Von Julia Hubschmid*
Erste Formen digitalen Publizierens im Bereich von literarischen Texten lassen sich bereits in der Anfangsphase des Internets in China Ende der 1990er Jahre finden. Zu dieser Zeit entstanden Internetseiten, auf denen Nutzer literarische Texte einreichen und online lesen konnten. Die Internetseite rongshuxia.com 榕树下 (deutsch: „unter dem Banyanbaum“) war mit ihrer Gründung 1997 eine der ersten dieser Seiten.
Rongshuxia.com wurde schnell zu einer Keimzelle junger Autorentalente wie Han Han, Ning Caishen, Jin Hezai oder Murong Xuecun. Es entstanden andere ähnliche Seiten und die Leserschaft nahm schnell zu. Nach einem Bericht des China Internet Network Information Center (CNNIC) lasen 2012 knapp 200 Millionen Menschen regelmäßig Internet-Literatur. Der Entstehungsprozess dieser Literatur unterscheidet sich nicht grundlegend vom traditionellen Entstehungsprozess literarischer Texte. Es handelt sich dabei jedoch um Texte, die sich vor allem an eine junge, urbane Leserschaft richten und von eben jener geschrieben werden. An Genres findet sich dabei die ganze Skala „from romance and horror to science fiction and fantasy, and reader interest helps carve them into more specific niches, like military fantasy novels, „officialdom“ literature, and stories about time travel.“ [1]
Entwicklung der Internet-Literatur in China: ein Überblick
Mit etwa sechs Millionen verfügbaren Titeln ist das chinesische Unternehmen Cloudary 盛大文学 (cloudary.com.cn), das zur Shanda Group 盛大网络 (snda.com) gehört, gegenwärtig der eindeutige Marktführer im Bereich von Internet-Literatur. Das Unternehmen Shanda hat 1999 mit einer Internetplattform für Online-Spiele angefangen und ist heute eine Verlagsgruppe, die in einer Holdingstruktur einige der wichtigsten chinesischen Verlage unter sich vereint und zudem auch über eigene Distributionskanäle für physische Bücher verfügt. Der Einstieg in den Buchmarkt erfolgte 2008 als das Tochterunternehmen Shanda Literature gegründet wurde, das später in Cloudary umbenannt wurde. Shanda wurde mit dieser Internetplattform für Online-Literatur innerhalb kurzer Zeit zum Marktführer. Diesen Sprung schaffte das Unternehmen, indem es die drei bekanntesten Internetseiten in diesem Bereich akquirierte und nutzerfreundliche Bezahlungssysteme einrichtete (pay-per-read- und Flatrate-Modell).
Auch im Segment des Self-Publishing ist Cloudary sehr aktiv: Cloudary hat etliche Autoren unter Vertrag, die exklusiv für das Web-Portal schreiben. Aus diesen Inhalten wiederum produziert Shanda unter anderem Filme, denn in diesem Bereich ist das Unternehmen ebenfalls sehr aktiv. Cloudary hat mehr registrierte Nutzer als andere vergleichbare Plattform im Westen, findet aber keine große Beachtung von anderen traditionellen Verlagen oder von der Presse. Cloudary verfügt über eine eigene Vertriebsplattform in App-Form, den Cloud Bookstore 云中书城, auf den Nutzer von verschiedenen Geräten zugreifen können – von Desktop PCs, mobilen Endgeräten oder von dem unternehmenseigenen Bambook-E-Reader“, der seit August 2012 auf dem Markt ist.
*Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus der Masterarbeit, den die Autoren im Jahr 2014 erfolgreich an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eingereicht hat.
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[1] Gao, Helen: Why Aren’t Chinese People Reading Books Anymore. In: The Atlantic (theatlantic.com) vom 15.08.2013.
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