In dieser Reihe stellen wir typische Konflikte in der interkulturellen Kommunikation von Deutschen und Chinesen vor. Zu Beginn wird ein Fallbeispiel aus der Unternehmenspraxis beschrieben. Danach werden einige Fragen zum Beispiel gestellt, die zum Nachdenken anregen sollen. Abschließend werden der Konflikt interkulturell analysiert und bewährte Lösungswege besprochen. In diesem Fallbeispiel geht es um den Unterschied zwischen Geschenken und Korruption. Geschenk oder Bestechung?
Aufwandsentschädigung zwischen den Zeilen – Geschenk oder Bestechung?
Fallbeispiel:
Um in Shanghai die Pressekonferenz einer deutschen Organisation zu begleiten, die auf dem chinesischen Markt Fuß fassen möchte, wird eine Sinologin, Frau Weber, eingestellt.* Sie kennt sich in der Stadt aufgrund früherer Aufenthalte aus und beherrscht auch die chinesische Sprache.
Vorab besorgt sich Frau Weber über Bekannte die Adressen von zahlreichen Journalisten und lädt diese per E-Mail und Telefonat zur Konferenz ein. Von einem deutschen Kollegen, der in Peking als Referent für Öffentlichkeitsarbeit tätig ist, erfährt sie, dass man den Medienvertretern eine Pressemappe mit chinesischsprachigem Material und umgerechnet 30 Euro in einem Umschlag überreichen solle. Diese Summe entspreche einer Fahrtkostenpauschale. Frau Weber wundert sich darüber, weil eine Taxifahrt in Shanghai weitaus günstiger ist, setzt den Vorschlag des erfahreneren Kollegen aber um.
Die Pressekonferenz verläuft nach Plan und die chinesischen Journalisten nehmen zum Abschluss auch die Pressemappen entgegen. Als nach einigen Tagen noch kein Bericht erschienen ist, wird die Sinologin unruhig. Sie ruft eine chinesische Journalistin, Frau Gu, an, um sich zu erkundigen, wann ein Beitrag veröffentlicht wird. Frau Gu bittet um Geduld, da die Redaktion noch andauere, woraufhin die Deutsche vorschlägt, weitere 30 Euro zu überweisen. Die Chinesin reagiert hierauf mit völligem Unverständnis und antwortet gereizt, dass sie unbestechlich und dies doch keine Frage des Geldes sei. Die Deutsche verabschiedet sich und legt verwirrt auf. Warum hatte die Chinesin denn überhaupt die ersten 30 Euro angenommen? In einem weiteren Gespräch mit dem Pekinger Bekannten wird ihr klar, was sie falsch gemacht hat…
Fragen:
Was hat die deutsche Sinologin aus chinesischer Sicht falsch gemacht? Welche Unterschiede im Umgang mit Geschenken und Bestechung lassen sich im Beispiel erkennen? Wie ließe sich so ein Konflikt – wenn überhaupt – vermeiden?
Konflikt:
Es gibt zahlreiche Beispiele davon, dass Deutsche in China nicht zwischen dem Erwünschten und dem Unangemessenen zu unterscheiden wissen. Ein Grund dafür besteht darin, dass in Deutschland und China unterschiedliche Auffassungen darüber vorherrschen können, was moralisch akzeptabel ist.
Die Sinologin aus Deutschland hatte die ersten 30 Euro bereits als eine Art Bestechung interpretiert, wohingegen die Journalistin Gu dieses Geld – wie ihre Kollegen auch – lediglich als Aufwandsentschädigung verstanden hatte. Das Angebot einer zusätzlichen Zahlung hatte Frau Gu offensichtlich als Beleidigung empfunden und sich eventuell in ihrer Berufsehre verletzt gefühlt. Natürlich war die Zahlung der ersten 30 Euro keine offizielle Unkostenerstattung, deren Erhalt die Journalisten quittiert hätten. Es handelt sich hier um eine Aufmerksamkeit, die sich in dieser Branche durchgesetzt hat, jedoch nirgends als Richtlinie auftaucht.
ICC China-Knigge: Tipps für Leben und Arbeiten in China
Der ICC China-Knigge steht für Sie online! Bereiten Sie sich mit dem neuen E-Book für China und deutsch-chinesische Projekte vor. Interkulturelle Tipps und Hintergründe helfen Ihnen, erfolgreich zu kommunizieren und unnötige Konflikte zu vermeiden:
Zum kostenlosen Download!
Geschenk oder Bestechung? Lösungsansatz:
Vorab kann gesagt werden, dass die chinesische Journalistin letztendlich wie angekündigt einen kurzen Artikel zu der Konferenz veröffentlicht hat. Die Gewohnheit, Journalisten ein finanzielles Dankeschön mitzugeben, muss hier nicht ethisch diskutiert werden. Faktisch hat sich dieser Trend durchgesetzt und man wird mit Kopfschütteln konfrontiert, wenn man sich nicht danach richtet.
Wer sich mit den Gepflogenheiten einer bestimmten Branche in China nicht auskennt, sollte sich umfassend informieren und gegebenenfalls eine chinesische Agentur beauftragen. Grundsätzlich wird ohnehin empfohlen, derlei Veranstaltungen mit einer chinesischen Partnerorganisation durchzuführen. Diese verfügt über das notwendige Wissen und die richtigen Kontakte, um die Pressearbeit zu übernehmen.
Ausblick
Im zweiten Teil des Artikels wird erklärt, wie man als deutsches Unternehmen in China grundsätzlich mit Bestechung und Korruption umgehen kann. Sollte man sich schlechten Gewohnheiten fügen, sogar kriminell handeln? Hat man als kleines Unternehmen vielleicht gar keine andere Wahl? Lesen Sie hier in Kürze selbst…
Haben Sie ähnliche Erfahrungen in China gemacht, die Sie mit uns teilen möchten? Dann freuen wir uns auf Ihren Kommentar. Auch Fragen beantworten wir gerne.
Falls Sie an einem interkulturellen Training interessiert sind, in dem auf kulturelle Unterschiede und Probleme wie Korruption in China eingegangen wird, kontaktieren Sie uns jederzeit.
* Die Namen im Fallbeispiel sind frei gewählt. Das Beispiel ist leicht abgewandelt als Teil des Artikels „Interkulturelle Konflikte und Lösungswege: Beispiele aus der deutsch-chinesischen Praxis“ im Magazin des Chinesischen Industrie- und Handelsverbandes (2013.19, S. 27-30) erschienen.
MaGuang meint
Bin auf den nächsten Artikel gespannt! Auch für Chinesen ist es nicht einfach damit umzugehen in China.
Peng Zhao meint
wie beschrieben, die richtige Handlung ist die beste Wahl, besser gesagt, bevor man was macht, sollt man erst nachdenken(interkulturelle Ebene).