Die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 ist zum Abschluss gekommen. Wir werfen einen interkulturellen Blick auf die letzten großen Spiele des Turniers. Zu welchen emotionalen Reaktionen kam es im Anschluss an diese Begegnungen? Niederlagen führen gewöhnlich zu Enttäuschung, Siege zu Freude, doch im Ländervergleich zeigen sich weitere kulturspezifische Verhaltensmuster…
Wer heutzutage von einheitlichen Nationalkulturen spricht, muss sich auf Kritik wegen möglicher Verallgemeinerungen gefasst machen. Fraglos finden sich in einem Land jedoch kulturelle Gemeinsamkeiten, da die Landessprache(n), tradierte Erziehungsstile und nicht zuletzt das Schul- und Ausbildungssystem die Mentalität der Menschen beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielen darüber hinaus die Medien der jeweiligen Gesellschaft. Sie reflektieren etablierte Emotionen und verstärken sie durch die wiederholte und landesweite Verbreitung. Das lässt sich auch an den letzten WM-Spielen von Brasilien, Argentinien und Deutschland verdeutlichen.
Brasilien weint und weint und weint…
Selbst in Brasilien wurden irgendwann kritische Stimmen laut, weil die eigene Nationalelf im Turnierverlauf so rührselig erschien. Das war vor Neymars Verletzung. Diese verursachte eine regelrechten Volkstrauer, aus der man sich im immerhin eine gemeinsame Trotzreaktion mit unerwarteten Kräften erhoffte. Die blieb aus brasilianischer Sicher aber leider aus. Stattdessen ging die Seleção in einem historischen Spiel gegen Deutschland kläglich unter. Diejenigen Brasilien-Anhänger, die bis zum Ende im Stadion blieben, ließen ihren Zorn am Stürmer Fred aus, um zwischenzeitlich sogar den Deutschen zuzujubeln. War das der Grund, warum die Weltpresse im Anschluss an das Spiel vor allem den Verlierer bedauerte? Nur wenige gingen auf die Deutschen ein. Möglicherweise hatte ihnen die angsteinflößende Vorstellung auch schlichtweg die Sprache verschlagen. Die brasilianischen Spieler und Medien sparten nach der Niederlage nicht mit dramatischen Worten. Anstatt etwa „Ärgern, abhaken, wieder durchstarten“ als Devise zu nehmen, war von „Fußball-Armut“, „lebenslanger Schmach“ und „ewiger Schande“ die Rede. Vielleicht ist das die brasilianische Art, mit einer herben Niederlage umzugehen?
Argentinien poltert mit Maradona…
Argentiniens aktueller Weltstar Lionel Messi ist nicht für große Worte bekannt, das frühere Idol des argentinischen Fußballs, Diego Armando Maradona, hingegen schon. Er war es auch, der sich einst geweigert hatte, zusammen mit Thomas Müller ein Interview zu geben, weil er den deutschen Offensivspieler nicht kannte. Zwar lobte Maradona Deutschland nach dem fulminanten 7:1 gegen Brasilien, tat das indes mit reichlich Häme für den südamerikanischen Erzrivalen. Er ließ es sich ebenso nicht nehmen, die alte Kriegsrhetorik von „deutschen Panzern“ zu bemühen, gegen die Argentinien im Finale bestehen könne. Die argentinischen Medien gingen mitunter streng mit der eigenen Mannschaft ins Gericht, nur das Ausnahmetalent Messi wurde meist verschont. Lionel Messi gilt nun einmal als Messias des argentinischen Fußballs, dem man auch ein unauffälligeres Spiel verzeiht. Nach dem Sieg gegen Holland überwogen in Argentinien der Optimismus und die Vorfreude auf das Finale. Nach dem verlorenen Finale gegen Deutschland bemerkten Argentiniens Medien, dass Messi nicht ganz fit gewesen sei. Zwar schaffte der Ausnahmespieler es nicht, seine Mannschaft ganz nach oben zu schießen, doch seinen Heldenstatus wird er dadurch nicht verlieren. Zumal er abschließend zum besten Spieler der WM 2014 gekürt wurde. Einer der wenigen, der dies in Argentinien nicht gutheißen wollte, war übrigens… Wer wohl? Maradona!
Und am Ende gewinnt immer…
Deutschland? Ja, Deutschland! Ein Nationaltrainer hat es nie leicht, insbesondere nicht in Deutschland. Wie Umfragen der Plattform Fanorakel zeigen, drehte sich die Stimmung vor und im Turnier vollständig. Während noch im Mai 2014 eindeutige 83 Prozent den Titelgewinn unter Löw für unmöglich hielten, ergab sich nach dem Sieg gegen Brasilien ein neues Bild. Stolze 92 Prozent erklärten zeitweilig, dass Deutschland in diesem Jahr Weltmeister werde. Löw vom Verurteilten zum Volkshelden? Hängt das mit dem bereits erwähnten „himmelhoch jauchzend [und] zu Tode betrübt“ sein zusammen, das einst Goethe formulierte? Jedenfalls schwankte die Stimmung im Turnierverlauf stark: Nach dem deutlichen Sieg gegen Portugal kam Jubellaune auf, das 2:2 gegen Ghana wurde wie eine Niederlage gewertet. Nach der mehr als überzeugenden Vorstellungen gegen Brasilien plante halb Deutschland bereits die WM-Siegesfeier, Listen mit 10 Gründen, warum Deutschland Weltmeister wird, flatterten durch die Medien. Nach einem harten Kampf gegen Argentinien siegte am Ende mit Deutschland das Land, das so lange nichts mehr gewonnen hatte. Und dann war erst einmal ganz egal, wie sicher man sich war oder hätte sein können, war nebensächlich, wer jetzt genau was alles richtig gemacht hatte. Zum Schluss zählte nur der Sieg und der wurde von ganzem Herzen und im ganzen Land gefeiert. Das ist freilich in allen Ländern und Kulturen gleich.
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Stephan Brauss meint
Schön dass die Hand Gottes jetzt mal etwas hinter die Ohren bekommen hat;)