Ein Business-Erfahrungsbericht von Jennifer Nemeth – Teil 2
Bei einer potentiellen chinesisch-deutschen Kooperation müssen aus chinesischer Sicht zwischenmenschliche Beziehungen besonders durch die Gastfreundschaft gepflegt werden, bevor eine verbindliche Basis für eine tatsächliche Zusammenarbeit entstehen kann.
Diese Annäherung lässt dann allerdings offen, wie ehrlich die freundschaftlichen Bemühungen gemeint sind, wenn sie ursprünglich aus praktischen Gründen vorangetrieben werden. Dadurch kann bei einem deutschen Geschäftspartner sogar Misstrauen entstehen. Der Aufbau von Freundschaften zur Gestaltung der Geschäftsbeziehungen in China ist jedoch Teil der chinesischen Unternehmenskultur und der Höflichkeit und wird daher mit großem Einsatz verfolgt. Oftmals bemüht sich vor allem die Partei, die bei den Verhandlungen am kürzeren Hebel sitzt.
Kennenlernen in China – Freundschaft geht durch den Magen
Erst lernt man sich vorzugsweise in einem Gespräch bei Tee in der Firma kennen, lädt zum Essen ein und redet dabei über regionale Küche, Kultur, Hobbies, Geschichte oder – je nach Vertrautheit des Gesprächs – auch über die Familie. Um eine Beziehung zu intensivieren, werden nach ein paar Treffen zudem Geschenke überreicht. Teilweise haben Firmen, die regelmäßig ihren Kundenstamm pflegen und ausbauen müssen, für solche Gelegenheiten Geschenkpakete vorrätig, wie ich amüsiert entdeckte. Sehr beliebte Geschenke zu dieser Gelegenheit sind edle Teesorten, Wein oder andere beliebte Spirituosen.
Deutsche Elefanten im chinesischen Porzellanladen
Die deutsch-pragmatische Direktheit, die Deutsche ja als ehrlich und produktiv empfinden, steht dieser chinesischen Höflichkeit oft entgegen – wie ein Elefant in einem Porzellanladen. Ich habe in allen Bereichen die Erfahrung gemacht, dass es für Fremde in China wichtig und höflich ist, wenigstens den Willen zu zeigen, die chinesische Kultur kennenzulernen. Wenn ich wiederum chinesische Gäste zu Besuch habe, ist viel Verständnis, Freundlichkeit und gute Hilfestellung sowie Begleitung im Alltag von großem Wert.
Es heißt nicht Anpassung um jeden Preis und bis zur Selbstverleumdung, aber es ist ein wertvoller Anfang, dass beide Parteien mit Verständnis, Toleranz und Bewusstsein für die Andersartigkeit der Kulturen aufeinander zugehen.
Wie denken Sie darüber? Haben Sie ähnliche Erfahrungen in China oder Deutschland gemacht? Was halten Sie von Business-Freundschaften? Wir freuen uns über einen Kommentar von Ihnen.
Business in China: Erst die Freundschaft, dann das Geschäftliche (Teil 1 des Artikels)
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U.W. meint
Ich hatte auch das Gefühl. Ohne gute Beziehungen geht nichts in China. Freundschaft und Business schienen da auch meist kein Widerspruch zu sein. Die chinesische Version der Freundschaft hat mir auch besser gefallen, als die amerikanische (zumindest die ich kennen gelernt habe: einen Abend beste Freunde, nächstes Treffen: What was your name again?). In China können nur die Verbindlichkeiten etwas zu viel werden: Man muss immer gefasst sein auch größere Gefallen zu übernehmen. Die aus deutscher Sicht auch etwas kompliziert aussehen können.