Ich und China, wir mögen uns. Und es ist ja nicht nur privat, sondern auch akademisch. Wie kam ich eigentlich dazu, mich politikwissenschaftlich mit China zu beschäftigen? Viele kommen ja auf China durch eine chinesische Freundin oder Ehefrau. Oder sie lieben das chinesische Essen.
Ja, ich hatte auch mal eine chinesische Freundin. Und dass ich das chinesische Essen mag, sollte auch bekannt sein. Tatsächlich sind beide Gründe aber nicht ausschlaggebend gewesen für meine Beschäftigung mit China, immerhin durch eine Magisterarbeit sowie meine aktuelle Dissertation. Der Weg dahin war ein ganz anderer. Ich habe verschiedene Vorlieben. Vor allem chinesische gebratene Hühnerfüße. Aber da sind noch mehr Vorlieben. Und die haben mit China nichts zu tun.
Von Star Trek nach China – oder so ähnlich
Zum Beispiel Star Trek. Ja genau, diese Geschichte mit dem Raumschiff Enterprise. Das wird jetzt einige wundern, einige andere werden vielleicht zustimmen. Star Trek ist diese riesige Science Fiction-Merchandising-Maschine, die es auf mehrere Fernsehserien bringt, viele Kinofilme, Bücher, Comics, Fan Treffen in Kostümen und einer eigenen neuen Sprache – Klingonisch. Sie kennen das alles nicht? Denken Sie an Mr. Spock mit den spitzen Ohren. Der gehört auch zu Star Trek. Und seine Auftritte sind mittlerweile schon 50 Jahre her.
Star Trek hat viele verschiedene Völker, darunter gute Völker und böse Völker. Die guten, das ist die „Föderation“. Dazu gehört Mr. Spock und die Enterprise auch. Die bösen, das sind mal die Klingonen, die Romulaner, die Cardassianer, aber auch das Dominion. Und um das geht es. Das Dominion ist der böse Gegenentwurf zur Förderation. Das Dominion kommt aus einem anderen „Erdteil“, in der Science Fiction Welt heißt das „Quadrant“. Ein diktatorisch regiertes, streng hierarchisch aufgebautes Reich verschiedener Bevölkerungsgruppen, das politisch immens erfolgreich ist. Das Dominion arbeitet mit verschiedenen Mitteln: wirtschaftliche Beziehungen, militärischen Einsätzen, wenn es nötig ist. Es handelt kalt, skrupellos und sehr methodisch. Darin unterscheidet es sich von der demokratischen Förderation. Natürlich kommt es zum Krieg zwischen beiden Völkern. Natürlich gewinnt die Förderation. Egal, das ist nicht wichtig.
Jedenfalls hat mich das Dominion mehr fasziniert als die glänzende, humane, tolle Förderation. Ich fragte mich, wie macht das Dominion das eigentlich, so erfolgreich zu sein und eine offenbar auch attraktive Gegengesellschaft zur Förderation aufzubauen? Denn die Nachbarvölker der Förderation wie die Cardassianer oder auch die Romulaner schließen Allianzen mit dem Dominion oder erwägen das jedenfalls eine Weile. Also hat das Dominion trotz der bösen Rolle in der Serie eine gewisse Faszination. Zumal es ein schwieriger Gegner für die Förderation ist.
Die Serienstaffel, in der es um das Dominion geht, heißt „Deep Space Nine“ und wurde von mir vor mittlerweile sechzehn Jahren immer im Fernsehen gesehen. Von China wusste ich damals noch nichts. Dann habe ich vor mittlerweile zehn Jahren einen Satz gelesen. Einen Satz, der in einem Spiegel Online-Artikel veröffentlicht wurde, in dem es natürlich auch um China ging: „China ist dem Wortsinne nach eine düstere Großmacht, weil wir nicht fühlen, was sie fühlen, nicht wissen, was sie denken, und nicht einmal ahnen, was sie planen.“
China, Soft Power und das große Mysterium
Eine düstere Großmacht, die völlig anders denkt und plant wie wir im Westen, und damit noch bombastischen Erfolg hat – das erinnerte mich an etwas – genau, an das Dominion. Damit begann meine wissenschaftliche Begeisterung, die Erfolge der Chinesen zu erforschen. In meiner Magisterarbeit verfolgte ich das Konzept der „Soft Power“, der weichen Macht, also finanzielle Anreize und Vorbildfunktion, mit der Peking auf der ganzen Welt Erfolg hat. In meiner Dissertation geht es konkret um Afrika, und um die Widerstände, die Chinas Handeln bei den betroffenen Afrikanern hervorruft. Denn Widerstand, den gab es ja auch beim Dominion. Und die Theorie, dass das chinesische Konzept der Tianxia, der chinesischen Zivilisation als Zentrum der Welt und alle anderen Länder unter einem Himmel, einem chinesischen Himmel sei, die passte auch dazu.
Aber einen Krieg wie zwischen der Föderation und dem Dominion, das braucht es nun nicht. China ist mir friedlich, aber erfolgreich, viel lieber. Natürlich hat der DominionVergleich im Detail keine Relevanz. Es sind nur die groben Raster, die mich angesprochen haben. Die Führung des Dominions und ihre Pläne: unbekannt. Die Führung Chinas und deren Pläne: nach dem Spiegel Artikel ein Mysterium. Krieg als Mittel der Politik: beim Dominion nur, wenn es nicht anders geht. Tatsächlich hat die Föderation den Krieg sogar begonnen, weil die Erde sich eingekreist fühlte von lauter Freundschaftsverträgen des Dominions mit den umliegenden Mächten. Das Zitat lautete: „Wenn wir nicht den Krieg beginnen, verlieren wir den Frieden“.
China? Kaum begonnene Kriege, in den letzten Jahrzehnten nur eine „Straf- und Erziehungsexpedition“ gegen Vietnam. Freundschaftsverträge? Noch und nöcher. Vor allen Dingen mit afrikanischen Regierungen, darunter jeder Menge „Schurkenstaaten“. Die Werte, die das Dominion der Föderation entgegensetzte: Abhängigkeit und Beistand gegen Demokratie und Menschenrechte. Ähnlich wie bei China: Nichteinmischung in egal welches politische System, nur wirtschaftliche Abkommen und gegenseitige Hilfe. Demokratie? Nichts, womit Peking bisher viel anfangen konnte. Konkurrenz zum Westen? Jede Menge.
Begeisterungsobjekt aus dem Nachmittagsprogramm
Natürlich habe mich mit der Zeit, vor allem in China, erfahren, dass China nicht nur aus düsteren Termiten besteht. Es gibt wunderbare chinesische Menschen, das Essen ist für mich das vielfältigste und beste auf der Welt, die chinesische Art, freundlich und mit einem jedenfalls oberflächlichen Lächeln Konflikte zu umgehen und anders auszutragen, hat mich auch angesprochen. Aber das alles ist Zusatz, nicht Auslöser. Obwohl da noch die gebratenen chinesischen Hühnerfüße wären, das war und ist in China mein Lieblingsessen.
Auslöser war eine mittlerweile legendäre Science Fiction Serie und ein bisschen Phantasie. Daraus geworden ist ein möglicherweise lebenslanges berufliches Begeisterungsobjekt. Es gibt ja die These von dem Schmetterling, der mit seinem Flügelschlag einen Sturm auslösen kann. Genauso kann es beim Ansehen einer zwanzig Jahre alten Science Fiction-Serie kommen, irgendwo im Nachmittagsprogramm, vor mittlerweile sechzehn Jahren.
Über den Autor
Gunnar Henrich ist Politikwissenschaftler mit Chinafokus. Am Center for Global Studies der Universität Bonn promoviert er über Methoden und Ziele chinesischer Afrikapolitik am Beispiel Sambia. Exklusiv für das ICC-Portal hat Henrich Kapitel aus seinen spannenden Reisetagebüchern in China (2006-2007) veröffentlicht.
Foto: Flickr / Wonderlane / Bestimmte Rechte vorbehalten
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