China nicht. Und bitte, auch keine provokanten Themen: Gewalt in der Familie oder Alkoholismus bei Jugendlichen werden in Jugendbüchern abgelehnt. Auch der erste Kuss ist ein Tabu.[9]
Kein einheitliches Format und technische Unterschiede
Wie im vorigen Abschnitt dieser Arbeit (4.1.2) bereits angesprochen, spielen bei der Standardisierungs- bzw. Differenzierungsfrage neben den Inhalten der Produkte auch technische Aspekte eine Rolle. Hinsichtlich der Formate von E-Books verhält es sich bisher so, dass es kein Format gibt, das sich ähnlich wie der Standard EPUB in Deutschland durchgesetzt hat. So gibt es zwar auch auf EPUB basierende E-Books, doch ebenso werden E-Books in China im CEB-Format veröffentlicht, dem proprietären Format von Apabi (siehe Kapitel 3.3.3). Verlage, die ihre digitalen Produkte auf den chinesischen Markt bringen möchten, müssen sich derzeit nach den jeweiligen Format-Vorgaben der E-Book-Plattformen richten, mit denen sie zusammenarbeiten. Bei Apps gibt es zwar Standards für die jeweiligen Formate der mobilen Betriebssysteme, mit denen Programmierer weltweit arbeiten,[10] doch gibt es international große Unterschiede, was die technische Ausstattung der Geräte betrifft. Besonders in China, wo ein großer Teil der sich im Umlauf befindenden Geräte hinter der technischen Ausstattung von Geräten in Europa und den USA liegt, „developers should expect to re-optimize their apps to run well on them“[11], wie der App-Experte Masanari Arai betont.
Markendifferenzierung und Bedeutung der Schriftzeichen
Was die Differenzierung der Marke betrifft, ist zu sagen, dass westliche Unternehmen jeglicher Art in der Regel nicht mit ihrem Markennamen des Heimatmarkts in China reüssieren werden.[12] Dies ist insbesondere in der kulturellen Dimension der chinesischen Sprache begründet. Anders als im Deutschen, wo Namen vor allem dem Anzeigen des Geschlechts und der Identifizierung von Personen dienen, sind Namen im Chinesischen immer mit den konkreten Bedeutungen der Schriftzeichen verbunden, aus denen sie sich zusammensetzen. Wie Schmitt/Pan es beschreiben ist ein Name wie ein kleines Kunstwerk, und „Shu-fa“ (Kalligraphie) hat überall in Asien eine lange Tradition. Deshalb sollte ein Name „gut aussehen“ und ansprechend sein: Er hat eine ähnliche Funktion wie ein Logo oder ein Markenzeichen.[13]
Bei der Findung eines Markennamens ist es wichtig, dass die Bedeutung der chinesischen Zeichen, aus denen sich der Markenname zusammensetzt, nicht zu offensichtlich ist. Es werden in der Regel Zeichen bevorzugt, die eine vielschichtige Bedeutung haben. Großer Wert wird zudem auf Eleganz in der Sprache und Sprachspiele gelegt. Oft finden sich daher Zeichen aus alten chinesischen Gedichten oder Sprichwörtern. Für ausländische Unternehmen, die bereits einen bekannten Markennamen in ihrem Heimatland haben, besteht auch die Möglichkeit, ihren Namen rein der Aussprache nach ins Chinesische zu übertragen.[14]
Bekanntheitsgrad der Marke als Schutzfaktor
Von einigen großen Playern wie zum Beispiel Apple abgesehen, können Unternehmen nicht davon ausgehen, dass ihr Name und ihr Image in China bekannt sind. Deutsche Unternehmen haben generell ein gutes Image in China, einzelne Unternehmen jedoch sind in China oft unbekannt. [15] Der Bekanntheitsgrad der Marke hat in China eine zentrale Bedeutung, auch für ihren Schutz, denn: Nur wenn ein Produkt sprichwörtlich in aller Munde ist, es außerdem über einen längeren Zeitraum fortwährend benutzt und umfangreich beworben wurde, in anderen Ländern bereits Schutz erhalten hat und einen guten Ruf besitzt – erst dann spricht das chinesische Recht von einer Marke.[16]
Verlage und die Verlagsindustrie in China – ein Überblick
Entwicklung der Internet-Literatur in China – ein Überblick
Taxi fahren in China – wie Taxi-Apps den eingerosteten Markt umkrempeln
Online-Marketing für China und chinesische Suchmaschinenoptimierung (SEO)
[1] Eine Außnahme ist der Fall, dass ein ausländischer Verlag den chinesischen Markt für fremdsprachige Bücher bearbeiten möchte. Siehe hierzu einen Artikel zu den verschiedenen Geschäftsfeldern von Penguin in China: Crawford, Bill: China’s Emerging English-language Book Market. In: Publishing Perspectives online (publishingperspectives.com) vom 08.05.2013. URL: http://publishingperspectives.com/2013/05/chinas-emerging-english-language-book-market.
[2] Domínguez, Gabriel: China’s censors‘ main weapon is ‚unpredictability‘. In: Deutsche Welle online (dw.de) vom 29.10.2013. URL: http://www.dw.de/chinas-censors-main-weapon-is-unpredictability/a-17190048.
[3] Vgl. Domínguez, Gabriel: China’s censors‘ main weapon is ‚unpredictability‘. In: Deutsche Welle online (dw.de) vom 29.10.2013. URL: http://www.dw.de/chinas-censors-main-weapon-is-unpredictability/a-17190048.
[4] Vgl. Bookworm Talk—Future of Publishing. In: Paper Republic. Chinese Literature in Translation (paper-republic.org). 2012. URL: http://paper-republic.org/news/newsitems/160/.
[5] Gao, Helen: Why Aren’t Chinese People Reading Books Anymore. In: The Atlantic (theatlantic.com) vom 15.08.2013. URL: http://www.theatlantic.com/china/archive/2013/08/why-arent-chinese-people-reading-books-anymore/278729.
[6] Vgl. Ballweg, Silke: Deutsche Kinderbücher punkten in China. In: Deutsche Welle online (dw.de) vom 02.09.2013. URL: http://www.dw.de/deutsche-kinderb%C3%BCcher-punkten-in-china/a-17055780.
[7] Gong, Yingxin zitiert nach: Ballweg, Silke: Deutsche Kinderbücher punkten in China. In: Deutsche Welle online (dw.de) vom 02.09.2013. URL: http://www.dw.de/deutsche-kinderb%C3%BCcher-punkten-in-china/a-17055780.
[8] Vgl. Ballweg, Silke: Deutsche Kinderbücher punkten in China. In: Deutsche Welle online (dw.de) vom 02.09.2013. URL: http://www.dw.de/deutsche-kinderb%C3%BCcher-punkten-in-china/a-17055780.
[9] Ballweg, Silke: Deutsche Kinderbücher punkten in China. In: Deutsche Welle online (dw.de) vom 02.09.2013. URL: http://www.dw.de/deutsche-kinderb%C3%BCcher-punkten-in-china/a-17055780.
[10] So ist zum Beispiel das Dateiformat APK (Android application package file) das Standard-Format für das Android-System. Vgl. Wikipedia (englisch): APK (file format). URL: http://en.wikipedia.org/wiki/APK_(file_format).
[11] Arai, Masanari: Explaining China’s mobile app ecosystem: the potential, players, and pain points. In: VB (venturebeat.com) vom 09.11.2013. URL: http://venturebeat.com/2013/11/09/how-to-understand-chinas-mobile-app-ecosystem-the-potential-the-players-and-pain-points.
[12] Im Rahmen dieser Arbeit kann nur auf den Markennamen eingegangen werden, die grafische Gestaltung des Logos spielt natürlich auch eine Rolle. Siehe dazu zum Beispiel exemplarisch: Klare, Julia: Kommunikationsmanagement Deutscher Unternehmen in China: Eine Strukturationstheoretische Analyse Internationaler PR. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (heute. Springer VS) 2010. S. 214-16.
[13] Schmitt, Bernd und Yigang Pan 1995: Die Tiger verführen. Wie in Fernost das Bild vom Unternehmen und seinen Markenprodukten etabliert und gepflegt werden muß. In: Harvard Business Manager. Vol. 17, Nr. 1 (1995). S. 104.
[14] Vgl. Liu, Yang: E-Mail am 06.01.2014.
[15] Vgl. Klare, J.: Kommunikationsmanagement Deutscher Unternehmen in China. S. 242.
[16] Hardebeck, Gina zitiert nach Klare, J.: Kommunikationsmanagement Deutscher Unternehmen in China. S. 225.
*Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus der Masterarbeit, den die Autorin im Jahr 2014 erfolgreich an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eingereicht hat.
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