Von ICC-Redakteurin Mateja Mogus
Am 29. Oktober hat die chinesische Regierung, die seit dem Ende der 1970er-Jahre größtenteils bestehende Ein-Kind-Regelung aufzuheben und jedem Paar ein zweites Kind zu gestatten. Rund 90 Millionen chinesische Paare werden somit die Möglichkeit erhalten, ihre Familienplanung auf zwei Kinder auszuweiten. So strikt diese Familienplanung mit samt ihren Sanktionen auch gewesen sein mag, wirklich starr war sie nicht lange.
Die erste Lockerung der Ein-Kind-Politik fand bereits im Jahre 1984 statt. Die Regierung gestatte ländlichen Paaren ein zweites Kind, sofern das erste ein Mädchen war. In den Jahren 2002 und 2013 wurden weitere Ausnahmeregelungen erlassen, bei denen es Paaren zunächst erlaubt wurde, ein zweites Kind zur Welt zur bringen, wenn beide Partner Einzelkinder waren. Später wurde diese Regelung erneut gelockert, indem der Status des Einzelkindes nur noch auf mindestens einen der Partner zutreffen musste. Wurde die Ein-Kind-Politik zunächst eingeführt, um das Bevölkerungswachstum einzudämmen, so musste sie sukzessive flexibilisiert und an gesellschaftsstrukturelle Veränderungen und Probleme angepasst werden.
Alterung der Gesellschaft in China
Laut Angaben der Nationalen Gesundheits- und Familienplanungskommission haben bis Mai 2015 nur 13 Prozent der elf Millionen Paare, die Anspruch auf ein zweites Kind gehabt hätten, einen Antrag gestellt. Ziel war es, der Tendenz einer alternden Gesellschaft entgegenzuwirken, indem die Geburtenrate wieder angekurbelt wird. Nicht nur die geringe Kinderzahl, sondern auch die steigende Lebenserwartung in China führt zu einer immer schneller werdenden Vergreisung der Gesellschaft. Prognosen zufolge werden im Jahre 2050 49,5 Prozent der Bevölkerung über 50 Jahre alt sein. Vor diesem Hintergrund wirft der drohende Mangel an Arbeitskräften im Land außerdem die Frage auf, wer künftig die Renten finanzieren und die Alten versorgen soll. Diese demographische Entwicklung machte eine Überarbeitung der Familienpolitik unabdingbar. Von Regierungsseite aus heißt es, dass diese Neuerung vor allem ländliche Familien zugutekommt, da diese 60 Prozent der „Zielgruppe“ ausmachen und an einer größeren Familie mehr Interesse zeigen als ihre städtischen Pendants.
Wenngleich nicht direkt angesprochen, so stellt die zunehmende Individualisierung des Lebensstils vieler Chinesen eine durchaus ernstzunehmendes Hemmnis dar, wenn es um den Erfolg der neunen Familienpolitik geht. Neben Männern verfolgen jetzt auch immer mehr Frauen eigene Karriereziele und räumen der Familiengründung nur nachranginge Bedeutung ein. Familien mit nur einem Kind haben häufig ihre gesamten Mitteln in die Erziehung gesteckt, um den Nachwuchs die besten Chancen für die Zukunft zu bieten. Hinzu kommen die nicht zu unterschätzenden Kosten für die Schul- und Universitätsausbildung der Kinder, insbesondere in Chinas teuren Großstädten. Ob die finanziellen Mittel und die Energie der Eltern für ein zweites Kind noch ausreichen, bleibt daher fraglich.
Ausblick: Chinas Kinder der Zukunft?
Eine Lockerung der Familienpolitik war in Anbetracht der demographischen Herausforderungen und des drohenden Arbeitskräftemangels der richtige Schritt, um den künftigen sozialen und ökonomischen Problemstellungen zu begegnen. Die Frage, ob diese familienpolitische Kehrtwende zur richtigen Zeit kommt und wie viel Erfolg sie letzten Endes bringt, bleibt abzuwarten. Um das Kinderkriegen für Paare künftig attraktiver zu machen, sollten weitere Reformen vorangetrieben werden, welche die finanzielle Entlastung der Eltern sicherstellen und die optimalen Rahmenbedingungen für eine Familiengründung schaffen. So könnte man den Bedürfnissen der einzelnen Paare und der Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Strukturwandels mithilfe einer ganzheitlich konzipierten Politik begegnen.
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