Von Julia Hubschmid*
Viele Verlage im Ausland träumen davon, auch im Reich der Mitte einen Fuß in den Markt zu bekommen. Wäre es nicht traumhaft, wenn nur jeder zweite oder dritte Chinese ein Buch aus dem eigenen Verlagshaus lesen würde? Doch sind der chinesische Buchmarkt und das Verlagswesen in China nicht leicht zu erobern, wie der folgende Überblick zeigt.
Trotz großer Veränderungen in der Verlagsbranche, die der Beitritt Chinas zur WTO 2001 gebracht hat, ist die chinesische Verlagsindustrie nach wie vor eine der vom Staat am stärksten kontrollierten Industriezweige. Für die Verwaltung des Publikationssystems und des Buchmarkts ist die General Administration of Press and Publication (GAPP) zuständig. Zu den Hauptaufgaben des Amtes zählen: „das Erarbeiten eines Gesamtplans für das nationale Publikationswesen, das Erlassen von Regelungen, die Überwachung und Hilfestellung bei der Umsetzung dieser Vorschriften, die Prüfung und Genehmigung von Anträgen zur Gründung von neuen Verlagen und von Unternehmen in den Bereichen Druck und Vertrieb sowie die Überwachung des Import- und Exportgeschäfts.“[1]
Da das Antragsverfahren für eine Verlagsgründung sehr stark reguliert wird, ist die Zahl der offiziellen bzw. staatlichen Verlage seit Jahren nahezu unverändert geblieben: Nur 581 Verlage sind legitimiert, Bücher zu veröffentlichen.[2] Die Gründung von privaten Verlagen ist offiziell nicht erlaubt. Dennoch gibt es gegenwärtig ungefähr 10.000 sogenannte „Private Kulturunternehmen“, Unternehmen, die wie Verlage arbeiten, sich aber offiziell nicht als solche bezeichnen dürfen.[3] Da nur offizielle Verlage von der GAPP ISB-Nummern erhalten, sind die privaten Verlage auf Kooperationen mit staatlichen Verlagen angewiesen, um ihre Bücher zu veröffentlichen. Eine solche Kooperation besteht in der Praxis meist darin, dass staatliche Verlage Lizenzen für Bücher von den privaten Verlagen kaufen und diese unter ihrem eigenen Namen veröffentlichen. Obwohl die Existenz der privaten Verlage nicht sicher ist, sie im Gegenteil jederzeit verboten werden können, haben 200 bis 300 der Kulturunternehmen eine bedeutende Größe erreicht und gelten als wichtige Marktteilnehmer. Einer Schätzung von Ren Lei zufolge produzieren sie die Hälfte aller Bestseller-Titel auf dem Buchmarkt.[4]
Über 40 Prozent der chinesischen Verlage haben ihren Hauptsitz in Peking, 33 Prozent in Shanghai. Die übrigen Verlage befinden sich verteilt auf die 32 Provinzen Chinas. Ein Großteil der staatlichen Verlage gehört zu einer der 30 großen Verlagsgruppen, deren Zahl in China stetig zunimmt.[5] Zu den wichtigsten Verlagsgruppen zählen China Publishing Group 中国出版集团 (cnubg.com), China Education Publishing & Media Group 中国教育出版传媒集团 (cepmh.com) und China Science Publishing & Media Group 中国科技出版传媒集团 (cspg.cn). Anders als in Deutschland, wo sich die Verlage größtenteils auf bestimmte Sparten oder Themen fokussieren, sind diese Spezialisierungen bei chinesischen Verlagen in der Regel nicht zu finden. Auch wenn die Namen der oben genannten Verlagsgruppen anderes vermuten lassen, ist es dennoch so wie Yingxin Gong, Leiterin des Buchinformationszentrums (BIZ) Peking, eines Auslandbüros der Frankfurter Buchmesse, beschreibt: „Fast alle Verlage in China machen alles“.[6]
Die chinesische Verlagsindustrie wird in sechs große Kategorien eingeteilt: Bücher, Zeitschriften und Magazine, Zeitungen, Audio-Produkte, Video-Produkte und elektronische Publikationen. Mit 87 Prozent der Gesamtpublikationen in diesem Bereich (über 302.000 veröffentlichte Werke) machte der Buch-Sektor im Jahr 2011 den größten Anteil aus.[7] Bücher werden dabei weiter in folgende Kategorien unterteilt: Fiction, Non-Fiction, Lehrbücher und Bilderbücher. Fiction und Non-Fiction stellen einen Anteil von 79,17 Prozent der Gesamterscheinungen dar, Lehrbücher einen Anteil von 20,56 Prozent und Bilderbücher einen Anteil von unter einem Prozent.[8] 2011 wurden etwa 370.000 Titel von chinesischen Verlagen produziert und veröffentlicht, was einer Steigerung von 12,5 Prozent zum Jahr 2010 entspricht.
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[1] Buchmarkt China. Hrsg. von Buchinformationszentrum (BIZ) Peking der Frankfurter Buchmesse im Februar 2012. URL: http://www.buchmesse.de/bilder/buchmesse/buchmarkt_china_2012_aktuell.pdf. S. 2
[2] Zum Vergleich: Im Jahr 2011 zählte das Statistische Bundesamt in Deutschland 2.243 Verlage. Vgl. Verlage. In: Börsenblatt online (boersenblatt.net) vom 01.08.2013. URL: http://www.boersenblatt.net/373296/template/bb_tpl_branchenzahlen.
[3] Für nähere Informationen zum Stand und Entwicklung privater Publikationsunternehmen vgl. auch Li, Rui: Krise oder Chance? Die Entwicklung und gegenwärtige Situation der privaten Publikationsunternehmen in der Volksrepublik China. Erlangen : Buchwiss., Univ. Erlangen-Nürnberg 2011.
[4] Ren, Lei: Chancen im chinesischen Markt? Workshop im Rahmen von E:PUBLISH. Kongress für Neues Publizieren 2012. 16.11.2012. URL: http://www.swop-exchange.de/konferenzen/epublish-2012/kongress/programm.html?programmid=396.
[5] Vgl. Tian, Xuemei / Martin, Bill: Reading the Signs: What is Really Happening with Digital Publishing in China? In: Publishing Research Quarterly. September 2013, Volume 29, Issue 3. S. 254.
[6] Gong, Yingxin zitiert nach: Ballweg, Silke: Deutsche Kinderbücher punkten in China. In: Deutsche Welle online (dw.de) vom 02.09.2013. URL: http://www.dw.de/deutsche-kinderb%C3%BCcher-punkten-in-china/a-17055780.
[7] Meng, Siyu. China’s book publishing industry: a review of 2011. In: Publishing Research Quarterly. Juni 2012, Volume 28, Issue 2. S. 124.
[8] Meng, Siyu. China’s book publishing industry: a review of 2011. In: Publishing Research Quarterly. Juni 2012, Volume 28, Issue 2. S. 124.
*Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus der Masterarbeit, den die Autorin im Jahr 2014 erfolgreich an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eingereicht hat.
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