Nicht nur China und Deutschland sind interkulturell interessant. Die ICC-Reihe „Weltblick“ stellt weitere Aspekte und Tipps zwischen den Kulturen weltweit vor. In diesem Gastbeitrag von Frau Prof. Dr. Simone Rappel geht es um Verhandlungen in Indien.
Namaste – Herzlich willkommen in Indien. Hier erfahren Sie, wie Sie in Indien erfolgreich verhandeln und langfristig gute Geschäftsbeziehungen aufbauen. Sie haben eine interessante indische Firma kennengelernt und möchten austesten, ob eine Zusammenarbeit für Sie in Frage kommt. So sollten Sie vorgehen:
Recherche, langfristiger Beziehungsaufbau und geduldiges Verhandeln sind die wichtigsten Schritte auf dem Weg zu einer erfolgreichen Geschäftsanbahnung.
Wenn Sie glauben, dass eine bestimmte indische Firma zu Ihnen passt, sollten Sie – ehe Sie die ersten Gespräche aufnehmen – sorgfältigst (Superlativ!) recherchieren. Denn nicht alles, was glänzt, ist Gold. Vollmundige Versprechen und grandiose Unternehmenspräsentationen gehören zu Indien wie das Taj Mahal. Voller Selbstbewusstsein und Optimismus heißt es: „No problem!“, „Of course, we can do it!“
Eine gute Vorbereitung zahlt sich in Indien aus
Ziehen Sie alle Register: Recherchieren Sie im Internet, studieren Sie alle Produkt- und Imagebroschüren, suchen Sie in den social Media nach Stimmen über diese Firma – so könnte z.B. interessant sein, was Mitarbeiter dort posten, hören sie sich in der Branche herum, analysieren Sie die Erfahrungen dieser Firma im internationalen Kontext, holen Sie sich Infos bei der Handelskammer und nutzen die Expertise von Firmen, die Ihre Branche mit ihren Playern und Wettbewerbern am indischen Markt richtig einschätzen können.
Sind Sie nach diesen unverzichtbaren Hausaufgaben zu der Überzeugung gekommen, dass sich ein intensiver Kontakt lohnt, dann sollten Sie auf der Basis eines Stärken- und Schwächeprofils Ihres möglichen zukünftigen indischen Partners die Gespräche aufnehmen. Telefon, Brief, Email … alles sollten Sie zur Kommunikation nutzen. Dabei gilt, je persönlicher das Kommunikationsmedium, desto besser. Bleiben Sie dran, wenn die Sache vielversprechend scheint. Kommunizieren Sie in kurzen Intervallen auf möglichst vielen Kanälen.
Bald steht dann für Sie eine Reise nach Indien an. Es ist unerlässlich, sich persönlich einen direkten Eindruck vor Ort zu verschaffen. Nehmen Sie sich dafür ausreichend Zeit. Es wäre an der falschen Ecke gespart, wenn Sie hier mit Ihrer Zeit knausern. Der auf lange Zeit hin angelegte Beziehungsaufbau ist in Indien das A und O einer soliden Zusammenarbeit. Das Indiengeschäft lässt sich nicht nebenbei erledigen, sondern erfordert volle Aufmerksamkeit. Am besten machen Sie es zur Chefsache.
In Indien angekommen, erwarten Sie Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft. Man wird alles tun, damit Sie sich wohlfühlen. Sightseeing, viele persönliche Gespräche, Einladungen, Shopping und gutes Essen gehören zum Programm. Und Sie fragen sich schon ungeduldig: Wann kommen wir zur Sache? Wann reden wir übers Geschäft?
Vor den Verhandlungen in Indien steht der Beziehungsaufbau
Indien setzt andere Prioritäten. Das allerwichtigste ist, jemanden gut zu kennen. Inder sind an einmaligen Geschäften kaum interessiert. Sie wollen eine langfristige Zusammenarbeit. Deshalb setzen Sie von Anfang an auf den Beziehungsaufbau. Ausgiebiges Relationship Management ist die indische Herangehensweise. Die Beziehung muss stimmen, sonst gibt es in Indien kein Geschäft. Das aber braucht Zeit und Geduld.
Deshalb sollten Sie die Gastfreundschaft genießen und es zulassen, dass der indische Gesprächspartner Sie von Ihrer privaten Seite kennenlernt und Sie nicht nur in der Rolle des Managers zu Gesicht bekommt. Wenn Sie diese Hürde genommen haben, ist es Zeit, über das Geschäftliche zu sprechen. Immer gilt in Indien die Regel: Erst das Persönliche, dann das Geschäftliche!
Lernen Sie das Unternehmen gründlich kennen, sprechen Sie mit den Führungskräften, machen Sie sich ein Bild von deren Kompetenz, bestehen Sie in jedem Fall auf einer Betriebsbesichtigung, versuchen sie einen Blick hinter die Kulissen zu bekommen, stellen Sie viele Fragen und hinterfragen Sie alles. Neugierde ist angebracht und wird vom Gegenüber als Interesse verstanden.
Legen Sie Ihre Karten auf den Tisch: Stellen Sie Ihre Firma mit Leistungsspektrum und Produktportfolio ausführlich vor. Erzählen Sie Anekdoten aus der Geschichte Ihres Unternehmens, machen Sie Ihre Erfolge deutlich. Beschreiben Sie Ihre Unternehmenskultur, betonen Sie die Werte, die Ihnen unverzichtbar sind und das Herz Ihres Unternehmens bilden. Seien Sie in Ihrer Selbstvorstellung nicht allzu bescheiden, d.h. tun Sie nicht so, als seien Ihre Leistungen selbstverständlich. Zeigen Sie vielmehr, dass Sie für Ihren Erfolg hart gearbeitet haben. Sagen Sie schließlich, was Sie möchten und wie Sie sich die Zusammenarbeit vorstellen können.
In der Verhandlung: Was ist Ihr Auftrag, was Ihr Spielraum?
Wichtig ist, dass Sie gleich zu Beginn deutlich machen, was Ihre Handlungsvollmacht ist. Bisweilen geht die indische Seite davon aus, dass Sie womöglich nur der Kundschafter sind, der erst einmal die Verhältnisse abchecken soll. Sagen Sie klipp und klar, womit Sie beauftragt sind und was Ihr Spielraum ist. Versichern Sie sich umgekehrt, dass Ihre indischen Gesprächspartner auf Augenhöhe mit Ihnen sind und nicht erst alles mit ihrem bislang für Sie unsichtbaren Boss besprechen müssen.
Selbstverständlich sollte es für Sie sein, sich während der Verhandlungen Gesprächsnotizen zu machen und die wichtigsten Punkte in einem Protokoll zu notieren. Fassen Sie Ihre Sicht der Dinge am Ende des Gesprächs zusammen und achten Sie dabei auf die Reaktion der indischen Seite. Stimmen Sie sich ab, wenn Sie den Eindruck haben, etwas sei noch unklar. Denn Missverständnisse entstehen schnell.
Erschwerend kommt für deutsch-indische Verhandlungen hinzu, dass nach westlichen Gepflogenheiten schriftliche Vereinbarungen bindend sind. Für Inder hingegen zählt das von Angesicht zu Angesicht gesprochene Wort. Außerdem neigen Inder zum Nachverhandeln. Nicht weil sie sich nicht an ihr Wort halten möchten, sondern weil sich ihrer Ansicht nach die Umstände ändern, der eine oder andere Aspekt hinzu kommt und sie es als unfair empfinden, beim Alten zu bleiben.
Auf elegante Weise können Sie Ihre Gesprächsnotizen als summery präsentieren, wenn Sie diese nach Ihrer Rückkehr nach Indien mailen. Dabei bedanken Sie sich für die überaus herzliche Gastfreundschaft (sparen Sie nicht mit Lob!), die guten Gespräche und schreiben Sie, wie sehr Ihnen Indien gefallen hat. Damit treffen Sie ins Schwarze: Sie vertiefen die Beziehung und kommunizieren zugleich Ihre Sicht der Dinge. Dieses Email sollte für Sie der Auftakt einer engmaschigen Kommunikation – inklusive der Einladung Ihres künftigen Geschäftspartners – sein, die sie schließlich zum Vertragsabschluss führt.
Ein Hinweis versteht sich letztlich von selbst: Inder sind tüchtige Geschäftsleute und haben Freude am Handeln. Stellen Sie sich auf eine orientalische Basarmentalität ein. Das heißt: Verhandeln ist nicht nur negotiating, sondern vor allem bargaining. Es geht um den besten deal. Und der will errungen werden. Das ist harte Arbeit.
Sie können aber sicher sein: Wenn Sie vorher in eine gute Beziehung investiert haben, machen Sie Ihren deal!
Über die Autorin
Prof. Dr. Simone Rappel, Interkulturelles Training & Coaching
www.dr-rappel-iku.de, Kontakt: simone@dr-rappel-iku.de
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