Text und Bild von ICC-Redakteurin Maike Holzmüller
Im ersten Teil des Artikels wurde bereits auf den Standort Xinjiang als gesellschaftlicher Schmelztiegel und wirtschaftliche Zukunftsregion eingegangen. Im Jahr 2013 wurde in diesem Kontext das Konzept eines „Wirtschaftsgürtels Seidenstraße“ und einer „Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts“ ausgerufen.
Damit stehen nicht nur Chinas internationale Handelskooperationen neu im Blickfeld, sondern auch die Förderung der chinesischen Regionen, die Teil der alten und damit auch des Konzepts der neuen Seidenstraße sind. Xinjiang, als Konfliktregion, aber auch bedeutendste innerchinesische Etappe auf der alten Seidenstraße, rückt damit besonders ins Licht – auch und vor allem als Wirtschaftsstandort.
Das Konzept der „Neuen Seidenstraße“
Entlang den Strecken der alten Seidenstraßen zu Wasser und zu Land, die China jahrhundertelang als Handelsnation mit dem Rest der Welt verbanden, soll das Konzept der „neuen Seidenstraße“ die wirtschaftliche Kooperation Chinas mit Nationen in weiten Teilen Asiens, Afrikas und Europas fördern. Dabei gilt Xinjiang als „Schlüsselzentrum für Transport, Handel, Logistik, Kultur, Wissenschaft und Bildung“ sowie als „Kernbereich“ auf dem „Wirtschaftsgürtel Seidenstraße“. Dies bedeutet nicht nur eine starke Verbesserung der lokalen Infrastruktur, wie den bereits erfolgten Ausbau der Transport- und Güterverkehrverbindungen mit Nachbarländern wie Kasachstan und Kirgistan. Die erst im Dezember eröffnete High-Speed-Trasse zwischen Xinjiangs Hauptstadt Urumqi und dem benachbarten Gansu soll nicht nur bis Peking erweitert werden, sondern sich potenziell auch als Netzwerk durch Länder wie Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan, Iran, Türkei und Bulgarien erstrecken. In der Grenzstadt Horgos wurde die erste grenzüberschreitende Freihandelszone eröffnet, die sich auf beide Seiten der chinesisch-kasachischen Grenze erstreckt. Und auch die Stärkung der touristischen Infrastruktur sowie der Aufbau eines Energieversorgungsnetzes zwischen China und Pakistan sind angedacht. Xinjiang wird als zentraler Knotenpunkt und als Region mit unbegrenztem Entwicklungspotenzial gehandelt. Es ist damit die Provinz, die am meisten von dem Konzept „moderne Seidenstraße“ profitieren soll.
Chancen Xinjiangs: Ansiedlung internationaler Unternehmen
Dennoch gibt es bisher nicht viele internationale Unternehmen, die sich dem Potenzial und zugleich den Herausforderungen Xinjiangs stellen. Coca-Cola zählt seit 2009 dazu und auch der Baumaschinenhersteller Sany, der 2012 den deutschen Betonpumpenbauer Putzmeister übernahm. Seit August 2013 siedelte sich mit Volkswagen und seinem Joint Venture Partner SAIC nun auch das erste deutsche Unternehmen in dem Autonomen Gebiet an. Bei den durch die Unternehmen genannten Gründen der Ansiedlung trifft das Thema Standortsicherung auf den Bereich Corporate Social Responsibility. So erhoffte sich Coca-Cola nicht nur eine Ausweitung seiner geographischen Präsenz und Wettbewerbsfähigkeit im damals drittgrößten Markt des Soft-Drink Herstellers, sondern auch eine Stärkung der Region durch die Schaffung von Arbeitspätzen. Auch laut VW diente die Ansiedlung in der durch die chinesischen Investitionen stetig an Kaufkraft gewinnenden Region der langfristigen Stärkung der eigenen Position im Land. Zugleich solle unter anderem durch die Beschäftigung von Minderheiten gemäß ihrem Anteil in der Bevölkerung ein Beitrag zur Befriedung und zum Aufschwung Xinjiangs sowie zur Sicherung des Standorts und der Produktion geleistet werden.
Gerade zum VW-Werk in Xinjiang wurden jedoch auch kritische Stimmen laut. Medienberichten zufolge soll die Eröffnung des lokalen VW-Werks dem Druck der chinesischen Regierung geschuldet und die gleichberechtigte Einstellung von Beschäftigten aus Minderheitengruppen bisher nicht in die Realität umgesetzt worden sein. Was auch immer die Gründe und wie auch immer der Erfolg der Umsetzung sozialpolitischer Ziele: aus rein wirtschaftlicher Sicht hat Volkswagen Erfolg mit seinem Konzept. So sind die Straßen der idyllischen Weinstadt Turfan, nahe Urumqis, inzwischen dominiert von Fahrzeugen des deutschen Automobilherstellers. Bei einer Produktionskapazität von 50.000 Fahrzeugen bis zum Ende diesen Jahres in einer Provinz, in deren Hauptstadt allein jährlich 100.000 Neuwagen gekauft werden, besteht zugleich Potenzial zur Weiterentwicklung. Die Wolfsburger sind optimistisch: „In 10 Jahren wird niemand mehr die Frage stellen, warum wir uns für diesen Standort entschieden haben“.
Während frühere Bedenken bei der Ansiedlung internationaler Unternehmen, wie die mangelnde Infrastruktur und die fehlende Einflusskraft auf umliegende Länder, durch das Konzept „neue Seidenstraße“ obsolet werden, bleiben ethnische Konflikte ein prägender Aspekt des Lebens in Xinjiang, trotz oder gerade wegen der wirtschaftlichen Aufbruchstimmung. Der Standort Xinjiang birgt also Potenziale und Risiken. Vor allem wird er jedoch weiterhin eines machen: von sich reden.
Standort Xinjiang: Chancen und Herausforderungen einer vergessenen Region
Chinas Urbanisierung – wachsende Herausforderungen für die Umwelt
China-Prognosen 2015: Wirtschaftswachstum, Im- und Export, Arbeitslosenquote
Diskutieren Sie mit!