Deutsche, die anfangen, sich mit China zu beschäftigen, haben in der Regel schon bestimmte Bilder vom Reich der Mitte im Kopf. In der Schule ist das Land bis heute selten ein Thema, sodass sich Chinabilder bei vielen Deutschen aus Filmen, Büchern, Medienberichten und Erzählungen zusammensetzen. Interessant ist, dass diese Bilder teilweise mehr über Deutschland als über China aussagen…
In dieser dreiteiligen Reihe wird ein Überblick zu den deutschen Chinabildern von den Anfängen bis in die Gegenwart gegeben. Wie viel wussten und wissen die Deutschen tatsächlich über das Reich der Mitte? Hat sich das Bild gewandelt? Wie sind die Perspektiven?
Frühe Chinabilder
Einflussreiche Chinabilder entstanden in Deutschland ab dem späten Mittelalter durch die Berichte von europäischen Missionaren, Abenteuer- und Handelsreisenden, die es ins Reich der Mitte geschafft hatten – oder zumindest ihre Leserschaft davon überzeugen konnten. Diese frühen Berichte und die darauf basierenden Chinadeutungen, die Philosophen und Literaten in den Folgejahrhunderten hierzulande anstellten, prägen zum Teil bis in die heutige Zeit die deutsche Chinawahrnehmung.
Auf Heimatsuche in die Fremde
Hierzu zählt erstens die Suche nach Gemeinsamkeiten in der fremden Welt, um die eigene kulturelle Identität zu stärken. Das wohl berühmteste Beispiel dafür ist der Philosoph Leibniz, der sich intensiv mit China auseinandersetzte und darin ein mit Deutschland geistesverwandtes Vernunftreich erkennen wollte.
Chinoiserie und kulturelles Fernweh
Ein zweites Muster besteht in der mystifizierenden Exotisierung Chinas, die dem westlichen Publikum ästhetischen Kunstgenuss wie auch weltflüchtige Zerstreuung ermöglichen sollte. Gut erkennbar ist diese Verklärung in den Kunstströmungen der Chinoiserie im 18. Jahrhundert, in denen mehr oder weniger chinesische Elemente in Handwerkskunst, Malerei und Architektur nachgeahmt und übertrieben wurden, um ein kulturelles Fernweh zu befriedigen – ein Unterfangen, das letztendlich als Nabelschau enden musste.
Abwertung und Rassentheorien
Besonders prägend ist in der frühen Chinawahrnehmung drittens eine Abwertung durch Abgrenzung, die vielfach aus dem missglückten Austausch entstanden war. Berichte von enttäuschten Händlern und Missionaren führten beispielsweise dazu, dass sich in Europa rasch das Bild vom verschlagenen Chinesen verbreitete.
Mit dem Scheitern der christlichen China-Mission im 18. Jahrhundert verschlechterten sich die Chinabilder in Europa tiefgreifend. Das Land wurde nun – ganz im Gegensatz zu Leibniz’ positiver Auslegung – als rückschrittlich und die chinesische Kultur als unterentwickelt herabgewürdigt. Verschlimmert wurde diese Entwicklung durch aufkommende Rassentheorien in Europa, die den Blick in die asiatische Fremde noch aggressiver gestalteten.
Zusammenfassung
Diese drei Wahrnehmungsmuster – die Verbrüderung, Verklärung und Verachtung – beeinflussten auch die deutsche Chinarezeption ab dem 19. Jahrhundert. In der Zeit westlicher Kolonialbegehren kam ein weiterer Aspekt hinzu, der vorher nur unterschwellig vorhanden war: China wurde als Bedrohung für die Welt, als eine „Gelbe Gefahr“ wahrgenommen, was sich auf das chinesische Reich als mögliche Weltmacht sowie auf die große Bevölkerung als eine unmoralische Masse bezog.
Die schweren Niederlagen, die das chinesische Kaiserreich ab dem 19. Jahrhundert in kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Westmächten erlitt, lösten die europäische und deutsche Furcht vor einer „Gelben Gefahr“ keineswegs auf. Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Annahme einer diffusen Bedrohung aus China als bevölkerungsstarkes Großreich noch durch konkrete politische und wirtschaftliche Befürchtungen erweitert.
Lesen Sie im zweiten Teil der Reihe, wie sich die deutschen Chinabilder im 20. Jahrhundert entwickelt haben.
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Sima Qian meint
Karl May, der Deutschen liebste Autor, war auch nicht ohne, als er über die Sineser geschrieben hat… Das ist schon ziemlich rechts, was bis heute in den Bibliotheken des Landes steht. Natürlich kommen da nicht nur die Chinesen schlecht weg…