Von ICC-Redakteurin Maike Holzmüller
Wenn in Deutschland Studien über Kinderarmut und Neuigkeiten über Bildungsungleichheit die Medienlandschaft füllen, wird wieder klar: Bildung hat einen direkten Einfluss auf wirtschaftlichen Erfolg und Armutsbekämpfung. Dieses Phänomen macht auch nicht vor der Volksrepublik halt.
Gerade die Reformen der letzten 30 Jahre im chinesischen Bildungssektor forcieren neue und alte Probleme, wie Bildungsungleichheit, Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel. Dabei hängen Bildungschancen und persönliche Ambitionen primär von einer Sache ab: der Herkunft des Einzelnen und damit sowohl dem lokalen, als auch familiären Hintergrund.
„Massenausbildung“ und Bildungsungleichheit in China
Es sind Rekordzahlen, die die Volksrepublik in den vergangenen Jahren im Bereich der Hochschulabschlüsse vorzuweisen hat: seit 1999 steigt die Zahl der Studenten um durchschnittlich 11, 83% im Jahr. Das historische Hoch von 2013 mit 6,99 Millionen Absolventen wurde im vergangenen Jahr mit über 7 Millionen Abgängern noch getoppt. Bildungsreformen wie die Umverteilung der Bildungsfinanzierung auf die Provinz- und Landkreisebenen führen zu stärkeren Investitionen in Bildung in den entwickelten und reicheren östlichen und städtischen Gegenden des Landes. Zugleich führt die stärkere finanzielle Belastung der Familien etwa durch Studiengebühren dazu, dass diese „Massenausbildung“ primär Kinder solcher Familien erreicht, die die zusätzliche finanzielle Last zu tragen wissen. Bildungsungleichheit in China besteht daher primär zwischen urbanen und ländlichen sowie zwischen den östlichen und westlichen Teilen des Landes.
Dabei fällt den Kindern von Wanderarbeitern ein besonders hartes Los zu. Durch ihre Herkunft aus meist westlichen und weniger entwickelten Regionen sowie ihren niedrigen sozioökonomischen Status bleibt vielen Familien der Zugang zu höherer Bildung verwehrt. Ihre Registrierung als Landbewohner hindert viele Arbeiter am Zugang zu prestige- und ertragreicheren Positionen, die einen offiziellen städtischen Wohnsitz erfordern. Die nur bedingt Bildung erfordernden Arbeitsstellen, in die viele Wanderarbeiter gedrängt werden, und die dennoch vergleichsweise attraktiven Gehälter halten viele ihrer Kinder von dem Ziel der höheren Bildung ab. Doch auch wenn Interesse an höherer Bildung in den Familien vorhanden ist: die fehlenden Rücklagen zur Finanzierung eines Hochschulstudiums machen die Erfüllung dieses Traums für viele unerreichbar. Damit sinkt auch die Möglichkeit, einen der Stadtjugend ähnlichen Lohn zu erhalten. Die soziale Ungleichheit wird so auf nachfolgende Generationen übertragen.
Fachkräftemangel trotz hoher Absolventenzahlen in China
Doch bedeutet dies noch lange nicht die sichere Karte zum Erfolg für die vielen Hochschulabsolventen aus den reicheren Gegenden und Familien des Landes. Mit einem Hoch der Zahl an Studienabgängern geht derzeit in China auch ein Hoch an Arbeitslosigkeit einher. Dies liegt vor allem an dem Interesse vieler, eine der wenigen Stellen in öffentlichen oder teilweise öffentlichen Bereichen zu erhalten, die mit hohen Gehältern und vielen Vorteilen locken. Auch der Finanzsektor zieht viele Studenten an und erzeugt dadurch ein Überangebot an Universitätsprogrammen und folglich an Abgängern im Finanzbereich. Das Interesse an einer Anstellung im stärker entwickelten Osten des Landes zieht zudem Hochschulabsolventen aus dem Westen des Landes ab und erzeugt ein Überangebot in den östlichen Provinzen.
Dagegen erfährt der Handwerksbereich, der mit 30% der nationalen Arbeitsstellen die Basis der chinesischen Wirtschaft darstellt, seit 2011 einen Fachkräftemangel. Universitäten und Arbeitgeber arbeiten zu wenig zusammen, Qualitätsstandards und übergeordnete Organe zu deren Prüfung fehlen, die Qualität der Ausbildung in den westlichen und ärmeren Regionen ist gering. Doch genau hier hat sich in den letzten Jahren eine Chance zur chinesisch-deutschen Kooperation ergeben: immer häufiger entstehen Projekte zur Förderung eines dem deutschen ähnlichen dualen Ausbildungssystems.
So fördert insbesondere die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) den Aufbau von Ausbildungszentren nach deutschem Vorbild in China und die Ausbildung von Lehrkräften. Darüber hinaus bilden immer mehr deutsche Firmen vor Ort ihre chinesischen Mitarbeiter selbst aus. Dennoch: die Ausbildung bleibt primär von Schulen und Familien finanziert und genießt dabei geringeres Ansehen als das offizielle Hochschulstudium. Bildungsungleichheit und Fachkräftemangel bleiben also weiterhin brisante Themen in China.
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