Duzen oder Siezen? Was gehört sich in Deutschland? Was nicht? Gerade Nicht-Muttersprachler haben es mit den höflichen Feinheiten der deutschen Sprache nicht leicht. Als Trost kann gesagt werden, dass selbst deutsche Muttersprachler nicht immer sofort wissen, welche Anrede richtig ist. Das liegt auch an einigen Sonderformen…
Das Anredeverhalten in verschiedenen Ländern und Regionen stellt grundsätzlich eine interessante Schnittmenge zwischen Sprache und Kultur dar. In manchen Sprachen gibt es Sie-Formen, in anderen nicht. Das Chinesische hat zum Beispiel eine Singularform für „Sie“ (nin 您), eine Pluralform wird aber nicht verwendet. Auch im Russischen und im Französischen kann man duzen und siezen, während das Englische bekanntlich nur eine Anredeform (you) vorsieht.
Immer mit Sie-Anrede starten
Wann duzt man in Deutschland unter Erwachsenen? Wann sollte man die Sie-Anrede wählen? Eine Faustregel dafür ist die folgende: Man startet immer mit der höflichen Sie-Form, wenn eine Hierarchie erkennbar ist und ein offizieller Rahmen vorliegt.
Falls eine höher gestellte Person, wie ein Lehrer, Chef oder älterer Kollege, dann das Du anbietet, so geht man dazu über, sich gegenseitig zu duzen. Aber Vorsicht: Manchmal möchten Respektspersonen andere duzen, aber nicht selbst geduzt werden. Hier siezt man dann am besten weiter, bis man noch einmal ausdrücklich das Du angeboten bekommt.
Schwierigkeiten zwischen Du und Sie
So schwierig ist das also gar nicht? Nun ja, leider gibt es noch ein paar Komplikationen, die aber nicht ganz so oft vorkommen – trotzdem sollte man sie kennen. In manchen Unternehmen und Organisationen wird im Berufsalltag gesiezt, nach Feierabend geduzt. Dann gibt es auch noch die Ausnahme, dass im Betrieb im Englischen mit Vornamen geduzt bzw. geyout wird, wenn man aber ins Deutsche wechselt, wieder das Siezen mit Nachnamen bevorzugt wird. Das ist lästig und seltsam, passiert aber.
Sonderformen der Anrede in Deutschland
Jetzt haben wir alles? Leider noch nicht. Es gibt noch ein paar verrückte Sonderformen, die aber wirklich eher selten vorkommen, was auch von der Region abhängt. Diese Regeln sind unter verschiedenen Namen bekannt, die hier aufgeführten sind wohl die bekanntesten:
Münchener Du
Man spricht hierbei mit Frau oder Herr XY an, verwendet aber trotzdem das Du. Man hört das zum Beispiel auch im Kindergarten: „Frau Berger, kannst du mir mal helfen?“ Manchmal wird auch nur der Nachname genannt: „Müller, reichst du mir mal den Ordner?“
Rheinisches Ihr
Diese Form ist noch weniger bekannt, aber auch existent. Bei der rheinischen Ihr-Anrede spricht man die Gruppe mit der Du-Form im Plural an, also beispielsweise: „Schön, das ihr (anstatt Sie) alle gekommen seid!“ Die einzelnen Personen werden aber weiterhin gesiezt.
Hamburger Sie
Durch die englische Sprache beeinflusst wurde vermutlich die Sie-Form mit dem Vornamen. Man sagt hier also etwa: „Danke, Michael, ich werde Ihnen das zuschicken.“ Das Hamburger Sie ist wohl die meist verwendete Sonderregel.
Fazit
Die deutsche Sprache ist tatsächlich nicht leicht, die kulturellen Regeln dafür sind es auch nicht. Wir hoffen, mit diesem Überblick ein wenig helfen zu können. Im Zweifelsfall bleibt der Tipp: Siezen, bis das Du angeboten wird. Und zur Not kann man auch immer nett einen Kollegen fragen, was sich gehört. Die Deutschen machen es manchmal etwas kompliziert, aber in der Regel sind sie doch recht hilfsbereit.
thommi meint
Es fehlt noch das „Berliner Er“ Also die Anrede einer Person als Er gewissermaßen als Mittelding zwischen Sie und Du
interculturecapital meint
Guter Hinweis, vielen Dank dafür!
Hardy Fandrich meint
Ich war kürzlich im Deutschen Konsulat in Melbourne, Australien. Da werden alle (deutschen) Besucher/Antragsteller ge-duzt.
Arnold Morgan meint
Ich war 40 Jahre in einem internationalen Konzern tätig. Das DU war bis zu einer gewissen Ebene Standard. Ab der Direktionsebene war es unterschiedlich.
Ich wohne in Hamburg auf Finkenwerder. Hier heißt es (Achtung Plattdeutsch):
Up Finkwarder seggt wi al Du to’n’anner. Bloß to di, Herr Postur, seggt wi Se.“
(Auf Finkenwerder sagen wir alle Du zueinander. Nur zu dir, Herr Pastor, sagen wir Sie.)
In einem Seminar, das auf Englisch stattfand, fragte mich eine mir bis dahin unbekannt Kollegin tatsächlich, ob wir und hier duzen oder siezen.
Meine Antwort war: „You may say you to me.““
Gerhard Schulz meint
Deutschland-ein schwieriges Land!
Seit einigen Jahren verbringen wir den Sommer in den skandinavischen Ländern, Hauptsächlich in Schweden. Als ich dann wegen einer Krankheit ärztlichen Rat einholen mußte, stellte sich mir der Arzt mit seinem Vornamen vor..Seine Worte waren: „Ich heiße soundso“ Ich nannte dann meinen Namen.. Ehrlich gesagt, mir war komisch zumute. Sowas kannten wir von zu Hause nicht.
Die nächste Frage war „: Was kann ich für DICH tun? Im weitern Gespräch erfuhr ich dann, daß er in Deutschland studiert hatte.
Mit der Zeit lernten wir auch etwas schwedisch und gewöhnten uns an das „DUZEN“