Von ICC-Redakteur Thomas Schneider
Immer mehr Studienanfänger entscheiden sich für ein Studium mit Chinabezug und mehr und mehr Hochschulen bieten entsprechende Studiengänge an. China und der dortige Markt werden als Zukunft angepriesen, ein Studium mit entsprechendem Schwerpunkt folgerichtig als vielversprechend und gefragt in der Wirtschaft. Aber ist das wirklich so?
Wie gut stehen die Chancen für Absolventen tatsächlich, worauf kommt es an, was sollte man beachten? Auf diese Fragen soll der Artikel Antworten auf Basis von individuellen Erfahrungen und Austausch mit Vertretern aus der Wirtschaft geben. Chinastudium ist nicht gleich Chinastudium und so steht man erst einmal vor der Frage, welcher der vielen einschlägigen Studiengänge denn nun der richtige für einen ist. Zuerst einmal sei festgehalten, dass man hier keine allgemeingültigen Musterlösungen anbieten kann. Vieles hängt von den jeweiligen Zielen und Präferenzen ab, ein nicht unbedeutender Anteil des jeweiligen Curriculums wird außerhalb der Universität „geformt“ – durch Praktika und außeruniversitärem Engagement. Jedoch lassen sich natürlich auch bei den Studiengängen selbst einige Unterschiede ausmachen, die bedacht werden sollten.
Sinologie oder Ostasienwissenschaften studieren?
Häufig denken viele zuerst einmal an Sinologie, wenn von einem Studium mit Chinabezug die Rede ist. Doch tatsächlich sind die Möglichkeiten weitaus vielfältiger. Ein klassisches Sinologie-Studium legt den Fokus meist auf die sprachliche Ausbildung, ergänzt durch Aspekte wie Kultur oder Geschichte des Landes. Wirft man einen Blick in die von den Universitäten selbst genannten möglichen Berufsfelder, so werden häufig Bildungsbetriebe, die Forschung oder auch Tätigkeiten als Übersetzer und Dolmetscher oder das Arbeiten im Kulturbereich (Stiftungen, Museen etc.) angeführt.
Gerade in jüngerer Vergangenheit werden auch vermehrt Studiengänge mit größerer Orientierung hin zu kontemporären Aspekten wie Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft, angeboten. Für einen Einstieg in die Wirtschaft können diese Studiengänge unter Umständen sinnvoller sein. Oftmals sind diese dann nicht nur auf China begrenzt, sondern beziehen auch weitere Länder Asiens oder Südsostasiens mit ein – meist unter Namen wie Ostasienwissenschaften oder Ostasienstudien. Dies ist vor allem unter dem Gesichtspunkt interessant, dass mehr und mehr Unternehmen die Produktion aus Kostengründen von China in andere Länder, wie Kambodscha oder Vietnam, verlegen. Eine dritte Möglichkeit stellen Studiengänge dar, die neben der Schwerpunktlegung auf spezifische Länder oder Regionen auch eine Ausbildung in einer Disziplin (zum Beispiel Wirtschaftswissenschaft) vorsehen. Mit einem solchen Studiengang sichert man sich gewissermaßen ab, da durch entsprechende Kenntnisse theoretisch auch ein Einstieg in ganz klassische Bereiche der Betriebswirtschaft offen steht. Klar ist jedoch auch, dass hier die Sprachausbildung weniger umfangreich ist als bei sinologischen Studiengängen. Und selbst Sinologie-Absolventen haben es auch zahlreich in die Wirtschaft geschafft.
Chancen für Absolventen der Chinafächer
Absolventen der Ostasienwissenschaften können vielfältige Positionen bekleiden. Anders als nach einem Studium beispielsweise der Ingenieurswissenschaften oder des Controllings ist der spätere Weg deutlich weniger determiniert – explizite Stellen für Sinologen oder Ostasienwissenschaftler gibt es nur in den seltensten Fällen. Dieser Umstand ist Vor- und Nachteil zugleich. Vor wenigen Jahrzenten waren Absolventen mit Mandarin- und Landeskenntnissen noch eine echte Rarität, wie mir ein Unternehmensberater mit Fokus auf den chinesischen Markt erzählte. Als er Ende der 1970er Jahre seinen Abschluss gemacht hatte, umwarben ihn gleich drei der großen deutsche Banken und er konnte frei entscheiden, wo er eine Stelle als Trainee anfangen wollte. Nach seinem Einstieg war er für die Abwicklung der geschäftlichen Kommunikation mit chinesischen Partnern und Kunden zuständig und wurde wenige Jahre später als Leiter der Tochtergesellschaft in Peking eingesetzt.
Für heutige Absolventen sieht die Sache deutlich anders aus. Die Konkurrenz sowohl aus dem In- wie auch aus dem Ausland ist weitaus größer. Nicht nur lernen immer mehr Menschen Mandarin, häufig präferieren Unternehmen für entsprechende Stellen auch Chinesen, deren Englischkenntnisse oftmals besser sind als die Mandarin-Kenntnisse von deutschen Absolventen. Diese Erfahrung konnte ich auch während meiner Zeit in einer international aufgestellten Beratung in Deutschland machen: Die komplette Abwicklung von Sourcing-Aufträgen in China wurde von einer kleinen internen Abteilung, bestehend aus vier chinesischen Absolventen, übernommen. Ausgeschriebene Stellen für Ostasienwissenschaftler oder Sinologen gibt es, wie gesagt, nur wenige. Bereiche, wie das Business Development oder der strategische Einkauf, die eigentlich prädestiniert wären für Absolventen mit guten Landes- und Sprachkenntnissen des am schnellsten wachsenden Marktes weltweit, werden häufig durch reine Betriebswirtschaftler besetzt. So hatte mir ein Personaler einmal erklärt, dass „es eben einfacher ist, einem BWLer das notwendige Wissen über China bei zu bringen, als einem Sinologen betriebswirtschaftliche Kenntnisse“.
Das klingt alles, zugegebenermaßen, erst einmal nicht sonderlich überwältigend. Aber es gibt auch Positives zu berichten. Häufig wurde mir von Firmenvertretern erklärt, dass Absolventen entsprechender Studiengänge oftmals deutlich offener wären, mehr Weitblick hätten und Probleme flexibler angehen würden. Und gerade hierin besteht dann auch die Chance, um sich beispielsweise von der Masse an klassischen BWLern zu differenzieren. Dabei von großer Bedeutung ist zweifellos, direkt vor Ort Erfahrung zu sammeln. Ein Chinastudium ohne Auslandsaufenthalt im Land ist nur die Hälfte wert – das gilt sowohl für die Sprachfertigkeiten, das Wissen über Land, Kultur und Wirtschaft als auch für die Entwicklung der eigenen „Soft-Skills“. Ein interkultureller Trainer, der die Kultur nicht kennengelernt hat, ist genauso wenig überzeugend wie ein Unternehmensberater für den Markteintritt in China, der nie selbst Erfahrung auf dem chinesischen Markt gesammelt hat. Bringt man diese Erfahrungen jedoch mit, so stehen durchaus verschiedene Optionen offen.
Wichtig ist es, sich nicht von Anfang an nur auf mögliche Stellen in direktem Bezug zu China zu konzentrieren. Mehrfach wurde mir bereits gesagt, dass der Bezug zu China im Beruf letztlich mehr zufällig zu Stande kam, wie mir beispielsweise ein für Supply Chain und Einkauf zuständiger Mitarbeiter eines großen Automobilkonzerns berichtete. Nach dem Einstieg in eine klassische betriebswirtschaftliche Stelle kam nach einigen Jahren die Frage auf, wer aus der Abteilung für zwei Jahre ein Werk in China betreuen solle – aufgrund seines Studiums der Ostasienwissenschaften fiel die Wahl letztlich unverhofft auf ihn.
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